Zukunftsserie: So leben wir morgen

Zukunftsserie: So leben wir morgen
1. Teil der Serie: Welche Ideen werden die Welt verbessern? Welche Krankheiten sind bald heilbar, wann wird das Rätsel unseres Gehirns entschlüsselt? Werden wir das Wetter selbst bestimmen können? Die Gesellschaft von morgen mit ständig neuen Technologien als Segen oder Fluch? Michael Horowitz gibt die Antworten in unserer neuen Zukunfts-Serie. Doch zuerst ein kurzer Blick in die Vergangenheit.

Am Alsergrund. Ende der 1950er-Jahre. In unserer Gasse eine der ersten „Roman-Tauschzentralen“ Wiens. Ein Universum aus geheimen Sehnsüchten und geborgten Lebensinhalten. Herr des Tauschhandels ist ein hagerer Herr hinter vergilbten Stapeln von Schicksalen: „Bastei-Heimat-Romane“ mit Titeln wie Dr. Solbach am Scheideweg oder Er wollte das Ja-Wort der Jungfrau. Für uns Buben am Boden Berge von kaugummiverpickten „Micky Maus“- und „Sigurd“-Heftln. 50 Groschen pro Stück. Und ganz hinten im Eck ein besonderer Stoß: „hobby – das Magazin der Technik“ (1 Schilling). Das war meine Welt. Kaum konnte ich lesen, war ich von „hobby“ und seinen Zukunftsprognosen beeindruckt.

"Die Welt wird immer rätselhafter – Computer übernehmen die Macht"

Das bunte Magazin hatte mit seinen Vorhersagen nicht immer Recht. Fliegende Marsfahrzeuge oder Ski mit Düsenantrieb gab es nie. Auch das Solarkraftwerk auf dem Mond oder die Seilbahn zum Meeresgrund wurden nie Realität. Prophezeite Wunder der Technik, die uns Buben am Alsergrund dennoch faszinierten. Aber – genau 50 Jahre bevor herauskam, dass Kanzlerin Merkel von deutschen NSA-Mitarbeitern abgehört wurde – witterte „hobby“ schon einen Abhörskandal. In der Nr. 2/63 las man Wer hört Adenauers Telefon ab?: Der Bundeskanzler hat sich beschwert, dass man seinen Gesprächen lauscht. Knackgeräusche in seinem Telefon hatten ihn beunruhigt. „hobby“ ist immer wieder gefragt worden, ob denn so etwas trotz aller moderner Technik möglich sei. Unsere Nachforschungen ergaben – ja, es ist möglich! Manchmal gibt sich „hobby“ auch skeptisch und warnt vor allzu großem Optimismus wie bei der Frage Kommt das farbige Fernsehen? Die Technik der Elektronenschleudern sei noch lange nicht ausgereift und die Empfangsgeräte wären für den Massenabsatz viel zu teuer …

1967 prophezeite das Zukunfts-Magazin jedoch bereits die Invasion datenverarbeitender Maschinen auf sämtliche Bereiche unseres Lebens: Die Welt wird immer rätselhafter – Computer übernehmen die Macht! „Dyna Soar“, ein Gleitbomber, der mit 28. 000 km/h die Erde im Nonstop-Flug umkreisen soll, oder die Stadtautos auf Elektroschienen sind nie (oder noch nicht) Realität geworden. Auch nicht die Turbo-Einschienenbahn. Sie sollte im Kampf gegen Fahrzeuge aller Art, zahllos wie ein Insektenschwarm, bimmelnd, hupend und übelriechend, laut „hobby“ bereits im Mai 1957 die Rettung für den drohenden Verkehrsinfarkt sein. In Mega-Metropolen wie New York – aber auch im Westen Kanadas. Ein dichtes Netz dieser Bahn sollte dort die Goldgräber des 20. Jahrhunderts, die Interessenten für Uran, Blei und Zink mobil machen. Eine Idee von Walt Disney wird 1967 präsentiert: „E.P.C.O.T.“, die Traumstadt aus der Retorte: Eine künstliche Stadt als lebendes Schaufenster des technischen Fortschritts für 20.000 Menschen, mit einem auf mehrere Etagen verteilten Verkehrssystem und einem riesigen „Disney-Land“. 15 Jahre später wurde zumindest der 120 Hektar große Vergnügungspark in der Nähe von Orlando eröffnet. Die Stadt der Zukunft als Laboratorium des Städtebaus blieb Vision.

Im April 1960 war die Aufregung bei uns Buben am Alsergrund groß: „hobby“ verkündete Das Auto lernt fliegen! Der Pkw von morgen braucht keine Straßen mehr. Schwebende Turboluftpolster-Gefährte ersetzen bald VW-Käfer & Co. Wenigstens kaufte mein Vater in diesem Jahr ein altmodisches Auto – mit vier Rädern und unglaublichen 21 PS. Einen Renault 4CV. Die erste Ausfahrt in die Bucklige Welt ließ mich für kurze Zeit die fliegenden Autos vergessen …

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