Immer auf Achse
Ein Hauch Lagerfeuerromantik ist immer mit an Bord, wenn sich die Wagners in die Sommerferien aufmachen. Denn die vierköpfige Familie aus dem Süden Wiens schwört seit Jahren auf den Campingurlaub. „Das passt besser zu uns als ein All-inclusive-Arrangement in einem Hotel“, sagen die Eltern. „So bleiben wir unabhängig und frei.“ Und die Söhne attestieren: „Einen Schlafsack finden wir sowieso cooler als dicke Kopfpolster.“ Wie die Wagners denken auch Tausende weitere Österreicher und bescheren dieser Branche seit einiger Zeit fast so etwas wie eine Renaissance. Entscheidenden Rückenwind bietet dabei der demografische Wandel. Die Älteren bleiben länger aktiv und wollen es noch einmal wissen und die Jungen finden diese Version der Sommerfrische ebenfalls hip – weil das angestaubte Camping neudeutsch cool unter „Caravaning“ firmiert.
Ein Hersteller wie Knaus Tabbert aus Deutschland, der auf jahrzehntelange Erfahrung im Wohnwagenbau zurückblicken kann, hat das frühzeitig erkannt und organisiert seit ein paar Jahren einschlägige Kundentreffen – mit Werksbesichtigung, Verkaufsshow am Campingplatz, Erfahrungsaustausch inklusive Gala-Abend samt Auftritt der Caravan Big Band. Bekannt gemacht wird das via Werbeaussendungen und Facebook. „Die rasante Entwicklung der Medien schafft ungeahnte Möglichkeiten für die Kommunikation mit unseren Zielgruppen“, meint Alexander G. Wehrmann, Sprecher des Konzerns für Freizeitfahrzeuge. Anders ausgedrückt: Die Caravan-Community kommuniziert gerne via Internetforen über Reiserouten, -ziele und -Erfahrungen. Dennoch schart sich die Fahrgemeinde, einmal am Urlaubsort angekommen, gerne wie seit jeher rund ums Lagerfeuer. Daran wird sich wahrscheinlich sobald nichts ändern, trotzdem macht sich der Reisemobil-Spezialist Gedanken über die nächsten und neuen Camper-Generationen.
Im Jahr 2007 wurden europaweit 250.000 Wohnmobile und -anhänger zugelassen. Seither sind die Zahlen rückläufig und haben sich bei einem Absatz von etwa 135.000 Einheiten eingependelt. „Die Caravaning-Industrie muss daher neuartige Konzepte bieten, um neue Zielgruppen für diese Urlaubsform zu interessieren“, sagt Wehrmann. Ergebnisse dieses Prozesses sind etwa kompakte und kostengünstige Gefährte im nostalgischen Retro-Look oder die Caravan-Studie „Caravisio“. Dieser stylische Luxusanhänger vereint das Beste aus zwei, nein, drei Welten: Wohnmobile, Wohnwagen und Yachtbau. „,Caravisio’ ist für uns ein Technologieträger“ führt Wehrmann aus: „Diese im Vorjahr vorgestellte Studie erhebt weder Anspruch auf Reproduzierbarkeit noch auf Serientauglichkeit. Sie soll einfach zeigen, was morgen, eventuell erst übermorgen, technisch möglich sein wird.“ Betrachtet man den sehr emotional gezeichneten Wohnwagen näher, fällt die große Klappe am Heck auf. Ein Detail mit Hintergedanken. „Die Naturverbundenheit ist eine der Hauptmotivationen für die Urlaubsform Caravaning“, meint Konzernsprecher Wehrmann. Und: „Diese Studie bietet durch das offene, yachtige Heck eine neue, sehr komfortable Möglichkeit, sich im Freien aufzuhalten.“ Das sei wichtig, denn „neue Zielgruppen können so auf das klassische Vordach verzichten. Außerdem signalisieren sie damit sofort eine andere Urlaubskultur.“
Die Studie „Caravisio“ bleibt vorerst Zukunftsmusik. Denn selbst in einer Branche, in der im Schnitt Preise von 20.000 Euro (für Wohnwagen) bis 40.000 Euro (für Wohnmobile) bezahlt werden, bleiben hochtrabende Pläne lieber in Bodennähe. Obwohl es mitunter vorkommt, dass ein Produkt unverhofft auch durch die Decke gehen kann. So wie das „Schwalbennest“, das vor drei Jahren zum 50-jährigen Jubiläum des kultigen Wohnwagens neu aufgelegt wurde und sofort ausverkauft war. Wehrmann: „Das Interesse daran hat uns total überrascht.“ Das Segment der kompakten Wagen ohne Luxus-Attitüde ist jedenfalls im Vormarsch. Damit können sich auch die Wagners aus dem Süden Wiens anfreunden. Ihre Söhne haben für den ersten Campingtrip ohne Eltern bereits einen Anhänger wie den „Deseo“ im Visier. Und die Oldies? Die träumen schon vom Cocktail im Grünen auf dem Yacht-Heck.
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