Der Schinkenmacher als Gefäßchirurg
Heute ist es eher umgekehrt. Herr Thum erzählt eine Geschichte. Es war Ostern damals. Eine Kundin hatte nach Schinken gefragt, er hatte gesagt, es würde Schinken geben an dem und dem Tag. Doch in der Nacht davor passierte etwas. Der Schinken war nicht so, wie Thum es sich von einem seiner Schinken erwartet. Unvertretbar. Also: unverkäuflich. Die Kundin kam und als er ihr erklärte, dass er diesen Schinken nicht verkaufen könnte, bestand sie dennoch auf einer Kostprobe. Roman Thun, ein Gentleman vom Scheitel bis zur Sohle, tat ihr den Gefallen. Die Kundin liebte den Schinken, den er als fehlerhaft beschrieben hatte. Sie ließ sich eine bestimmte Menge geben. Und als es als bezahlen ging, sagte Herr Thun nur: "Ich kann Ihnen den Schinken geben, aber nicht verkaufen und also auch nicht berechnen. Denn er entspricht nun mal nicht meinen Qualitätsvorstellungen." Die Kundin war verwundert, aber glücklich. Mutter Thum war nur verwundert.
Qualität kommt von Besessenheit
Qualitätsbesessenheit stößt in Österreich oft auf Unverständnis. Später dann immer öfter auf Erfolg. Die Familie Thum arbeitet seit fünf Generation an ihren Schinken, Würsten und Kalbszungen. Fünf Mitarbeiter sind es und nicht mehr, die in der Manufaktur beschäftigt sind. Darunter Familienmitglieder. Jeder kennt jeden Arbeitsschritt. Jeder kann jeden jederzeit vertreten. 1000 Kilo werden pro Woche produziert. Die Nachfrage übersteigt das Angebot, wie es sein soll, dann kann man sich seine Geschäftspartner nämlich aussuchen. Wachstum ist kein Thema für Herrn und Frau Thum. Ein Produktionsbetrieb nach dem Vorbild der Industrie kommt nicht in Frage. Thum: "Ehrlichkeit setzt sich am Ende durch." Wollen wir damit der Industrie Unehrlichkeit vorwerden? Wir wollen gar nichts. Wer bei Thum Schinken (Würste, Fleisch, …) kauft, hat sich vom Angebot der Lebensmittelindustrie, der Riesenschweinekäfige und Großtierfabriken längst verabschiedet. Auf Nimmerwiedersehen und Nimmerwiederkaufen.
Die zarteste Versuchung ...
Warum so saftig, der Schinken, so zart, die gepökelte Zunge? Fragt sich der Neuling. Es liegt an der Aderpökelung. Eine kaum mehr angewandte Methode, weil zeitintensiv. Wie der Name vermuten läßt, handelt es sich dabei um eine spezielle Art der Pökelung. Die körpereigenen Gefässe der Tiere spielen dabei eine Rolle. Denn die Pökelflüssigkeit wird über Kanülen über die Arterien ins Fleisch geleitet. Der Schinkenmacher als Gefäßchirurg. Ganz recht, Thomas Thum redet und sieht auch so aus, als würde er im AKH arbeiten. Den klassischen Fleischhauer jedenfalls stellt man sich anders vor. Wahrscheinlich aber, dass es diesen Typen auch gar nicht mehr wirklich gibt.
Und Bio?
"Bio?" sagt Thum. "Oft scheitert es am Preis." Der Winterurlaub in Ischgl, der dunkelfenstrige BMW, der neue Flatscreen ja. Bio-Eier oder der Schinken vom Biomangalitza leider nein. Unter der Schlamperei und Lieblosigkeit der Branche litt auch das Berufsbild des Fleischers. "Als ich in der Schule sagte, ich würde Fleischer werden, war das sagen wir nicht gerade die Supershow bei den Mädchen," erzählt Roman Thum. Heute ist er stolz auf sein Metier. Pflegt mit jedem Partner und Lieferanten offene und ehrliche Beziehungen. Er interessiert sich für die Story hinter dem Produkt und für die der Menschen, die es herstellen. Die kleinen Produzenten haben es immer schwerer. Die Hygienevorschriften und die damit verbundene Bürokratie arbeitet den großen Einheiten in die Hände. Das scheint in Europa auch durchaus erwünscht so. Bis dann trotz der Vorschriften wieder der nächste Skandal platzt. Wer im kleinen Geschäft der Familie Thum im fünften Bezirk einkauft, dort ein Gläschen Szigetti oder Veltliner auf Haus nimmt und sich dann beim Einkauf beraten lässt,kann davon ausgehen, dass die Unappetitlichkeiten der Lebensmittelindustrie hier Lokalverbot haben.
Thum Schinken, Margaretenstraße 126, 1050 Wien, Tel.: 01/544 25
-
Hauptartikel
-
Bilder
Kommentare