Onkelschwagerbruder
Dass die verzauberte Weihnachts- und Between-the-years-Zeit vorüber ist, erkenne ich auch daran, dass mein Bruder in irgendein Ausland zurückkehrt, beruflich. Derweil ich dies schreibe, ist er schon wieder in Paris. Bevor er das Land verlässt, schleppen ihn Liebste, Brut und ich gern noch einmal in eine ausgesprochen wienerische Szenerie, damit er seine harbe Heimat eh nicht vergisst. Ehe er im Herbst letzten Jahres erstmals nach Paris ging, besuchten wir beispielsweise den Lainzer Tiergarten und seine Wildschweine – ich habe an dieser Stelle berichtet. Nun, am äußersten Ende der Weihnachtsferien, verbrachten wir den Onkelschwagerbruder nach Sievering und darüber hinaus. Es war glasklar, kalt und sonnig, als wir den Leichenwagen in der Sieveringer Haupt parkten und uns nach rechts bergan wandten. Vorbei am Wiener Naturdenkmal Nro. 768: „Geologischer Aufschluß: Sieveringer Steinbrüche“. Die Stadtstieferln meines geliebten Bruders erwiesen sich auf der Steilheit des Gspöttgrabens als ungeeignet und ich dachte an jenes Asterix-Heftl, in dem Homöopatix, der Pariser Schwager von Häuptling Majestix, sagt: „Leben kann man nur in Lutetia. Das übrige Gallien ist gut für Wildschweine.“ Dennoch stiegen wir bergan. Wir überquerten Himmelwiese, wo meine wunderbaren Kinder im eisigen Wind beherzt nach ihren Lebensbäumen suchten. Wir überschritten die Höhenstraße, drangen in struppigen Forst ein, passierten die Kreuzeiche. Zwischen Hermannskogel und Latisberg waren wir rechtschaffen erschöpft, wir kehrten beim Agnesbrünnlwirten ein, um zu essen. Zu meinem sachten Erschrecken stand auf der Karte des Wirten auf einmal Misosuppe, und noch ehe ich anheben konnte, über die Gentrifizierung der Wienerwaldhäuserln zu sinnieren, hatte mein Zweitgeborener diese Misosuppe auch schon bestellt, wobei es wie immer an mir war, vorab die Sojawürferln und Algenflunkerln herauszuessen, ehe er den Rest verzehrte. Mein Bruder, darin unserem seligen Vater gleich, verzehrte einen gebackenen Karpfen. Anderthalb Stunden vergingen. Der Rückmarsch fand bei strömendem Regen statt. Aber der Onkelschwagerbruder erschien uns ausreichend indoktriniert und wir entließen ihn nach Paris.
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