Junge Frau mit Schneekugel und roten Haaren

Made in Hernals: Die Original Wiener Schneekugel Manufaktur wird 125

In einem unscheinbaren Haus in Wien-Hernals wird ein Produkt produziert, das zur Stadt gehört wie die Sachertorte.

Wir befinden uns im Jahr 1900. Der Wiener Chirurgieinstrumente-Mechaniker und Erfinder Erwin Perzy I. experimentiert auf der Suche nach einer sterilen Beleuchtungsquelle für Operationssäle mit einer Schusterkugel, um die Lichtausbeute der damals neuen Kohlenfadenlampe (eine frühe Form der Glühlampe) zu verstärken. Diese Schusterkugel war eine Glaskugel mit rohrförmigem Ende, gefüllt mit Wasser. Doch die Glaskugel verstärkte den Lichtschein nur ungenügend, weshalb Perzy dem Wasser verschiedene Stoffe zufügte, welche das Licht stärker reflektieren sollten. Irgendwann verwendete er auch Gries, welcher langsam herabsank. Dieser Effekt erinnerte ihn an Schneefall. Da er gerade ein Modell der Mariazeller Kirche für einen Freund angefertigt hatte, gab er diese Miniatur in die Kugel – die erste Schneekugel war geboren.

Ein junger Mann mit Schnurrbart sitzt im Anzug auf einem Stuhl.

Der „Vater der Wiener Schneekugel“, Erwin Perzy I., war Chirurgie- Instrumente-Mechaniker und Erfinder. 

©Original Wiener Schneekugel e.U.

Mit Tradition: Original Wiener Schneekugel Manufaktur

Was statt Gries heute in der Original Wiener Schneekugel drin ist, ist ein gut gehütetes Geheimnis, das nur von einer Generation zur nächsten weitergegeben wird. „Mein Urgroßvater hat noch ca. 10 Jahre gebraucht, bis er herausgefunden hat, wie man die Kugel in Masse produzieren kann“, sagt Sabine Perzy, die heute bereits in vierter Generation den Betrieb leitet. Was aber seit damals unverändert ist: In den Schneekugeln befindet sich reines Wiener Leitungswasser aus der Hochquellwasserleitung Nummer 2. „Wir füllen unsere Kugeln auch gratis gerne jederzeit wieder auf“, sagt Perzy.

Eine Schneekugel mit einer Miniatur-Kirche und der Aufschrift "Maria Zell" auf dem schwarzen Sockel.

Die älteste noch erhaltene  Schneekugel wurde 1925 angefertigt und ist im Museum zu sehen.

©Original Wiener Schneekugel e.U.

Silvesterguss

Neben den Schneekugeln verkauft das Unternehmen auch den Wiener Silvesterguss, den Erwin Perzy I. ebenfalls 1900 erfunden hatte, indem er statt des damals üblichen Bleis eine neue leichtschmelzende Legierung auf Zinn-Basis entwickelte. Seit nunmehr 125 Jahren werden in der Schumanngasse 59 in Wien Hernals Schneekugeln und Silvesterguss produziert.

Mehrere Schneekugeln mit Wiener Sehenswürdigkeiten und berühmten Persönlichkeiten stehen nebeneinander auf einem Regal.

Es gibt 350 Standard-Modelle wie Riesenrad, Sisi oder Johann Strauss

©Oliver Scheiber

„Heute produzieren wir mit zehn Mitarbeitern ca. 300.000 Schneekugeln im Jahr, sagt Sabine Perzy. Jede einzelne Kugel ist Handarbeit. Im Durchschnitt dauert eine Kugel ca. eine Woche. Es gibt einen Katalog von 350 Standard-Modellen wie Stephansdom, Riesenrad, Johann Strauss, Schneemann etc. Dazu kommen noch Einzelstücke und Sonderanfertigungen für Hochzeiten, Taufen, Jubiläen oder Pensionierungen.

Eine Person bemalt ein kleines, blaues Modellhaus mit einem feinen Pinsel, im Hintergrund liegen weitere Pinsel.

Jede Kugel wird von Hand gefertigt.

©Original Wiener Schneekugel e.U.

Versace, Manner, Obama

Sonderbestellungen gab es bis jetzt von Firmen wie Versace oder Manner, Events, Hotels wie dem Sacher, Restaurants oder Vereinen. Auch für die heurige KURIER Romy Gala wurde eine Kugel angefertigt.

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Auch für die KURIER Romy 2025 gab es eine eigene Schneekugel 

©Oliver Scheiber

„Jetzt gerade habe ich für den Eurovision Song Contest nächstes Jahr eine Anfrage gekriegt“, erzählt Perzy stolz. Auf ihrem Schreibtisch stehen zwei Modelle für den SK Rapid, gedacht als Gastgeschenk für internationale Gegner. Aber auch für Staatsgäste und andere Prominente ist die Original Wiener Schneekugel immer wieder ein beliebtes Gastgeschenk. So haben etwa Bill Clinton, Barack Obama, Robbie Williams oder Thomas Gottschalk eine Kugel aus Wien zu Hause stehen.

Sonderanfertigungen

„Es kommt immer darauf an, wie komplex das Modell ist. Es gibt auch Kugeln, da arbeitet man mehrere Monate dran. Ich habe ein sehr tolles Team, super kreative Leute um mich. Wir sind Künstler und wir sind alle ein bisschen verrückt. Ich glaube, man muss auch ein bisschen verrückt sein, um das zu tun, was wir hier machen“, sagt die junge aufgeweckte Frau. Sie selbst ist gelernte Werkzeugbautechnikerin und Bürokauffrau. „Bürokauffrau deswegen, weil der Papa gesagt hat, einer von uns beiden muss sich ja mit der Zettelwirtschaft auskennen“, sagt sie lachend.

Ein Mann mit Schutzbrille arbeitet an einem Werkstück im Schraubstock, neben ihm Schneekugeln.

Schneekugel-machen erfordert künstlerische und handwerkliche Fähigkeiten.

©Original Wiener Schneekugel e.U.

Japan und der Advent 

Der Papa, Erwin Perzy III., war es auch, der die Wiener Schneekugel am japanischen Markt etablierte und damit den Grundstein für eine mittlerweile 30-jährige Geschäftsbeziehung setzte. „Fast 50 Prozent von dem, was wir hier produzieren, geht nach Japan. Wir füllen den ganzen Sommer über Container mit Schneekugeln an, die dann in Japan auf Adventmärkten verkauft werden“, sagt Sabine Perzy. „Ob Tokio, Hokkaido oder Osaka, überall werden unsere Schneekugeln verkauft.“ Der Rest des Verkaufs verteilt sich großteils auf die EU, vorwiegend Deutschland und Österreich, kleine Teile gehen auch nach Australien oder in die USA.

Vier lächelnde Erwachsene stehen zusammen, zwei davon halten Schneekugeln in den Händen.

Familienbetrieb: Sabine Perzy (re.) übernahm den Betrieb von ihrem Vater Erwin Perzy III (mitte) 

©Original Wiener Schneekugel e.U.

Billig-Konkurrenz aus China fürchtet Perzy nicht. „Natürlich gibt es jede Menge andere Schneekugeln, aber das ist wie Äpfel mit Birnen zu vergleichen.“ Was macht die Wiener Schneekugel so besonders? „Ich würde sagen auf jeden Fall unsere Geschichte. Man sieht, dass wir das, was wir hier tun, mit ganz viel Liebe machen. Man hat ein Gesicht dahinter, da ist eine Geschichte dahinter. Das ist nichts seelenloses, lebloses. Wir lieben unseren Job und wir lieben die Sachen, die wir produzieren. Und das spürt man auch“, sagt Perzy.

Eine Schneekugel mit einem Schneemann mit Hut und rotem Ballon steht im Schnee.
©Original Wiener Schneekugel e.U.

Superrealistischer Schneefall

„Aber was uns auszeichnet und so weltberühmt gemacht hat, ist der superrealistische Schneefall, den wir generieren können. Das schafft die Konkurrenz bis heute nicht.“ Anlässlich des 125-Jährigen Jubiläums wird es sogar eine Sonderbriefmarke der österreichischen Post geben. Die Auflage ist 350.000 Stück. „Und das Coole ist, nicht wir haben bei der Post angefragt, sondern die Post bei uns“, sagt Sabine Perzy.

Mehrere Schneekugeln mit Wiener Motiven und ein Schild mit der Aufschrift „125 Jahre“ sind dekorativ arrangiert.

Zum 125-Jahre-Jubiläum gibt es eine  Sondermarke, stilecht präsentiert in einer Kugel .

©Oliver Scheiber

Eine Attraktion in der Schumanngasse ist auch das Schneekugelmuseum im Erdgeschoß der Manufaktur. Hier kommt wieder Erwin Perzy III. ins Spiel. „Der Papa kann nix wegschmeißen“, erzählt Sabine Perzy schmunzelnd. „Da sind Dinge vom Ur-Großopa und vom Opa dabei. Und gewisse Sachen schmeißt man halt einfach nicht weg. So hat Papa dann die Idee gehabt, diese Sachen repräsentativ herzuzeigen und so ist das Museum entstanden.“ Und der Bestand wird laufend aktualisiert. „Von jeder Sonderanfertigung – also die großen, schönen, tollen Projekte – behalten wir immer eine Replik, die wir dann ins Museum stellen.“

Ein Mann steht hinter einem Tresen im Wiener Schneekugelmuseum, umgeben von Schneekugeln und winterlicher Dekoration.

Erwin Perzy III gründete das Schneekugel-Museum.  

©Original Wiener Schneekugel e.U.

Und nach dem Museumsbesuch kann man sich im Shop gleich seine eigene Original Wiener Schneekugel mitnehmen.

 

Oliver Scheiber

Über Oliver Scheiber

Geboren im Salzburger Pinzgau hat es mich zwecks Studium nach Wien verschlagen. Seit 2004 beim Kurier, zuerst in der Chronik als Producer und Gerichtsberichterstatter tätig, später Chef vom Dienst. Seit 2016 im Ressort Thema, seit September 2020 Ressortleiter.

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