Hundstrümmerl
Ich schließe an, wo ich letztes Mal absetzte: Bei den Hundstrümmerln von Hietzing. Nein, es gibt, natürlich, keine Evidenz, dass, ich zitiere mich einmal selbst, „in Hietzing mehr Hundstrümmerln auf der Straße liegenbleiben als sonstwo“. Aber dass auf einem wenige Meter langen Weg zwischen dem Eingang zum Zoo und dem Schlosscafé des Parkhotels sowohl meine Liebste als auch unser Hütteldorfer Freund W. an zwei verschiedenen Stellen in zwei verschiedene Hundstrümmerln steigen, das ist schon eine heutzutage denkwürdig gewordene Häufung. Man muss es offen sagen: Fäkalien von Canis lupus familiaris, des Haushundes also, sind in Wien eine Seltenheit geworden. Die gescheiten Kampagnen der 48er haben mehr noch als die theoretisch vollstreckbaren Geldstrafen dazu beigetragen, dass der Hauptstädter das Offensichtliche erkennt: Bellos Exkremente sind gacka. In meiner Jugend und Adoleszenz war das noch anders. Hundstrümmerln lagen überall herum. Nach ihrem Ausgeschiedenwerden ließ man sie in Ruhe, eine Zeitlang stanken sie sehr, eine weitere Zeitlang stanken sie ein bisserl, dann hörten sie zu stinken auf, bleichten und wurden zu ihren eigenen Gespenstern – der große Dichter H.C. Artmann schrieb vom „knochenweißen Hundekot“. Das Trümmerl war fester Teil von Stadtlandschaft und der Stadtkultur und überdies eine stets griffbereite Metapher: Helmut Qualtinger beschrieb die jugoslawischen Ćevapčići als „Hundstrümmerln mit Zwiebeln“. Und der gewöhnliche Wiener? Er bewegte sich dereinst mit Geistesgegenwart durch eine Welt von Gefahren. Irgendeine unscharfe Kleinigkeit von dunkler Farbe, die man im Augenwinkel auf dem Trottoir erkannte, führte zu einem tänzelnden Ausweichen – der Stadtwanderer der Siebziger und Achtziger, er war immer auf der Hut. Das ist verlorengegangen. Man geht träumerisch durch die Metropole, und schon macht man zwei Treffer zwischen Zoo und Schlosscafé. Aber die alten Kulturtechniken sind dieselben geblieben. Im Café gilt es, die Sohle waagrecht aufsetzen, damit möglichst wenig Odeur aus dem Profil dringt. Und zwischendurch tut man so, als ginge man hinaus telefonieren. In Wahrheit schmiert man den Schuh an der Gehsteigkante entlang und macht alles noch ärger.
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