Rehab Erdberg

Kränkeln im Herbst.

Grippe, z’wideres altes Weib! Schnell bist du in uns fünf hineingeplumpst, in aufreizender Langsamkeit kräulst du wieder aus uns heraus. Die Buben, schleim- und fieberfrei, wenn auch mürb’ und blass, halten sich tapfer, staksen wacker ins Gymnasium, linker Fuß, rechter Fuß, kleine Erdberger Vampire auf dem Weg zur Allgemeinbildung. Die Drittgeborene hat’s ärger erwischt, sie ist noch zuhaus bei mir. Liebste und ich fühlen uns ja nicht gesund in dem Sinn, tun aber halt weiter, was soll man machen? Ich sitze also am Tisch und schreibe, meine Tochter nicht weit von mir. Die Drittgeborene beherrscht den Satz „Mir ist so fad“ mittlerweile in einer Palette zwischen klagendem Elfensopran und krachendem Rrriot-Howl. Sonst ist sie eine herrliche Vormittagsgenossin, die auch mich versteht – „Katzi, ich mach gschwind den Song fertig, dann spiel’ ma Expedition ins Tierreich!“ Zu anderen Zeiten schaut die Tochter ihre Lieblingsserie, das Elfenepos „Mia and Me“, das von der Liebsten zu Recht als „Avatar für Grundschüler“ bezeichnet worden ist. Bis auf den Eingangssong halte ich das mittlerweile ganz gut aus. Das Mädi darf immer drei Folgen schauen, ich mach’ derweil Yoga. Schwer fällt das Sonnengebet, wenn die Landstraßer Haupt im Schatten des Hochnebels liegt. Später stehe ich auf einem Bein im Baum, die Hände gefaltet, den Blick aus dem Fenster fest auf die Siedlung Rennweg gerichtet. Zuletzt liege ich in der childs pose auf dem Boden und stelle mir vor, wie sich der Parkettboden in schwarze Erde verwandelt und ich in einer Ackerfurche langsam tiefer sinke, tiefer, noch tiefer, bis zum Mittelpunkt der Erde, wo die Grippe keine Chance hat. Mittags mache ich Bulgogi-Rindfleisch, mit Reis und Paradeissalat. Liebste und Zweitgeborener kommen um zwei, der Große hat noch Turnen. Mit dem Zweitgeborenen schaue ich mir später verschiedene Schildkröten im Netz an, weil er überlegt, sich eine zu wünschen. Ich stelle fest, dass die amerikanische Rotwangenschmuckschildkröte aus dem Tierhandel verschwunden ist. Dafür, sage ich, lebt sie jetzt auch in der Lobau. Der Zweitgeborene hustet matt. Grippe, z’wideres altes Weib!

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