Im Aufzug, wenn wir Fremden so nahe kamen, wie sonst nur der Familie und engsten Freunden. Oder beim Spazierengehen, wenn man höflich zur Seite ging, Entgegenkommende dies aber als Aufforderung verstanden, den ganzen Raum einzunehmen. Letzteres könnte an der unterschiedlichen Erziehung liegen, die irgendwo zwischen „Mach doch den Herrschaften Platz“, bis zu „Hol dir, was dir zusteht“ liegt.
Seit Wochen leben wir alle auf Distanz. Selten, dass jemand mit dem Einkaufswagen einem das Schienbein rammt, beim Spaziergang gehen alle Slalom. Der eine nickt, die andere lächelt, manche sagen „Danke“.
Doch es ist schwierig, Abstand zu halten. Das zeigt eine Autofahrerstudie der Asfinag: 60 Prozent der befragten Pkw-Lenker, die zu nah an der Stoßstange des Vorderen pickten, hatten sich nur auf ihr Gefühl verlassen. Psychologe Peter Ruis: „Es liegt an der Karosserie des Autos, die einen umgibt, dass man sich da verschätzt.“
Warum es zwischenmenschlich so schwierig ist, auf Distanz zu bleiben, habe einen anderen Grund, so der Wiener: „Der Mensch ist ein Herdentier, das Geselligkeit braucht. Er fühlt sich in der Gemeinschaft am wohlsten, sie gibt ihm das Gefühl, lebendig zu sein.“ Dafür sorge etwa das Bindungshormon Oxytocin, das ausgeschüttet wird, wenn wir mit anderen Menschen in Kontakt kommen.
Bis zu sechzig Zentimeter geht das Maß der „intimen Distanzzone, die der US-Anthropologe Edward T. Hall vermessen hat. Laut ihm gibt es vier Zonen: neben der genannten, die persönliche, soziale und die öffentliche. Die eineinhalb Meter, die wir derzeit alle einhalten sollen, entsprechen der sozialen Distanzzone. Diesen Abstand nehmen wir normalerweise automatisch zu Fremden ein.
Nach Peter Ruis ist der Idealzustand für alle, „dass Nähe und Distanz ins Schwingen kommen, sonst wirkt das Leben wie eingefroren“. Jetzt könnten wir aber Folgendes tun: „Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass wir auch über die Herzen miteinander verbunden sind.“
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