Erdberger Herbst

Ich war bei den Rabenhoflern, um über Theater-Arbeiten zu reden, die in der Zukunft liegen könnten oder auch nicht. Die Küche im Rabenhof, wo man sonst eigentlich immer sitzt, war Austragungsort einer Technikerbesprechung. So saßen wir, bei mildem Septembersonnenschein, auf Bankerln in dem kleinen Park, der sich vor dem majestätischen Gemeindebau auftut wie das grüne Auge eines roten Drachen.


Wir redeten so dahin, der Direktor, der Dramaturg, der Agent und ich, als ein Herr vorbeikam. Älterer Herr wär jetzt gemein und auch gefährlich, weil wenn die Drittgeborene maturiert, bin ich auch zirka wie er. Sagen wir: in den besten Jahren. Buntes Poloshirt, fest in der gegürteten Bundfaltenhose ruhend, Augengläser und Lächeln, als er uns sah und hörte: „Ah, meine Herren“, sagte er, „des duat guad, ab bissl a Muttersprache.“ Pause. Wird schauten ihn an. Er fügte hinzu: „Weil da drunt, in der Hainburger Schdrossn kaunnst ja ned amoe mea …“ Wir sagten nichts, schauten zu Boden, machten bestenfalls Geräusche wie „Mhmm-mhmm“. Der Mann verstand, fühlte unsere verschwiegene andere Meinung, sagte „Na guad, auf Wiedaschaun“ und ging davon, Verlorenheit ausstrahlend.
„Und warum sagen wir da nix?“, fragte der Dramaturg dann völlig zu Recht. Natürlich. Aber was? Kaum die Weisheiten urbaner Begegnungsexperten: „Die Wienerinnen und Wiener türkischer Herkunft tragen zur Vielfalt der Stadt bei.“ Stimmt, Freunde, aber der will das so nicht hören. Doch könnte ich dem Mann erzählen, dass etwa mein Freund G. in der Bedürftigkeit des Moments zu einem türkischen Haarschneider ging, und dort nicht nur einen scharfen Schnitt, sondern auch die Freundschaft des Barbiers gewann, die bis heute hält. Oder dass Musikerfreund S. einst stur jene Teestube betrat, die anstelle seines Stammwirtshauses entstanden war. Und dort willkommen war.


Letztendlich glaube ich, dass der Mann im Poloshirt einmal stürzen oder straucheln müsste, und die Leute aus der Hainburger Straße helfen ihm. Oder jemand aus der Hainburger Straße kommt in Not, und den Mann im Poloshirt überkommt es und er steht ihr oder ihm bei. Ich glaube, dass die Dinge immer so ins Rollen kommen, in Erdberg und überall sonst auf der Welt.

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