Sektion Alt Erdberg

Das Ende des Winters ist Humus für den Kulturpessimismus. Erkenntnisse über den Wandel der Zeit neigen dazu, einen stimmungsmäßig in tiefgraue Lande zu versetzen. So musste ich sehen, dass die Vollkoffer an den Hebeln des deutschen Kinderfernsehens nach „Wickie“ und „Biene Maja“ nunmehr auch die dritte wegweisende Zeichentrickserie der Siebziger, nämlich „Heidi“, digitalisiert neuerschaffen haben. Was schon Halvar und der Drohne Willi nicht gut bekommen ist, führt bei Heidi ins vollkommene Desaster: Namentlich Heidis Opa, der Almöhi, diese granitene Menschwerdung alpiner Unbeugsamkeit, ist in der neuen, weichgespült-vergackten Fassung ein lieber, ungefährlicher Surm geworden, depperter kann man Johanna Spyris Plot nicht verdrehen. Da fügt sich, dass ausgerechnet Volksbilly Gabalier das neue Heidi-Lied (im Original von den Andrew Sisters der Alpen, Gitti und Erika, gesungen) neu interpretieren darf. In derart generierter, lichtloser Stimmung schritt ich mit dem Ziehharmonika-Brahmanen Soyka in den nahegelegenen Hanuschhof, wohin uns die SPÖ-Sektion Alt-Erdberg zum Konzert gebeten hatte. Dort kam mein Optimismus zurück. Es gibt Humor, dessen Pointen nicht aus Fernsehserien kommen, sondern in einer lokalen Kultur des Miteinander-Redens oder -Schimpfens wurzeln. Es gibt Gesellschaften, die sich nicht weichspülen lassen, weil dabei die Waschmaschine kaputt geht. Wir spielten ein paar Lieder, wurden harsch angehalten, weitere zu spielen, und standen schließlich, genussvoll Aufstrichbrote kauend, in der Sektion herum. Und sodann die Krönung: Eine charmante Dame trat herbei und gab sich als jene Leserin C. zu erkennen, die mich – ich habe berichtet – zum Heringsschmaus in die Lobau eingeladen hatte. Ich hatte dies abgelehnt, auf meine Soziophobie und mönchsartige Heringsbeziehung verweisend. Nun stand sie in Alt-Erdberg, die Leserin C., und drückte mir zwei riesige Rex-Glasln mit ihren Heringssalaten in die Hand.
Liebe Leserin C.: Das Glasl mit den von der Roten Rübe purpur gefärbten Matjes ist schon weg. Allein aß ich es in unserer Küche. So, und nur so, kam ich über Heidis Schändung hinweg.

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