Mai, wie er sein soll, Mai, wie er ist

Bilanz Mai: Unterm Strich können wir uns nicht beklagen: Von den drei Zündstufen des Wonnemonats haben zwei richtig gut funktioniert. Vom Mai der Magnolien, jener primären zarten Maiphase, die noch nah am April und irgendwie postösterlich ist, schnitten wir uns ein dickes Stück ab. Da picknickten wir auf der Arenawiese, späte Kirschblüten schwammen auf dem Spiegel des Blaufränkischen. Im Mai der Kastanien, dem sekundären Mai also, badeten wir regelrecht, lagerten auf der Wasserwiese, sangen, tanzten, sprangen – es war gut. Dann kam das Tertiär, der Mai der Akazien, und mit ihm der Einbruch. Die Pfingstphase war verschissen, kalt, schulfreie Tage ohne Sog nach draußen. Am Pfingstsonntag, als es immer noch nicht zu dauerregnen aufgehört hatte, fuhren wir dennoch döblingwärts, parkten am Cobenzl und stellten Folgendes fest. Hier oben befanden wir uns im Inneren der Dauerregenwolke. Der Regen entstand genau neben uns. Das Schnürl, zu dem er wurde, begann neben unseren kapuzenbedeckten Köpfen und endete neben unserem Schuh. In der tröstlichen Gesellschaft der ebenfalls unterventilierten Gumpendorfer schritten wir voran, der Kreuzeiche zu, und stellten fest, dass der Döbling-Forest trotz allem ein gigantisches Schauspiel bot. Wir waren im Regenwald. Die Stämme der Buchen glänzten, als habe man sie erst frisch gewaschen und dann mit Zuckerguss versehen. Die Krautschicht zeigte sich nun, da das Blätterdach noch nicht ganz geschlossen war, auf ihrem Zenit. Alles reckte sich duftend und einladend, Farne, Huflattiche, ein Wichtelland. Auf der erfolglosen Suche nach einem Feuersalamander trafen wir zahllose Nacktschnecken, schwarze, orange und gelblich-leopardene. Die Feuersalamander, sprach der Papa, sind jetzt an den Bächen. – Dort haben sie Sex?, fragte die Brut. – So ist es, erwiderte der Papa. Im Gasthaus Agnesbründl, wo das Hängebauchschwein am Waldrand brummt, kehrten wir genüsslich ein. Das Essen war gut. Der Mai, wie er nicht sein soll, war nicht unokay. Einzig die Drittgeborene ließ ihren Germknödel stehen, der eh ein bissl aussah wie der Kopf eines Delinquenten aus Game Of Thrones.

ernst.molden@kurier.at

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