Unser Balkon hier in Erdberg hat verschiedene Aufgaben. Oft treten die Liebste und ich morgens auf ihn hinaus, um das Wetter zu prüfen und danach die Oberbekleidung der Brut zu bestimmen. Manchmal treten die Liebste und ich hinaus, um einander erst zu umarmen und sodann umarmt auf die Landstraßer Haupt zu schauen, als wäre dieselbe ein großes Narrenkastl. Manchmal, im Sommer, wenn die Sicheln der Mauersegler den Erdberger Himmel schneiden, spiele ich dort etwas auf dem Banjo, etwa einen G7-Akkord. Und jetzt, nach dem Vergehen des Weihnachtsfestes, dient der Balkon als Abschiedsrampe des Christbaumes. Dazu muss ich jetzt ausholen. Vor Jahren, wir lebten noch in Mitte, kaufte sich der Erstgeborene von seinem eigenen Taschengeld beim Hofer ein Seil. Ein dickes, schwarzes, gut fünfzehn Meter langes Seil, bei dem bis heute unklar ist, wofür der Diskonter es vorgesehen hatte. Zum Abschleppen, Klettern, Erhängen? Eine Zeitlang vergrutschte das Seil beim Erstgeborenen im Zimmer, ohne andere Aufgaben als höchstpersönliches, selbsterworbenes Eigentum zu sein, bis mir, nach dem Vergehen eines Weihnachtsfestes, klar wurde, wozu es gut war. Ein Mann nämlich, der einen verbrauchten Christbaum durch die zwei Geschoße eines Stiegenhauses entsorgt, hinterlässt eine Nadelspur, die er nachher aufkehren muss. Der Mann hingegen, der denselben Christbaum am Seil seines Sohnes zur Landstraßer Haupt hinabseilt, schmutzt ungleich weniger. Und lustiger ist es auch. So arbeiteten wir auch heuer, am Tage der Drei Weisen aus dem Morgenland, der Erstgeborene und ich. Er stand unten, um den landenden Christbaum zu empfangen und das Seil wieder los- zubinden, ich stand oben und gab Meter für Meter nach. Im Sonnenschein des Dreikönigstages strich mein Blick über die Straße und fand unseren neuen Leichenwagen. Der sieht genauso aus wie der alte Leichenwagen, nur hat er zwei leicht unwür- dige Henkel am Dach. „Do kennans wos montiern“, sagte mir unser Herr Dani, ehemaliger Rallye-Meister und höchst lässiger Autohändler. „I hob nix zum Montiern“, entgegnete ich. „Aha“, sagte Herr Dani und gab mir die Schlüssel trotzdem.

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