Verrücktes Reisen

Verrücktes Reisen
Tausendjährige Eier auf Skihütten, Wellness am Grund des Meeres und digitale Personal Trainer. Michael Horowitz über Urlaubs-Perspektiven.

Die Chinesen kommen. Bis zum Jahr 2020 werden rund 150 Millionen Menschen aus China ihren Urlaub im Ausland verbringen, Europa als Freizeitpark erschließen. Schon heute träumen Chinesen von der Exotik des Skifahrens. In Zukunft wird es vermutlich auf unseren Berghütten nach Chili, Ingwer und Koriander riechen. Und Sichuan-Schweinetopf, in Sambal gegarten Wasserspinat und tausendjährige Eier geben. Eine willkommene Abwechslung zu den ewigen Germknödeln und Berner Würsteln.

Unser Urlaub der Zukunft. Im Gegenzug zu wohlhabenden Reisenden aus Schwellenländern wie Brasilien, China und Indien, die zu uns kommen, wird sich der europäische all inclusive-Billigtourismus Richtung riesige Ferienresorts am Mittelmeer – aber auch nach Brasilien und China verlagern. Die Schere zwischen extrem günstigem Urlaub für die Masse und absolutem Premiumurlaub für wenige Reiche wird in den nächsten zehn, zwanzig Jahren noch mehr auseinanderklaffen. Schon heute kann man Reisen für den Gegenwert eines gehobenen Mittelklassewagens buchen: Um den Preis eines Audi A 6 (inklusive reichlichen Extras wie Businesspaket, Matrix-LED-Scheinwerfer, Standheizung und Valcona-Lederpolsterung) – rund 60.000 Euro pro Person (!) – ist man dann im Privat-Jet Albert Ballin 19 Tage unterwegs. Auf fast 40.000 Kilometern bereist man vier Kontinente. Von der legendären Sansibar auf Sylt bis Sansibar vor Afrika. Mit Stopps in New York, Kanada, Alaska, Japan, Palau und Vietnam. Eine Luxusreise wie eine Kreuzfahrt. Nur nicht mit einem Dampfer auf dem Wasser, sondern durch die Luft. Mit einer zu einem fliegenden Palast umgerüsteten Boeing 737-800, die normalerweise bis zu 190 Menschen befördert.

Kreuzflug nennt der Veranstalter Hapag Lloyd das exklusive Reiseerlebnis mit maximal 42 Passagieren. Das natürlich einen fast unanständigen, verrückten Preis hat. Aber wann kommt man sonst direkt von Alaska in die Südsee? Mit Beinfreiheit wie zu Hause während der ZiB 2, einem Lektor, der über die nächste Destination informiert, und einem Bordarzt. Das Erlebnis Urlaub wird sich in zehn, zwanzig Jahren radikal verändert haben, meinen die Tourismus-Experten von „Skyscanner“, einer weltweit führenden Internet-Reisesuchmaschine. In der Studie Future of Travel schwärmen sie vom Abenteuer, die atemberaubende Krümmung der Erde von einer geringen Umlaufbahn genießen aus zu können – von Reisen in den Weltraum als bahnbrechender Meilenstein im Urlaubsfeeling. Allerdings dürfte die Explosion der Raumfähre SpaceShipTwo, bei der im vergangenen Oktober ein Pilot starb, die vollmundigen Vorhersagen ein wenig dämpfen. Wesentlich erschwinglicher als der Weltraumtourismus wird das Reisen zum Grund der Meere – Urlaub à la Käpt’n Nemo. Unterwasser-Resorts mit Wellness-Bereichen, Bars und Restaurants, sollen in weniger als zehn Jahren zum Mainstream-Tourismus gehören. Außerdem soll dann ein Flug wie von London nach Sydney nur mehr zwei Stunden dauern. Und Daten aus sozialen Netzwerken werden – sind sich Tourismus-Experten einig – ein maßgeschneidertes Übernachten garantieren: Im Hotelzimmer der Zukunft wird man schon vom digitalen Personal Trainer erwartet, von der Temperatur bis zur Stärke der Power-Dusche ist alles individuell gesteuert und das Wasser automatisch mit den speziell erforderlichen Vitaminen angereichert. Im Kopfpolster integrierte Elektronik massiert in den Schlaf und übernimmt den Weckservice. Die Wände spielen Filme ab oder mildern Jet-Lag durch Abdunklung. Gute Nacht.

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