Rätsel des Universums

Rätsel des Universums
Das größte Teleskop der Welt soll schon bald nach lebensfreundlichen Planeten fahnden. Michael Horowitz über junge Sterne, das schärfste Auge der Welt und die Geheimnisse himmlischer Objekte.

Flamingos, die stolz durch Salzseen schreiten. In der Ferne erkennt man rötlich-braun schimmernd 19 Gipfel der Anden. Vikunjas, die kleineren Verwandten der Lamas, ziehen in den Bergen scheu ihre Runden. Und immer mehr Touristen, die einen der magischsten Flecken der Erde erobern. Willkommen in der Atacama-Wüste. Die bizarre Landschaft im Norden Chiles gilt als die trockenste Wüste der Welt. Wegen der kühlen, trockenen Wetterbedingungen und extrem guter Sicht werden hier schon lange die meisten astronomischen Beobachtungen weltweit ausgeführt. Und in einigen Jahren wird in diesem magischen Gebiet das größte Auge, das die Menschheit jemals in den Himmel gerichtet hat, seine Beobachtungen beginnen. Mit einem einmalig scharfen Blick in den Kosmos. Ein riesiger 39,3-Meter-Spiegel – die derzeit größten Teleskope besitzen Spiegel mit Durchmessern von lediglich acht bis zehn Metern – soll vor allem nach lebensfreundlichen Planeten fahnden.

Lange war die Finanzierung der Europäischen Südsternwarte für dieses gigantische Teleskop, für das auch Österreich mehr als sechs Millionen Euro beisteuert, nicht gesichert. Doch vor einigen Wochen atmete die Welt der Wissenschaft auf: Der Bau des größten optischen Teleskops der Welt, des E-ELT – European Extremely Large Telescope – wurde beschlossen. Nach seiner Inbetriebnahme in rund zehn Jahren in der Atacama-Wüste werden die Astronomen hier mit ihrem Riesenauge bei ihrer Suche nach den Ursprüngen des Universums ihr Wissen vervielfachen. Und sich einigen der wichtigsten wissenschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit stellen. Dazu gehört der erste Nachweis eines erdähnlichen Planeten in der bewohnbaren Zone eines Sterns – die Bestätigung eines solchen Planeten, auf dem sich Leben bilden könnte, ist eines der ehrgeizigsten Ziele der beobachtenden Astronomen. Außerdem soll das E-ELT stellare Archäologie in unseren Nachbar-Galaxien betreiben. Schon heute, zehn Jahre vor Inbetriebnahme des Teleskop-Giganten, freuen sich die Wissenschaftler: „Wir werden Dinge sehen, die bisher im Unscharfen verschwommen sind, etwa junge Sterne und die Planeten, die sie umkreisen.“ Aber man macht sich auch auf Überraschungen gefasst – aus den Beobachtungen mit dem Riesenauge werden sich neue, unvorhergesehene Fragen der Astronomie ergeben. Rätsel des Universums, die vor allem im Infrarotbereich sichtbar sein werden: Hier ist das E-ELT besonders empfindlich und leistungsstark, es registriert die Wärmestrahlung der himmlischen Objekte und dringt selbst durch dicke Staubwolken hindurch. Im Infrarotbereich leuchten auch die frühesten Galaxien im Kosmos, die nur einige Hundert Millionen Jahre nach dem Urknall entstanden sind. Vor allem hoffen die europäischen Astronomen mit Hilfe des geplanten Riesen-Teleskops in Zukunft endlich das Rätsel zu lösen, wie Sterne und Planeten entstehen. Und die Geheimnisse in den Weiten des Weltraums zu erforschen – Urknall, Dunkle Materie oder verschmelzende Galaxienhaufen in der Frühzeit des Kosmos. Und damit, wie der deutsche Astrophysiker und Wissenschaftsjournalist Dirk Lorenzen meint, unsere eigene kosmische Vergangenheit zu verstehen.

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