Und dann musste ich zu dieser Filmfirma in den Zweiten, unser Musikvideo erstanschauen. Ich kenne den Zweiten an sich nicht schlecht. Ich kenne auch die Goße Mohrengasse, in die ich aufbrechen sollte. Weil ich kein Handy und auch sonst keine tragbare Elektronik besitze, blicke ich bei solchen Missionen zuerst stets auf den Stadtplan, präge mir die Zieladresse und deren Lage ein, wähle sodann ein Fortbewegungsmittel und finde eigentlich immer hin. Ich wählte wegen des eisig beißenden Windes den Leichenwagen, legte drinnen eine Voodoo-Soul-Compilation auf und war razzifazzi in der Großen Mohrengasse. Noch sieben Minuten bis zum Treffen. Ich schritt zur angegebenen Hausnummer: Oj, wie meine Kinder rufen, es war ein riesiges Haus, ein Durchhaus zur Taborstraße.

Vier (!) Stiegen. Nirgends ein Schild. Also ging ich die Stiegen ab, treppauf, treppab. Keine Filmfirma. Auch kein Nachbar wusste etwas. Drei Minuten nach dem Termin. Es gab nur eines: Ich musste die Hausnummer verwechselt haben. Also ging ich die tatsächlich große Große Mohrengasse erst hinauf, dann hinunter. Der Wind zerbiss mich. Ich suchte nach Schildern, Tafeln Namen. Ich fand viele kleine im Boden oder in Mauern eingelassene Taferln, die an vertriebene oder ermordete jüdische Familien erinnerten. Der Wind machte mir plötzlich weniger aus. Aber nix Filmfirma.Nun wollte ich telefonieren. Aber es gab keine Zelle. Nicht in der Mohren-, nicht in der Glocken-, nicht in der Blumauergasse. Nicht einmal in der Taborstraße. Ratlos kehrte ich zu dem Haus mit den vier Stiegen zurück. Ich wollte schon wieder in den Leichenwagen steigen. Da sah ich ihn: Einen jungen, rothaarigen, Augengläser tragenden Briefträger Dutzende Packerln balancieren. Ein letzter Mohikaner der Öffentlichkeit, ein Geschenk in der Winterdämmerung. Ich nannte die Filmfirma und der Briefträger sagte: Kleine Mohrengasse. Kleine. Ich kam 20 Minuten zu spät, aber die Filmmenschen waren cool. Auf der Heimreise erinnerte ich mich, dass der Herzog von Niederösterreich dem Bundeskanzler unlängst angeschafft hat, die Post gefälligst zu privatisieren. Wenn der Bundeskanzler brav folgt, dachte ich, brauche ich gedächtnisstärkende Knoblauchpulverln. Handy will ich keins.

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