Das Jahrhundert des Wasserstoffs

Das Jahrhundert des Wasserstoffs
Mit „kalter Verbrennung“ in die Zukunft? Michael Horowitz über den neuen mobilen Star: Ein Auto, das Wasserstoff tankt und seinen Strom selbst an Bord mit einer Brennstoffzelle produziert.

Jules Verne meinte 1870, die Energie von morgen ist Wasser, das durch elektrischen Strom zerlegt worden ist. Und der Visionär wagte auch die Prophezeiung, die zerlegten Elemente des Wassers – Wasserstoff und Sauerstoff – werden auf unabsehbare Zeit hinaus die Energieversorgung der Erde sichern. Wasser als Kohle der Zukunft. Die Brennstoffzelle für Autos kam und ging in den letzten Jahrzehnten. Sie sollte bereits mehr als ein Dutzend Mal auf den Markt kommen. Aber außer Testbussen und Gabelstaplern ist nicht viel geblieben. Nach unzähligen Forschungsmodellen und missglückten Testbaureihen hat Toyota als erster Autohersteller jetzt den Mut, ein Serienmodell mit Brennstoffzelle auf den Markt zu bringen. Mirai, der japanische Begriff für Zukunft, ist der Name des Autos, das Wasserstoff tankt und seinen Strom an Bord selbst mit einer Brennstoffzelle produziert. Aus dem Auspuff strömen keine Abgase, es entweicht nur mehr Wasserdampf. Im Rennen um die Auto-Antriebstechnik der nächsten Jahrzehnte hat Toyota jetzt gegen amerikanische und deutsche Hersteller eindeutig die Poleposition: Mercedes hofft, in drei Jahren in Gemeinschaftsproduktion mit Nissan und Ford ein – noch nicht serienreifes – Brennstoff-Auto herausbringen zu können. BMW frühestens 2020. Toyota hatte schon vor 17 Jahren mit dem ersten Hybrid-Auto Prius für Furore gesorgt, von deutschen Konkurrenten damals allerdings nur milde belächelt. Inzwischen hat man bereits mehr als sieben Millionen Hybrid-Fahrzeuge verkauft …

Japan als drittgrößte Industrienation hat das Projekt des abgasfreien Mirai massiv gefördert. Schon bis Ende nächsten Jahres wird es die ersten 100 Wasserstoff-Stationen geben. In zehn, 15 Jahren sollen schon rund zwei Millionen Brennstoffzellen-Gefährte auf Japans Straßen unterwegs sein. Und bereits 2020 will Tokio als Austragungsort der Olympischen Spiele Sportler und Journalisten aus aller Welt mit einer Flotte von Wasserstoff-Autos und -Bussen beeindrucken. Bereits in wenigen Wochen soll der erste Toyota-Mirai mit kalter Verbrennung, die doppelt so effizient ist wie ein Benzinmotor, in Japan verkauft werden. Bis 2017 allerdings nur bescheidene 3.000 Stück. Im September 2015 wird das 78.540 Euro teure Wunderauto in Deutschland erhältlich sein. Es wird nur an wenige Firmen verleast, die Zugang zu einer Wasserstoff-Tankstelle haben. Der 1850 Kilo schwere Saubermann mit 155 PS schafft in 9,6 Sekunden Tempo 100 und eine Höchstgeschwindigkeit von 178 km/h, kann mit einer Tankladung 700 Kilometer weit fahren und ist in drei Minuten vollgetankt. Das Prinzip der Energieumwandlung von chemischer in elektrische Energie ist bereits 175 Jahre bekannt, mehr als drei Jahrzehnte länger als der Verbrennungsmotor mit Leuchtgas, den Nikolaus Otto 1877 zum Patent angemeldet hatte. Im Autobau steht die Brennstoffzelle jedoch noch am Anfang ihrer Entwicklung. Ob wir in Zukunft wirklich in diesen Gefährten unterwegs sein werden, die mit Wasserstoff Strom für einen Elektromotor erzeugen, ist mehr als fraglich. Nicht nur weil diese Autos immer teuer bleiben werden, sondern auch, weil Wasserstoff gar nicht so umweltfreundlich ist, wie die Hersteller behaupten. Die Energiebilanz der Brennstoffzelle ist trotz ihres hohen Wirkungsgrades sehr negativ, meint ein Greenpeace-Sprecher, nur maximal 40 Prozent der eingesetzten Energie wird genutzt. Um die Energie eines Liters Sprit zu erhalten, müssen davon fast drei verbrannt werden.

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