Westeinfahrt

Ich wünschte, ich würde die A1 weniger gut kennen.

Heimfahrt aus den Ferien, Westautobahn. Ich kenne diesen Highway seit über vier Jahrzehnten. Ich fahre ihn privat zwischen einem kleinen Dorf im Westen und einer großen Stadt im Osten hin und her. Ich fahre ihn dienstlich zwischen meiner Erdberger Heimat und den Schauplätzen meiner Auftritte hin und her. Hin und her, hin und her, ich wünschte, ich würde die A1 weniger gut kennen. Aber jede Kurve, jede Steigung, jede Gerade, jeden Abhang bin ich schon hundertfach gebrettert, mit allen Fahrzeugen meines Lebens, Lancia, Golf, Elektroboot und Leichenwagen, bei allen Witterungen meines Landes, Regen, Sonne, Schnee und Nebel. Auf keinem Rastplatz entlang der A1 waren meine Familie, meine Band und ich noch nicht Lulu, auf keiner Tankstelle habe ich noch nicht nach einem gscheiten Wuzeltabak gesucht. Mit einem Wort: Ich kenne die Westautobahn genau, ohne das wirklich zu wollen. Und so bin ich, der ich doch daran glaube, dass mein Leben und meine Persönlichkeit sich entwickeln, mehrmals im Jahr in einer Art Psycho-Endlosschleife gefangen, einem irgendwie niederschmetternden Riesen-Déjà-vu, dessen Grund darin liegt, dass ich selbst reife, die A1 aber nicht, dass ich mich verändere, die A 1 aber gleich bleibt. Wie ein bedürftiges Kind, das nichts anderes zum Spielen hat, antizipiert mein Hirn dann wertlose Informationen – Walserberg: noch dreihundert Kilometer, Sankt Valentin: noch hundertfünfzig Kilometer, Ybbs: noch neunundneunzig Kilometer – aber dann sieht man wenigstens Melk, das allerdings auch immer gleich bleibt. Wenigstens die Westeinfahrt, diese normalerweise fade Fortsetzung des Faden im Innerstädtischen war diesmal abwechslungsreich. Plötzlich waren da Polizeisirenen, kriegspfadartige, dumpfe Trommeln, Gesänge, violette Rauchschwaden über dem Wienfluss. Von sehr sehr vielen behelmten Polizisten eskortiert, zog ein bengalisch-qualmender Austrianer-Trupp zum Wiener Derby ins Hanappi. Die Fans wussten noch nicht, dass ihre Mannschaft wenig später aufs Haupt geschlagen werden sollte. Sie waren lustig, laut, betrachtenswert. Ich bin ja auf strenge Äquidistanz zu den beiden großen Wiener Vereinen bedacht. Aber, Austrianer: Danke, ihr habt’s mich am Sonntag aus der Endlosschleife erlöst.

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