Was will ein Autor mehr: Quarantäne mit Blick aufs Meer

Was will ein Autor mehr: Quarantäne mit Blick aufs Meer
Vom Börsencrash zur Pandemie: Ein Brite schrieb mit "Der Wal und das Ende der Welt" das Buch der Stunde. Dabei erschien es schon vor fünf Jahren.

Noch ist er "gar nicht so gespannt darauf, dass die Isolation endet." John Ironmonger, in Nairobi geborener Brite mit Weitblick und Fantasie. Der promovierte Zoologe war in seinem Leben schon Lehrer und IT-Spezialist. Seit er vor 25 Jahren den "The Good Zoo Guide" über die 130 Tiergarten im Vereinigten Königreich schrieb, ist er auf den Geschmack gekommen. 2012 veröffentlichte er seinen ersten Roman, "The Noteable Brain of Maximilian Ponder". Drei Jahre darauf eine damals fast unglaubliche Geschichte, die nun als "Roman der Stunde" gilt, auch weil sie von der Liebe in Zeiten einer Pandemie handelt: "Der Wal und das Ende der Welt". 

Inspiriert von der biblischen Legende von Jonas und dem Walfisch, der Staatstheorie von Thomas Hobbes und Jared Diamonds Weltbestseller "Kollaps" fabuliert er darin von einem jungen Mann, der an der Küste Cornwalls angespült wird. Ihm folgt ein Wal. Dann, auf seltsame verschlugene Weise, wächst das britische Dorf St. Piran mit seinen zurückgezogen lebenden 307 Bewohnern zu einer wackeren Gemeinschaft, die einer globalen Krise trotz.  

Was will ein Autor mehr: Quarantäne mit Blick aufs Meer

John Ironmonger, Der Wal und das Ende der Welt, Fischer Verlag, 384 S., Euro 12, 40

Was sich auf den ersten Blick sehr konstruiert anfühlt, entpuppt sich als beherzte Lovestory mit realistischem Hintergrund. Bald nachdem sich der Börsenanalyst Jonas (Joe) Haak ausgerechnet in die Frau des Pfarrers verschaut, dringen Nachrichten von einer sich rasch ausbreitenden Grippe selbst bis in das Dorf am Ende der (englischen) Welt. Joe wird zum Hamsterkäufer, der den ganzen Kirchturm mit Lebensmitteln - und natürlich auch Klopapier - vollräumt. Dabei hat er noch einen Satz seines früheres Arbeitgebers im Ohr: "Nicht die Krankheit wird uns umbringen. Sondern die Furcht. 1918 (nach dem Ausbruch der Spanischen Grippe, Anm.) brauchten die Menschen sehr lange, um zu verstehen, was da vor sich ging. Sie gingen zur Arbeit. Sie lebten ihr Leben weiter. Diesmal werden wir es alle in den Nachrichten verfolgen. Wir werden zusehen, wie die ersten Opfer sterben."

Wohlgemerkt: Der Roman erschien im Original bereits 2015, ins Deutsche übersetzt wurde vor einem Jahr.

Zurück nach St. Piran mit seinen nunmehr 308 Seelen. Beinahe wäre die Kopfgeburt gar nicht zu Ende zu Papier gebracht worden. Als Zoologe wusste Ironmonger zwar, dass sich Viren sich sehr rasch über die ganze Welt verbreiten können. Aber wer hätte dem damals Glauben geschenkt? Ein Glück, dass der Autor, noch als er am Manuskript herumfeilte, am anderen Ende der Welt jemandem über den Weg lief, der ihm Mut machte: Jared Diamond, jener Wissenschaftler, der den Zusammenbruch von Gesellschaften wie den Rapa Nui auf der Osterinsel oder den Maya in Südamerika studiert hat.   

In den "Nachbemerkungen" von "Der Wal und das Ende der Welt" schreibt Ironmonger: "Ich hatte Kollaps gerade erst zu Ende gelesen, als ich Professor Jared Diamond zufällig in einer abgelegenen Dschungellodge aus Sumatra traf. Ich dankte ihm für das Gespräch beim Abendessen über den Plot. 'Wir realistisch ist mein Zusammenbruchsszenario?', fragte ich ihn. ,Sehr realistisch', sagte er. ,Das ist eines der Szenarien, mit denen wir arbeiten.'"

Dabei wollte er gar nicht so sehr über einen Crash schreiben, sondern über einen euen Aufschwung. Jetzt, in der freiwilligen Selbstisolation an der Küste von Cornwall und überrascht davon, dass sein Buch nun zum "Roman der Stunde" wurde, sagte er seinem deutschen Verlag: "Für mich war ein Ziel des Buches zu zeigen, wie Gemeinschaften auf Krisen reagieren, indem sie nicht selbstsüchtig, sondern gemeinsam die Herausforderungen angehen. St. Piran ist ein kleiner Ort, in dem jeder Bewohner den anderen kennt. Sie meistern die Krise, da jeder eine Rolle findet. Manche fischen, manche melken Kühe, manche holen Wasser aus dem Brunnen und so weiter. Jeder wird wertgeschätzt. Niemand ist ausgeschlossen." 

Hat John Ironmonger Tipps, wie man sich jetzt die Zeit vertreibt. Ja, hat er. "Eine ruhige Stunde suchen, um zu spazieren oder laufen zu gehen, wenn es die Vorschriften erlauben. Ich habe Glück, denn ich kann mich in meine Bibliothek zurückziehen, um zu schreiben, während meine Frau Sue in ihrem Studio malt. Außerdem habe ich noch einen großen Stapel an Büchern, die daruf warten, gelesen zu werden. Noch warte ich noch gar nicht so gespannt darauf, dass die Isolation endet."

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