Was essen wir 2020? 10 Food-Trends des neuen Jahres
Was wird demnächst auf unseren Tisch kommen, was werden wir genießen und wie wird sich der Zugang zu Essen weiterentwickeln?
04.01.20, 06:00
Ein kleines bisschen hat man ja schon das Gefühl, gerade eine Zeitenwende mitzuerleben und eventuell Zeuge (oder noch besser: Mitwirkender) dessen zu werden, dass wir Probleme angehen, statt sie immer nur vor uns herzuschieben. Klimaschutz, Umweltschutz und Nachhaltigkeit werden wahrscheinlich stärker in unseren Alltag hineinwirken als bisher, als wir noch darauf vertrauten, erstens eh viel Zeit zu haben, bis die Probleme greifbar sind, und zweitens, dass die Wissenschaft ohnehin für alles irgendwann eine Lösung finden werde. Die Wissenschaft hat die Lösung längst gefunden: Verschwendung vermeiden, und zwar Verschwendung von Ressourcen, Energie, Zeit, Boden und Gesundheit. Ernährung ist einer der wesentlichen Punkte der Weltwirtschaft. Was und wie viel davon wir essen, hat ganz entscheidende Auswirkungen auf unser Klima, seien es quer über den Globus transportierte Lebensmittel, seien es Produkte, die dort angebaut werden, wo kurz zuvor noch Urwald stand, sei es Fleisch aus Massentierhaltung, für das unter anderem Wasser und Antibiotika verschwendet werden.
Nein, das heißt nicht, dass wir in naher Zukunft nur mehr Sauerkraut und Hirsebrei essen, keine Sorge. Aber es heißt, dass wir uns vielleicht ein bisschen mehr Gedanken über die Nachhaltigkeit unserer Ernährung machen werden.
Trend 1: veganes Fleisch
Etwa beim Verzehr von Fleisch. Natürlich haben wir uns daran gewöhnt, sieben Mal in der Woche und zweimal pro Tag Fleisch zu essen und Gewohnheiten gibt man nur ungern auf. Tatsächlich sehen viele der Fleischgerichte, die wir so sehr lieben, aber weder nach Fleisch aus noch schmecken sie so: Beim Schnitzel ist es in Wirklichkeit die Panier, die zählt, ob da drin jetzt ein flach geklopftes Stück Kalb, Schwein, Huhn oder demnächst ein Stück feinfaseriges Protein auf Basis von Bio-Soja steckt, werden viele vielleicht gar nicht bemerken.
Der heuer in den USA entwickelte vegane Burger auf Erbsen-Basis verkauft sich wie die sprichwörtliche warme Semmel, und auch der oberösterreichische Fleischwaren-Produzent Hermann Neuburger sieht seit Kurzem die Zukunft in fleischlosen Würsten und Bratlingen aus biologisch gezüchteten Kräuterseitlingen. Dass ein paar der Gerichte, die wir pro Woche essen, demnächst aus derartiger Produktion stammen, ist nicht nur wahrscheinlich, sondern sogar ziemlich sicher. Sehr viel sicherer jedenfalls, als dass sich in Labors und Bioreaktoren um Unsummen von Geld gezüchtetes In-Vitro-Fleisch durchsetzen wird.
Trend 2: Aquaponik-Fisch, Indoor-Gemüse
Und es gibt noch viel mehr gute Ideen: Fisch aus sogenannten Aquaponik-Anlagen – ein geschlossenes System aus Glashaus und Fischzucht – ist seit Kurzem auf dem Markt verfügbar. Derartige Anlagen eignen sich auch für den urbanen Bereich sehr gut, die Barsche und Welse aus diesen Zuchten werden unseren Speiseplan sehr bald bereichern, auf die Karte des Top-Restaurants Palais Coburg haben es die Welse des Wiener Unternehmens Blün jedenfalls schon geschafft.
Was sich in Top-Restaurants oder aber auch zu Hause ebenso finden wird, sind Gemüse und Kräuter aus eigenem Indoor-Anbau. Miele bietet seit Kurzem im Rahmen seines Küchenausstattungs-Programms auch ein kleines, automatisiertes Gewächshaus im Kühlschrank-Format an, die Ernte-Empfehlung kommt via Handy-App.
Trend 3: Heimische Garnelen
Auch dass Garnelen aus Zuchten vom anderen Ende der Welt stammen müssen, wo Mangrovenwälder abgeholzt und Antibiotika unkontrolliert eingesetzt werden, ist keineswegs mehr festgeschrieben. Vor zwei Jahren begannen findige Unternehmer in Bayern, Garnelen zu züchten, heuer kamen die „Alpengarnelen“ aus Hall in Tirol dazu. Kurze Transportwege, Verzicht aus Antibiotika und Pestizide, keine Energie-fressende Tiefkühlung und großartiger Geschmack – vielleicht ist im Jahr 2020 die Garnele der neue Saibling.
Trend 4: Gemeinsam Essen
Die positiven Aspekte der Nachhaltigkeit manifestieren sich aber nicht immer nur in technischen Errungenschaften und Ingenieurskunst, oft haben sie auch eine soziale Komponente. So ist schon seit einiger Zeit festzustellen, dass in vielen Restaurants das sogenannte „Sharing“-Konzept verfolgt wird, das heißt: Man bestellt und genießt Gerichte gemeinsam.
Abgesehen davon, dass auf diese Weise viel mehr verschiedene Sachen gekostet werden können, bleibt auch weniger übrig, das dann weggeschmissen werden muss. Ältere Gäste tun sich zwar oft ein bisschen schwer damit, dass ihnen ihr Teller nicht allein gehört, aber erstens wird man zum Teilen ja nicht gezwungen und zweitens wird sich das „Sharing“-Konzept 2020 eher auf urbane Szene-Lokale beschränken.
Trend 5: Steirische Oliven
Der Klimawandel hat auch skurrile Seiten, etwa jene, dass im heißesten seit Menschengedenken gemessenen Jahrzehnt Dinge in unseren Breitengraden wachsen, die früher weit transportiert werden mussten. So baut Erwin Unger seit drei Jahren im Seewinkel Bio-Reis an, in der Steiermark haben Melone, Süßkartoffel und Okra die Experimentalphase bereits verlassen und werden gewerblich angebaut. Das interessanteste Exoten-Projekt startete heuer der Gamlitzer Winzer Peter Skoff: Er setzte 320 Bio-Olivenbäume, in fünf Jahren rechnet er mit dem ersten steirischen Olivenöl.
Trend 6: Sake
Was gibt es sonst noch Neues, beziehungsweise wird es geben? Sake, der japanische Reiswein, der in London, Paris, Berlin und New York schon zum Trend wurde, wird bei uns gerade entdeckt. Es wird zwar noch ein bisschen brauchen, bis wir das etwas komplizierte System der Qualitätsstufen im Kopf haben, in dem Moment, wenn die ersten Sake-Bars aufmachen, wird das aber recht schnell gehen. Und ja, erste Austro-Sakes wurden auch schon gebraut, da werden 2020 eine ganze Menge interessante Getränke auf uns zukommen.
Trend 7: Wagyu
Und um beim Thema Japan zu bleiben: Das Wagyu-Rind ist eindeutig am Vormarsch. Vor zehn Jahren begannen erste Pioniere, in Österreich die für das „Kobe-Beef“ berühmten Rinder zu züchten, mittlerweile gibt es etwa in Oberösterreich schon Zucht-Projekte, die ganze „Wagyu-Regionen“ zum Ziel haben. Fleisch von Wagyu-Rindern, zeichnet sich durch einen extrem hohen intramuskulären Fett-Anteil aus, ein Wagyu-Steak der höchsten Qualitätsstufe ist mehr weiß als rot. Das klingt zwar nicht sehr gesund und zukunftsweisend, allerdings hat Wagyu-Fett einen extrem hohem Omega-3-Gehalt und außerdem isst man ja nur kleine Stücke davon.
Trend 8: Pinseria
Nicht nur kulturell sehr viel näher, sondern auch etwas preiswerter und damit breitenwirksamer dürfte da der aktuelle Trend aus Italien sein: Pinsa Romana, eine Mischung aus Pizza und Flammkuchen, Basis ist jedenfalls ein knusprig-flaumiger Sauerteig-Boden, der je nach Kreativität der Pinseria-Betreiber belegt wird.
Ein paar Sauerteig-Pizzerien gab es ja schon, das Lokal „Hefenbrüder“ in der Mariahilfer Straße verfolgt seit August ein ähnliches Prinzip, und vor ein paar Wochen eröffnete in der Schleifmühlgasse die erste explizite „Pinseria“. Nachdem die Knusper-Pizza in Italien rasend schnell die Runde machte, wird das bei uns wohl auch bald der Fall sein.
Trend 9: Fotografier-Verbot
Was freilich passieren könnte, ist, dass wir die farbenfrohen Gerichte nicht mehr fotografieren dürfen. Warum?
Erstens, weil es nervt, und zweitens, weil sonst früher oder später jeder Teller in jedem Lokal gleich aussieht, Instagram und Like-Button sei Dank. Nämlich wie Avo-Toast, Acai-Bowl, Cheeseburger und Granola-Smoothie.
Das Wiener Lokal „Bakery“ verhängte schon früh ein Fotografier-Verbot, Österreichs erster Dreisterner Juan Amador tat es heuer, es werden wohl noch einige folgen.
Trend 10: Guide Michelin
Apropos Dreisterner: Dass der Guide Michelin, weltweit die wichtigste Instanz der Restaurant-Beurteilung, wieder eine eigene Österreich-Ausgabe herausbringt, ist wohl nur mehr eine Frage der Zeit. Derzeit wird Österreich nur im „Main Cities“-Guide behandelt, also nur die Top-Restaurants von Wien und Salzburg, das Interesse an einer Gesamt-Ausgabe ist groß, Initiativen gab es auch schon ein paar. Da werden wohl sehr bald zu Gault Millaut-Hauben, Falstaff-Gabeln und À la Carte-Punkten auch noch die Michelin-Sterne dazukommen.
Kommentare