Bis morgen

Bis morgen
Rätselhaft, oder doch nicht: die Welt im 22. Jahrhundert. Kinder, die jetzt geboren werden, erleben im Alter noch den Alltag im Jahr 2100. Wo werden sie wohnen? Wie werden sie leben? Ein paar Antworten glauben wir schon jetzt zu kennen.

Die Zukunft kann kommen, wir haben Zeit. Viel Zeit. Um das Jahr 1900 betrug die durchschnittliche Lebenserwartung magere 45 Jahre, ein 70-Jähriger galt als Methusalem und kaum jemand feierte den 90. Geburtstag. Jetzt ist alles ganz anders. Die Lebenserwartung liegt bei knapp 80 Jahren und es bringt immer noch etwas, mit 85 Jahren zu rauchen aufzuhören. Klingt ganz gut, aber es wird noch besser.

Im 22. Jahrhundert, also dem Zeitalter, das zumindest in Europa und den entwickelten Industriestaaten ein Gutteil der jetzt Neugeborenen erleben wird, schaut alles noch rosiger aus. Kommt keine gröbere Krise dazwischen, steigt unsere Lebenserwartung pro Dekade um zwei bis drei Jahre, prognostizieren Forscher des deutschen Max-Planck-Institutes für demographische Entwicklung in Rostock. Das heißt, schon 2050 lebt der Mensch durchschnittlich zehn Jahre länger als heute. Im Jahr 2100 dürfte es keine Sensation mehr sein, wenn 120-Jährige gemeinsam und lautstark auf ihren Geburtstag anstoßen – und sich noch auf einige gemeinsam Feiern freuen. Schöne neue Welt. Okay, der Mensch wird älter, aber wird das die Welt auch?

Wer immer noch bezweifelt, dass Unwetter und Luftverschmutzung der Mutter Erde zusetzen, muss blind sein. Weit mehr als hundert Städte sind derzeit vom Anstieg der Meere bedroht, heißt es im September-Heft der deutschen Ausgabe des Magazins National Geographic. Noch dramatischer erscheint der National Geographic Society, die heuer ihr 125-jähriges Jubiläum begeht, aber folgende Zahl: 40 Millionen Menschen leben in wachsender Gefahr. Überschwemmungen häufen sich auch in unseren Breitengraden. Anderswo ist es jedoch nicht mit dem ständigen Ausbau von Deichen getan. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Südosten Floridas am Ende unseres Jahrhunderts noch viele Bewohner hat“, zitiert die Zeitschrift den Vorsitzenden des Geologie-Instituts an der Universität von Miami, Hal Wanless.

Gut, etwas Zeit bleibt ja noch, um die negativen Folgen des Klimawandels in den Griff zu bekommen. Angenommen also, das Jahr 2100 steht vor der Tür, wie wird sich da ein Kind zurechtfinden? Begeben wir uns kurz auf die Reise in die nicht ganz nahe Zukunft. Eine Zukunft, die unsere Kindeskinder aller Wahrscheinlichkeit nach noch erleben werden.

Die Generation der heute 50-Jährigen etwa ist in Österreich ziemlich multilingual aufgewachsen. Russisch- und Französisch-Unterricht im TV war Alltag. Heute geben wir uns mit „broken english“ zufrieden. In Zukunft aber sind Kenntnisse chinesischer Sprachen gefragt. Oder mehr Spanisch als nur „Hasta la vista“. Die Bevölkerung Asiens wächst jedenfalls stärker als jene in Europa, und auch die Chancen unserer Kindeskinder steigen, wenn sie sich früh genüg darauf einstellen. Zukunftsforscher Ian Pearson sieht uns mit dem Aussterben regionaler Sprachen konfrontiert: „Vieles deutet darauf hin, dass es im Jahr 2100 drei Weltsprachen gibt – Englisch, Spanisch und Mandarin.“

Energieprobleme könnten der Vergangenheit angehören, wenn erst der Zugang zum Anzapfen der größten Kraftquelle entschlüsselt ist – der Sonne. Katastrophen, so sind sich viele Forscher einig, lauern auch künftig nicht an jeder Ecke. So schöne Aussichten machen hungrig. Kein Problem, (vegetarische) Nahrung liefern Hunderte Meter hohe vertikale Farmen an der Fassade von Wolkenkratzern. Der Spieltrieb, der dem homo ludens auch im 22. Jahrhundert nicht auszutreiben ist, lässt sich per 3-D-Drucker befriedigen. Diese „Werkbank“ ist das Handy der Zukunft – jeder hat eine. Wenn schon alles zusammenfindet, würde es auch wenig überraschen, gäbe es im Jahr 2100 nur mehr eine Währung, eine echte Weltwährung. Für Kinder des Jahres 2100 ist das Jahr 2250 in Reichweite. Das klingt beinahe nach der Erfüllung des Traums von der Unsterb­lichkeit.

Kommentare