Miriam Weichselbraun: "Heimweh nach Tirol habe ich doch"
Ein Leben zwischen London und Österreich: Mirjam Weichselbraun moderiert die ROMY Gala mit Hans Sigl – und spricht im Vorfeld über ihr Familienleben, Sehnsucht nach Natur und Projekte, die sie reizen.
Der Himmel in Nordlondon ist wolkenverhangen, als Mirjam Weichselbraun mit breitem Lächeln aus der Overground Station „Hampstead Heath“ tritt. Über den Köpfen rauscht das gefärbte Laub der Platanen. Aus der Bäckerei Euphorium duftet es nach Kaffee und Croissants. Und Golden Doodle Billy zieht Richtung Parkeingang. Er kennt den Weg. Schließlich sucht die 44-jährige Moderatorin in ihrer Wahlheimat regelmäßig den Park im Norden der Stadt für Spaziergänge auf. Diesmal hat die freizeit sie begleitet.
KURIER: Mirjam Weichselbraun, Sie sind gebürtige Tirolerin, durch ganz viele Moderationen eng mit Wien verbunden und leben jetzt schon viele Jahre in London. Wo fühlen Sie sich eigentlich zu Hause?
Mirjam Weichselbraun: Zuhause ist ganz klar dort, wo meine Familie ist. Ich war immer relativ ungebunden, was den Ort betrifft. Ich habe mehr als zehn Jahre in Berlin gelebt, bin jetzt mehr als zehn Jahre in London ... Obwohl (sie denkt kurz nach), wenn ich wieder heimkomme, also nach Tirol, habe ich doch immer ein bisschen Heimweh.
Heimweh nach London?
Nein, dann merke ich erst, wie sehr mir Tirol doch gefehlt hat. London ist mein Zuhause: Meine Familie ist hier, meine Kinder, es ist unser Lebensmittelpunkt, aber Tirol ist meine Heimat. Wenn ich von Tirol wieder wegfliege, ist das immer schwer. Deshalb versuche ich, so oft wie möglich mit meinen Kindern dorthin zu fahren. Sie sind wahnsinnig gerne dort und Maja, die Größere, sagt sogar, sie will vielleicht einmal in Österreich leben.
Was gefällt ihr an Österreich besonders?
Das Leben ist ein bisschen unhektischer, entspannter und hat mehr Herz. London hat ein anderes Tempo. An das muss man sich anpassen.
Wachsen die Mädchen mit der deutschen Sprache auf?
Wenn mein Mann dabei ist, wird viel Englisch gesprochen. Wobei ich glaube, dass er mehr Deutsch spricht, als er zugibt (lacht). Die Größere spricht viel besser Deutsch. Sie hat jetzt ein Mädchen in ihrer Klasse, das deutsche Eltern hat, und mag es richtig, mit ihr Deutsch zu sprechen. Nur will sie keinen Fehler machen, deshalb ist sie manchmal ein wenig schüchtern.
Und bei Ihrer sechsjährigen Tochter Lola?
Manchmal, wenn ich bewusst mit ihr Deutsch rede, das sozusagen ankündige, sagt sie: What do you say? I don’t understand that. Aber wenn ich nebenher Deutsch spreche, antwortet sie problemlos auf Englisch. Sie versteht also alles, aber ich glaube, sie unterscheidet noch nicht, was Deutsch und was Englisch ist.
Wie sehr haben Sie die britische Kultur angenommen? Trinken Sie viel Tee?
Gar nicht! Ich bekomme immer noch Schweißausbrüche, wenn mich ein Brite besucht und eine Tasse Tee bestellt. Eigentlich wollen sie ja meist Schwarztee mit Milch. Aber das habe ich immer noch nicht ganz intus und frage: What kind of tea? Darauf folgen immer verständnislose Blicke. Aber was ich angenommen habe, ist diese Höflichkeit. Das gefällt mir. Darauf lege ich auch bei meinen Kindern Wert: Dass sie, egal bei wem, immer „Bitte“ und „Danke“ sagen. Diese Grundhöflichkeit muss einfach passen. Und mir ist auch egal, ob die Freundlichkeit oberflächlich ist oder nicht. Lieber oberflächlich erstmal freundlich als grundlos unhöflich.
Obwohl die Briten viel Wert auf Höflichkeit und Status legen, sind sie oft unbekümmerter, was ihr Äußeres angeht. Die Bilder der Queen in Gummistiefeln sind berühmt. Überrascht Sie das?
Ich habe das Gefühl, man wird hier nicht so schnell verurteilt für das, was man trägt. Vielleicht liegt das an den Schuluniformen. Wenn alle gleich aussehen, geht es mehr darum, wer du bist und was du tust, als darum, was du anhast. Und vielleicht behält man das so ein bisschen bei. Das finde ich sehr angenehm. Ich mache mich gern schick, wenn ich ausgehe, aber so auf einer daily basis, dafür hätte ich keine Muße.
Aber Sie tragen für Ihre Moderationen natürlich die tollsten Roben …
… und habe daheim zwei Abendkleider, wenn es hochkommt! Ben, mein Mann, ist da genauso. Er trägt nur Jogginganzüge. Wenn wir einmal ein schickes Abendessen haben, sind wir immer panisch (lacht). Da ist nichts gebügelt, wir sind sehr leger.
Ob Dancing Stars, Opernball, Romy: Die 44-jährige hat durch die glamourösesten Großevents des Landes geführt. Für ihr Können wurde die gebürtige Tirolerin vier Mal mit einer KURIER ROMY ausgezeichnet. Im November wird sie die ROMY Gala moderieren. Privat lebt sie mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in London.
©Kurier/boroviczeny stephanUnd gibt es ein Kleid – von Dancing Stars oder dem Opernball – an das Sie sich besonders gerne zurückerinnern?
Ich erinnere mich gut an das allererste Dancing-Stars-Kleid. Ich war solche Kleider noch nicht gewöhnt und die Stylistin hat mir erklärt, dass ich nicht so stehen dürfte. (Mirjam nimmt eine breitbeinige Pose ein, lacht.) Und ich erinnere mich an das erste Opernballkleid. Das war weiß, die Farbe der Debütantinnen, und ich dachte: Naja, das bin ich ja auch eigentlich.
Wie sehr können Sie bei der Kleiderauswahl mitentscheiden?
Es war eine Entwicklung. Am Anfang wurde ich mehr angezogen, aber nach und nach habe ich aufgehört, allen die Kleider vorzuführen, und stattdessen angefangen – gemeinsam mit der Stylistin – zu entscheiden, worin ich mich wohlfühle und wer ich in diesem Kleid bin. Dancing Stars war ja auch meine erste Hauptabendshow und da kommen am Anfang von allen Seiten so viele Unsicherheiten. Da war ich froh, eine Sache auslagern zu können.
Sie haben dabei nie unsicher gewirkt.
Ach, das habe ich immer noch. Vielleicht ist das keine Unsicherheit, aber ich hinterfrage stark, was ich tue. Am Anfang war das ganz schlimm – da habe ich viel gehadert. Ist das gut genug? Oder: Ah, da hätte ich das sagen können. Aber ich glaube, dass es vielen Menschen im Fernsehen so geht.
Was hat Ihnen geholfen, diese kritischen Gedanken abzuschalten?
Eine Sache, die ich auch meinen Kindern sage, wenn sie in der Schule sprechen müssen: Sich am Anfang mit beiden Beinen verwurzeln. Sich seinen Moment nehmen, nicht hineinhudeln, sondern erst einmal ankommen. Einatmen. Und dann loslegen.
Heuer werden Sie wieder die ROMY moderieren. Diesmal nicht in Wien, sondern in Kitzbühel, Ihrem Heimatbundesland…
… ja und es fühlt sich noch einmal näher an, weil meine Mama aus Kirchberg kommt, einer Gemeinde gleich bei Kitzbühel. Dort habe ich alle meine Ferien verbracht, und dorthin fahren wir auch jedes Mal hin, wenn wir in Tirol sind. Ich würde gern viel mehr Zeit dort verbringen.
Ändert sich etwas, wenn eine Show nahe ans Zuhause rückt?
Es ist schon schön, dass die ROMY in Tirol stattfindet. Das ist ein nettes Gefühl. Aber, wenn die Lichter angehen, ist es immer noch eine Fernsehmoderation, die die Sendung überall hinbringen soll. Bei solchen Moderationen – also bei denen es Publikum im Saal gibt – muss es ja vor Ort unterhaltsam sein, aber vor allem muss es für die Leute daheim Spaß machen.
Wie meinen Sie das?
Es darf keine geschlossene Veranstaltung sein, bei der man nur zuschauen darf. Das Publikum soll sich eingeladen fühlen: seine Publikumslieblinge sehen, unterhalten sein. Und dazu gibt es natürlich jede Menge Glanz und Glamour.
Moderieren werden Sie die ROMY mit Hans Sigl. Durch die Fernsehserie „Der Bergdoktor“ ist auch er eng mit Tirol verbunden. Haben Sie schon einmal zusammengearbeitet?
Nein, noch gar nicht, aber ich freue mich sehr. Wenn ich in Wien bin und einen Abend Zeit habe, setze ich mich immer mit meinen zwei lieben Freunden Roland und Martin zusammen. Wir schauen „Bergdoktor“ und jeder versucht, die Symptome als Erster zu erkennen (lacht).
Und wer errät Symptome meist zuerst?
Ich bin mehr so auf der psychologischen Seite. Der Martin hat ein unschlagbares Gespür für Diagnosen. Aber er ist auch Arzt.
Sie moderieren die ROMY heuer nicht nur zum vierten Mal, sondern haben sie auch vier Mal gewonnen. Sind die Statuen eigentlich nach London mitgekommen?
Nein, die stehen noch bei meiner Schwester in Tirol. Aber ich habe mir neulich gedacht, es wäre nett, sie zu Hause zu haben – auch für meine Kinder. Ich weiß auch nicht, warum ich auf einmal mehr Wert darauf lege, dass meine Kinder auch verstehen, was ich so mache. Die Lola hat mich neulich gefragt, was eigentlich mein Job ist. Aber das ist ja auch wirklich schwer zu erklären, für eine Sechsjährige: Sie sieht kaum fern. Meine Größere (Maja ist 12, Anm.) habe ich das erste Mal bei einer Sendung dabei gehabt. Also backstage. Die versteht jetzt schon eher, was ich mache.
Wie schaffen Sie den Spagat zwischen Familie und Beruf, Österreich und London?
Wenn ich in Wien bin, sind meine Tage echt dicht. Ich versuche alle Termine sehr zu bündeln, auch um das Fliegen gering zu halten. Das geht eigentlich ganz gut, weil ich mit Dancing Stars quasi Saisonarbeiterin bin: ein paar Monate intensiv, und dann bin ich wieder komplett bei den Kindern und arbeite von zu Hause. Meine Arbeit – also das, was man sieht – ist ja wie serviertes Essen. Man sieht das Ergebnis, aber da passiert so viel im Hintergrund. Und das geht gut während der Schulzeit. Aber natürlich spreche ich aus einer privilegierten Position. Ich habe einen Partner, der sich auch kümmert. Deshalb empfinde ich das nicht als Spagat. Eltern müssen eben auch arbeiten, das wissen meine Kinder.
Fällt es als Mutter leichter, Entscheidungen für das Privatleben zu treffen?
Eigentlich gehen diese Entscheidungen immer Hand in Hand. Aber ja – während Corona habe ich ja eine Staffel Dancing Stars abgesagt, weil man mir gesagt hatte, ich müsste die ganze Zeit in Wien bleiben. Und das hätte ich wegen meiner Kinder nicht gemacht. Viele sagen: Das muss so eine schwere Entscheidung gewesen sein. Ganz ehrlich? Überhaupt nicht. Ich war eigentlich erleichtert, sobald ich die Entscheidung getroffen hatte. Wenn man diese Prioritäten für sich so ein bisschen gesetzt hat, ist es leichter, Entscheidungen zu treffen.
Also bleibt London vorerst die Heimat?
Ja. Schon wegen der Schule ist erstmal London unser Zuhause, nicht Heimat. Ben arbeitet ja auch hier. Obwohl, in letzter Zeit – vielleicht, weil wir älter werden – sagen wir schon: Ein bissl mehr Garten wäre super.
Rufen die ländlichen Cotswolds?
Wir wissen es nicht. Aber einfach mal so ein bisschen mehr außerhalb. Wir sind jetzt recht zentral. Das ist super … aber der Gedanke von einem Zuhause mit Garten wird lauter. Vor allem, wenn ich aus Österreich zurückkomme, merke ich das besonders. Ich brauche einfach auch Natur um mich.
Noch einmal beruflich: Sie haben alle großen Galas in Österreich moderiert. Gibt es etwas, das Sie noch reizen würde?
Oh ja. Dokumentationen würden mich extrem interessieren. Ich hätte auch überhaupt gar nichts gegen eine kleinere Late-Night-Show einzuwenden. Und ich würde gerne mehr kreieren, mehr schreiben. Das muss gar nicht on air sein. Es zieht mich gar nicht mehr die ganze Zeit vor die Kamera.
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