Zukunftsserie: Babys auf Vorrat

Zukunftsserie: Babys auf Vorrat
Wird in Zukunft Fortpflanzung ohne Sex zur Routine? Schon heute bezahlt Facebook seinen Karriere-Frauen das Einfrieren von Eizellen, damit sie ihren Kinderwunsch zugunsten des Aufstiegs im Konzern aufschieben.

Wird sich in Zukunft unser Sexleben völlig verändern? Werden die Grenzen der Natur gesprengt? Wird die Fortpflanzung ohne Geschlechtsverkehr zur Routine? Ist Sex dann nur mehr Vergnügen und nicht Mittel der Reproduktion? Für viele Frauen ist es heute schon verlockend, das Ticken der biologischen Uhr zu ignorieren und sich den Kinderwunsch erst in späteren Jahren zu erfüllen. Dann, wenn man auf der Karriereleiter oben angelangt ist, Männer für gewisse Stunden hinter sich gelassen und die Traumurlaube absolviert hat. Wenn die Phase der Selbstverwirklichung langsam zu Ende geht, ist die Zeit für ein Baby gekommen. Und vielleicht auch für den richtigen Partner. Die gesellschaftliche Entwicklung hat immer mehr beruflich engagierte Frauen hervorgebracht, die auch eine Familie gründen wollen – allerdings in späteren Lebensjahren. Nach dem Zeitraum zwischen Teenagerschwangerschaft und Torschlusspanik. Die Medizin macht’s möglich – und sorgt für Nachwuchs auf Vorrat. Beim social egg freezing werden unbefruchtete Eizellen eingefroren. Dadurch ist es möglich, den Kinderwunsch vorerst auf Eis zu legen. Die Probleme rund um das Eizellen-Einfrieren sind gelöst: Ein Blick ins Internet führt zu fast 100 Kliniken, die weltweit diese Methode anbieten. Noch schlägt die Natur die Medizin: Die Erfolgsraten einer künstlichen Befruchtung liegen unter denen der natürlichen Zeugung. Dennoch ist der 91-jährige Carl Djerassi, Miterfinder der Antibabypille und 34-facher Ehrendoktor, überzeugt, dass in den nächsten Jahrzehnten das Einfrieren von Eizellen unser Leben radikal verändern wird, und meint: „Religionen wie der Katholizismus werden die Gültigkeit ihres Gebots, wonach Geschlechtsverkehr nur mit potenziell reproduktiven Folgen erlaubt ist, zur Debatte stellen müssen.“

Schon heute bezahlt Facebook seinen Karriere-Frauen das Einfrieren von Eizellen, damit sie ihren Kinderwunsch zugunsten des Aufstiegs im Konzern aufschieben. In den USA warten bereits heute 20 Prozent der Frauen mit dem Kinderkriegen, bis sie mindestens 35 sind. Facebook-Geschäftsführerin Sheryl Sandberg hatte im Vorjahr mit ihrem Buch Frauen und der Wille zum Erfolg für Furore gesorgt. Ihr Plädoyer für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wurde im Social Web als mutiges Frauen-Manifest bezeichnet. Jetzt ist die Mutter zweier Kinder die treibende Kraft, das Einfrieren von Eizellen zu finanzieren. Eine Frau verliert monatlich rund 1.000 Eizellen. Hatte sie während der Pubertät an die 400.000, reduziert sich die Zahl von Jahr zu Jahr um 12.000 – und gleichzeitig nimmt die Qualität der Eizellen mit zunehmendem Alter ab. Das erschwert die Zeugung und erhöht die Gefahr, ein behindertes Kind zu bekommen. Am höchsten ist die weibliche Fruchtbarkeit zwischen 20 und 25 Jahren. Danach sinkt sie – ab 30 rapide. Mit 25 ist die Chance bei regelmäßigem Sex schwanger zu werden, pro Zyklus 30 Prozent.

Bei 40-Jährigen nur noch zehn Prozent. Trotz höherer Lebenserwartung. Somit ist für Frauen, die sich in höherem Alter noch Kinder wünschen, die künstliche Befruchtung eine Option. In zehn, 20 Jahren werden immer mehr junge Frauen ihre Eizellen einfrieren lassen, um in späteren Lebensjahren ein gesundes Kind zu bekommen. Denn je jünger die Eizellen sind, die dann bei der künstlichen Befruchtung eingesetzt werden, desto höher ist die Chance, dass tatsächlich ein Baby zur Welt kommt. „In Zukunft wird man auch dem Problem der überalterten Eizellen begegnen können“, meint Marion Kiechle, Direktorin der Frauenklinik der Technischen Universität München, „indem man durch Reprogrammierung beispielsweise aus Hautzellen einer Frau Eizellen herstellen und somit unabhängig vom Alter Nachkommen zeugen kann.“ Auch für unfruchtbare Männer gibt es Hoffnung: Durch diese Reprogrammierung wird es möglich sein, aus Hautzellen reife Samenzellen herzustellen – ein Forschungsergebnis, für das Shin’ya Yamanaka von der Uni Kyoto 2012 den Medizin-Nobelpreis erhielt. Steht uns nach der Pille die zweite Revolution in der Familienplanung bevor?

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