Wo die beste Schokolade der Welt herkommt

Wo die beste Schokolade der Welt herkommt
Warum Schokolade auch mit 100 Prozent Kakaoanteil nicht bitter schmecken muss. Ein Besuch in Afrika, bei Claudio Corallo.

Für die anderen ist das der Müll der Kakaobohne. Ich mache daraus Schnaps und der wird nachher versteigert. Eine Flasche davon kostet etwa 200 Euro“, sagt Claudio Corallo und schmunzelt.

Es zeigt sich schon an der durchsichtigen Flüssigkeit, die vor ihm steht, dass sein Zugang ganz anders ist als bei allen anderen Herstellern der süßen Versuchung. Seine Schokolade beginnt dort, wo die meisten anderen aufhören – bei 70 Prozent Kakaoanteil. Ihm ist es als einzigem Schokoladen-Hersteller gelungen, dass die Schokolade selbst bei 100 Prozent nicht bitter schmeckt.  Der gebürtige  Florentiner ist Schokoladen-König und Kakao-Anarchist in einer Person. Von Gourmet Globe über Chocolats-de-Luxe bis zum Spiegel wird seine geheimnisumwitterte Schokolade als die beste der Welt gepriesen.

Altkolonialer Herrschaftssitz

Wer sie bei ihm im afrikanischen Inselstaat São Tomé und Príncipe probiert hat, der wird das voll und ganz bestätigen. Doch der reichste Mann der Insel ist alles andere als kompliziert. Als ihn am späten Samstagabend über einen Mittelsmann die Frage der  ereilt, ob man ihn am Sonntagvormittag spontan zu Hause in seinem altkolonialen Herrschaftssitz besuchen dürfe, sagt Corallo sofort zu.

Wo die beste Schokolade der Welt herkommt

Hier wohnt Claudio Corallo

Mit einer nicht mehr brennenden halben Zigarre im Mundwinkel und in einem gelben T-Shirt bittet der Chocolatier zur Audienz in seiner Küche. Obwohl die Wände des alten portugiesischen Kolonialbaus verfallen aussehen, ist das Haus perfekt aufgeräumt und sauber. An einem weißen Plastiktisch sitzend erklärt er, wie er über viele Umwege (Kongo und Bolivien) und andere Pflanzen (vor allem Kaffee) am Ende zum Kakao gekommen ist.Kurz gesagt: Der war einfach da – und forderte ihn somit heraus.

Als Corallo  auf die Insel Príncipe kam, die bis heute nur mit einer Propellermaschine von der Nachbarinsel erreichbar ist, wollte er eigentlich wieder Kaffee anbauen. Doch bei dieser Pflanze war längst alles erforscht und ausprobiert, beim Kakao gab es da noch so ein Problem: Die Frucht schmeckt nicht bitter, aber das Endprodukt muss mit Zucker oder Vanille gesüßt werden, damit es essbar wird. Selbst 70-prozentige Schokolade schmeckt meist bitter.

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Claudio Corallo vor seiner Kakao-Plantage

„Es musste also etwas in der Fertigung falsch laufen“, sagt Corallo. Als er 1992 begann, gab es noch nicht einmal dauerhaften Strom auf der Insel. „Wenn ich jemanden anrufen wollte, dann musste ich eine Stunde fahren und hoffen, dass der andere zu Hause ist.“ Der gebürtige Italiener wurde zu einem der ersten Bio-Techniker. Während er auf der Insel Príncipe Kakao anbaute, errichtete er auf der Hauptinsel São Tomé ein Labor, um die perfekteSchokolade zu kreieren. „Dort gab es wenigstens Strom, meistens jedenfalls“,  erzählt er.
Bis heute ist noch nicht einmal die gesamte Hauptinsel ans Stromnetz angeschlossen. Tipps für den Kakaoanbau holte er sich von Freunden aus der Toskana: „Kakao ist ähnlich zu behandeln wie Oliven und die gibt es dort haufenweise.“

Kakaobohne aus Brasilien

„Ich habe anschließend jede einzelne Bohne nummeriert und Verschiedenes ausprobiert“, sagt Claudio Corallo. Seine Tochter Ricciarda meint, dass es auch daran liegt, dass die Bohnen bei ihnen nicht so stark zerdrückt werden wie bei anderen Herstellern. Was der Italiener anders macht, das ist natürlich ein Betriebsgeheimnis, aber so manches verrät er doch: Zunächst verwendet Corallo eine alte Kakaopflanze aus Brasilien – diese wirft zwar weniger ab, hat aber mehr Geschmack. Außerdem schwört der Florentiner auf den perfekten Boden, dieser sei das wichtigste. Auch Monokultur gibt es bei ihm nicht, seine Plantage ist kaum zu erkennen, weil sie im Urwald eingebettet ist.„Die Landwirtschaft darf nicht der Krebs im Wald sein, sondern muss Teil des Waldes sein“, sagt Corallo.

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Kakaobohne

Schokolade zu kreieren. „Dort gab es wenigstens Strom, meistens jedenfalls“,  erzählt er.
Bis heute ist noch nicht einmal die gesamte Hauptinsel ans Stromnetz angeschlossen. Tipps für den Kakaoanbau holte er sich von Freunden aus der Toskana: „Kakao ist ähnlich zu behandeln wie Oliven und die gibt es dort haufenweise.“

„Ich habe anschließend jede einzelne Bohne nummeriert und Verschiedenes ausprobiert“, sagt Claudio Corallo. Seine Tochter Ricciarda meint, dass es auch daran liegt, dass die Bohnen bei ihnen nicht so stark zerdrückt werden wie bei anderen Herstellern. Was der Italiener anders macht, das ist natürlich ein Betriebsgeheimnis, aber so manches verrät er doch: Zunächst verwendet Corallo eine alte Kakaopflanze aus Brasilien – diese wirft zwar weniger ab, hat aber mehr Geschmack. Außerdem schwört der Florentiner auf den perfekten Boden, dieser sei das wichtigste. Auch Monokultur gibt es bei ihm nicht, seine Plantage ist kaum zu erkennen, weil sie im Urwald eingebettet ist.

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Ricciarda Corallo

„Die Landwirtschaft darf nicht der Krebs im Wald sein, sondern muss Teil des Waldes sein“, sagt Corallo. Manches klingt auch ein wenig esoterisch, so dürfen Kakaobohnen nach dem Pflücken nicht mehr den Boden berühren. Darüber hinaus hängen „60 Prozent der Qualität von der Arbeit vor dem Rösten ab“. Auch beim Röstvorgang selbst kann eine kleine Abweichung in Dauer oder Temperatur alles zunichte machen. „Niedrige Temperaturen und eine lange Röstzeit stehlen dem Kakao seine Fröhlichkeit. Eine nur leicht zu hohe Temperatur oder eine nur geringfügig kürzere Röstdauer geben ihm einen rauen Geschmack. Es war nicht leicht, den Prozess zu perfektionieren“, meint Corallo.

"Fairtrade ist Müll"

Vieles auf das man in Europa setze, hält der 67-Jährige jedenfalls für falsch. Etwa die zahlreichen Studien, die nichts bringen würden. „Auch Fairtrade ist ein großes Theater, das ist Müll“, meint Corallo. Die meisten internationalen Preise hält seine Tochter für Unsinn, weil man immer sehen muss, wer diese vergebe. Einige Medaillen und Auszeichnungen kann man im Labor sehen, allerdings „legen wir nicht sehr viel Wert darauf und wir machen auch nur bei einigen wenigen Wettbewerben mit“.

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Qualitätskontrolle auf Sao Tome

Ricciarda Corallo erzählt jedenfalls, dass sie täglich die eigene Schokolade isst. Als Beweis zieht sie eine Tafel aus ihrer Hosentasche. „Ich war zwischenzeitlich sieben Jahre für Louis Vuitton tätig, aber dann bin ich draufgekommen, dass ich doch viel lieber im Familienbetrieb arbeiten möchte.“ Jetzt gibt sie jedem, der die Schokolade im Labor in der Rua do Municipio probieren möchte, zuerst einmal eine Kakaobohne zum Probieren. Die meisten sind zunächst überrascht, dass diese nicht bitter schmeckt. Wie die reine Schokolade und alle von Corallos Mischungen mit Kakaobohnen, Orangen, Ingwer oder Pfeffer.

Auch die Produktionsweise ist ungewöhnlich: „Wir produzieren je nachdem wie hoch die Nachfrage ist.“ Überproduktion möchte man vermeiden. 20 bis 60 Einheimische werden je nach Bedarf engagiert, um die Bohnen händisch zu schälen. Fermentiert und getrocknet wird fast doppelt so lange wie bei anderen Betrieben. Kinderarbeit ist im zweitkleinsten Land Afrikas (nach den Seychellen) ohnehin kein Thema. Nachdem 1975 die Portugiesen einfach die Insel verließen und Tausende Nachfahren der Sklaven aus Angola, Mozambique und Kap Verde zurückließen, waren diese auf sich alleine gestellt. Mangels Alternativen nahmen sie nach und nach die Kakaoverarbeitung wieder auf und arbeiten seither in Kooperativen. Allein in jener in Água Izé arbeiten 3000 Familien mit. Für die Arbeiter gibt es ein eigenes Sozialsystem.

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Die Kakaobohne

Auch bei Corallo wird darauf wert gelegt, dass niemand ausgebeutet wird. „Manchmal verkaufen wir nur eine halbe Tonne, manchmal eine ganze in einem Monat“, sagt die Tochter. „Ich will hochqualitative Schokolade herstellen, keine Menge. Unabhängigkeit von großen Produzenten ist für mich auch sehr wichtig“, meint der Vater. Für die perfekte Schokolade verzichtet man auf Chemiekeulen: „Wir haben hier bis zu einen halben Meter lange Würmer, die ihr ganzes Körpergewicht pro Tag fressen, die werden 30 Zentimeter lang. Mit der Chemie zerstört man den Wurm, aber auch den Boden.“

"Verbesserung ist in meiner DNA"

Und noch eines sei wichtig, sagt Corallo: „Man lernt jeden Tag dazu, man muss das Gleichgewicht mit der Natur finden. Die Suche nach Verbesserung ist in meiner DNA. Ich lebe deshalb in der Plantage.“ Dort fühlt er sich sichtlich wohler als in der Hauptstadt. Corallo – weltweit der einzige Mensch, der Kakao erntet und Schokolade produziert an ein und demselben Ort –  will nun selbst eine Studie finanzieren, die nachweisen soll, dass die gleiche Pflanze auf unterschiedlichen Böden völlig andere Ergebnisse erzielt. Doch selbst ein und dasselbe Ding kann ganz unterschiedlich schmecken.

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Um das zu zeigen, holt der Italiener eine Flasche von seinem 200-Euro-Schnaps aus dem Nachbarzimmer und stellt ihn auf den Tisch. „Probieren Sie einen Tropfen“, meint er. Der brennt wie die Hölle. Nach einigen Minuten lässt er noch einmal probieren: Plötzlich schmeckt der Schnaps süßlich. Das Getränk findet auch in einem seiner Produkten Niederschlag – es werden Rosinen darin eingelegt und dann mit Schokolade umfasst. Das ist einer der Exportschlager, vor allem in die USA und nach Europa gehen Bestellungen. Mittlerweile hat Corallo auch einen Onlineshop (www.claudiocorallo.com) – eine 160-Gramm-Tafel ist ab 16,50 Euro erhältlich. Wer es probieren will, dem sei aber gesagt: Für den wirklichen Genuss muss die Schokolade eine Temperatur von 26 bis 27 Grad erreichen.

Auf São Tomé und Príncipe sind  zahlreiche Restaurants eröffnet worden, die teils Haubenqualität aufweisen. Keines davon kommt ohne eine Nachspeise mit Corallo-Schokolade aus, von Mousse au Chocolat bis zum Soufflé. Diese sind mitunter noch besser als die pure Schokolade. Corallo, der sich als „Anarchist“ bezeichnet, zieht Resümee: „Wir wollen kein Olivenöl, das nicht nach Oliven riecht. Wir wollen keinen Wein, der nicht nach Trauben schmeckt. Dennoch akzeptieren viele Menschen Schokolade, der so viele Aromen zugefügt wurden, dass der Duft der Kakaobohnen verloren gegangen ist.“

 

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