Strizzi Molden

Ich hatte es angedeutet: Wir haben wieder ein Tier. Das Tier wurde einmal mehr von der Schwiegermutter angeschafft und in diesem Fall der Drittgeborenen als Geschenk überreicht. Weil es sich in unserer Situation des liebreichen aber platzarmen Zusammenlebens schon einmal bewährt hat, ist es auch diesmal wieder ein dsungarischer Zwerghamster (Phodopus sungorus) geworden. Er ist klein und seidig, er ist wirklich hübsch. Und er ist lieb. Bittesehr: Strizzi Molden. Wie sein verblichener Artgenosse, weiland Greg Molden (2011-2013), ist auch Strizzi Molden wieder ein Manderl, wie man in Wiener Heimtierkreisen so sagt. Er bewohnt das Heim seines Vorgängers Greg. Erst habe ich gezögert, weil ich bei John Steinbeck gelesen habe, dass etwa Katzen sich niemals mehr auf ein Bett legen, in dem jemand gestorben ist. Aber dann haben wir den Käfig einfach hübsch gemacht, und Strizzi, hat man den Eindruck, wohnt da ganz gern. Erst stand er im Zimmer der Drittgeborenen. Aber nachdem er zum ersten Mal sein laut Hersteller „geräuschloses“ Laufrad benutzte, erwies sich das als unmöglich. Jetzt steht Strizzi vor unserer Bibliothek, sprich: im Gangerl, und kurz vor der Geisterstunde kriecht er aus seinem Heunest hervor und entert das Laufrad. Da rast er dahin, und die Liebste und ich, die noch auf sind, erleben, äh, bemerkenswerte Stunden. Still wäre der falsche Ausdruck, denn der Geräuschpegel des Strizzi im Dauerlauf ist ein beachtlicher. Aber doch ist es innig auf eine Art. Wenn ich am Käfig mit dem rasenden Nager vorbeikomme, hüpft dieser aus dem Radl und kommt herbei. Ich stecke den Finger hinein, und Strizzi Molden kaut kurz darauf herum. Dann vergewissert er sich, dass ich eh noch bleibe und springt ins Rad zurück, quasi um eine Runde extra für mich zu rennen. Ich hocke vor dem Käfig und frage mich, ob in der Seele des Tieres noch alte Erinnerungen lagern, an seine Vorfahren, die statt im Aluradl über die vom silbrigen Mond beschienenen Steppen Kasachstans, Sibiriens oder Chinas rannten. Bevor mich diese Gedanken zu schwermütig machen können, kommt Strizzi wieder aus dem Radl hervor, beißt noch einmal in meine Fingerspitze und befördert sodann ein Stückerl Gurke in seinen Bau.

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