Ein Wiener Erfolgsgeheimnis: Bienen, die nicht stechen
Was für ein Klischee! – Beim Wort Imker denken wir automatisch an einen Mann mit Kopfschutz und einer Art Fliegengitter vorm Gesicht, damit ihn die (bösen) Bienen nicht stechen können. So wurde uns das bildlich-medial immer eingehämmert.
Doch Bienen, die stechen, sind keineswegs böse, wirklich gut sind sie deshalb auch wieder nicht, wie der Wiener Zuchtimker Horst Messerer versichert. „Mein vordringliches Zuchtziel ist Sanftmut“, bekräftigt er. „Wenn ich beim Öffnen einer Kiste ein paarmal gestochen werde, dann tausche ich die Königin aus.“ Ist die Königin sanft, ist auch das Volk sanft.
Zum Beweis, dass seine Bienenvölker und seine Königinnen ein vom Klischee abweichendes Verhalten zeigen, nähert sich der zertifizierte Bioimker ohne Kopfschutz und ohne Handschuhe einem seiner Bienenplätze in Langenzersdorf am nördlichen Stadtrand von Wien, öffnet eine Kiste (aus Holz gezimmerter Bienenstock) und greift seelenruhig ins Gewusel, ohne einen einzigen Stich davonzutragen.
Nicht nur das: Messerer kann auch einzelne Tiere zwischen die Finger nehmen und sie dem Besucher präsentieren, ohne dass er gestochen wird – das ist für ihn ein deutliches Qualitätszeichen: „Es zeigt mir, dass die Königin über ihre Pheromone Ruhe ausstrahlt und dass das Volk mit seiner Herrscherin voll einverstanden, zufrieden und ebenfalls sanftmütig ist. Sanftmütige Völker sind funktionierende, stabile Völker.“
Messerer züchtet aber nicht nur sanftmütige Bienen-Wirtschaftsvölker für den Verkauf, sondern Jahr für Jahr auch an die 1.000 sanftmütige Königinnen. Eigentlich viel zu wenige, wie er meint, denn einen Teil davon benötigt er für seine eigenen Völker, und die Nachfrage aus dem In- und Ausland sei größer als seine Zuchtkapazität.
Immerhin fragen bei ihm jährlich Imker aus mehr als 80 Ländern nach sanftmütigen Bienenköniginnen an, aber er kann das Interesse nicht befriedigen. Er liefert seine Königinnen an Imker in Österreich, in die Nachbarländer, nach Rumänien und Bulgarien, weiters nach Russland und bis nach Kasachstan. Aber Länder wie etwa die USA haben so strenge Einfuhrbestimmungen für tierische Lebewesen, dass sich der Aufwand nicht lohnt. Außerdem gibt es dort genauso Züchter mit hoher Expertise.
Bienen, die dicht wie Pelz sind
Sanftmut ist aber bei Weitem nicht das einzige von Messerers insgesamt fünf Zuchtkriterien. Als zweitwichtigstes Merkmal für eine hochwertige Bienenkönigin und ein gesundes Volk nennt er die Honigleistung, als drittes den optimalen „Wabensitz“, den er mit einem Bild umschreibt: „Wenn die Bienen dicht wie ein Pelz auf den Waben sitzen.“ Doch zuvor müssen die Waben erst in emsiger Kleinarbeit gebaut werden.
Der Imker liefert dazu nur das Trägermaterial – holzgerahmte dünne Wachsplatten, die er in dichter Anordnung von oben senkrecht in die Kiste schiebt. Auf diesen Wachsflächen beginnen die Bienen ihr Waben-Bauwerk. Aus speziellen Drüsen an ihrem Unterbauch schwitzen sie winzige Wachsplättchen aus, die durch eifriges Kauen mit Enzymen angereichert und auf diese Weise formbar gemacht werden (die Enzyme erzeugen auch den typischen Duft des Bienenwachses). Mit diesem Material bauen die Bienen Tausende von unterschiedlich großen Brutwaben für den Nachwuchs – große für Königinnen, etwas kleinere für die männlichen Drohnen und die kleinsten für Arbeitsbienen – und weitere Tausende Kammern für die Einlagerung von Honig und Pollen, der Futterbasis des Volkes.
Nur etwa ein Drittel des produzierten Honigs bleibt dem Imker.
Bei allem, was die Bienen mit ihrer Teamarbeit und ihrem sprichwörtlichen Fleiß leisten, stehen die Erhaltung der Art sowie Aufzucht und Pflege der Königin im Vordergrund. Dass aus einer ganz gewöhnlichen befruchteten Eizelle, aus der normalerweise eine Arbeiterin schlüpft, plötzlich eine deutlich größere und deutlich langlebigere Königin wird, gilt als Wunder der Natur.
Es liegt am Gelée royale, einem Kraftfutter, das von speziellen, am Kopf der Ammenbienen befindlichen Drüsen gebildet und über Mund, respektive Rüssel in die Brutzellen geträufelt wird. Das gewöhnliche Ei bekommt das Superfood nur in den ersten zwei, drei Tagen, danach gibt es nur noch Nektar und Pollen. Das Königinnen-Ei hingegen erhält die Kraftnahrung während seiner gesamten Entwicklung zur ausgewachsenen Königin.
Heute kennt die Wissenschaft die Mechanismen, die den biologischen Unterschied ausmachen: Das Gelée royale greift in den Hormonhaushalt des Embryos ein und in dessen genetische Schalter. So entsteht eine im Vergleich zur Arbeiterin um bis zu sieben Millimeter größere Königin, die zudem bis zu zehnmal länger lebt: Während sich eine Arbeiterin mit einer Lebenszeit von wenigen Wochen bis Monaten begnügen muss, bringt es die Königin auf ein Lebensalter von bis zu sechs Jahren.
Die ganze Macht, welche die Herrscherin über das Volk ausübt, besteht in ihrer Fortpflanzungsfähigkeit und in ihrem Geruch. „Ihre einzige Tätigkeit ist die Legetätigkeit“, erklärt Züchter Messerer. „In Spitzenzeiten ist die Königin imstande, pro Tag bis zu 2.000 Eier zu legen.“ Zuvor muss sie aber von etwa 10 bis 15 Drohnen, den männlichen Bienen, begattet werden.
Nur wenige Tage nach dem Schlüpfen geht die junge Königin, begleitet von etwa einem Dutzend Pflegebienen, ihrem Hofstaat, auf Hochzeitsflug. Die von ihr verströmten Pheromone locken Tausende Drohnen an. „Aber nur wenige davon kommen zum Schuss“, erklärt Messerer. Voll bepackt mit Spermien tritt die Königin den Heimflug an. Solange ihre Legeleistung zufriedenstellend ist, verhält sich das Volk ruhig. Sobald ihre Legeleistung aber nachlässt, verändert sich auch ihr Pheromon-Cocktail, und damit der Stallgeruch des Bienenstocks.
Das Volk zeigt sich irritiert, es wird unruhig. Deshalb ist ein konstantes Pheromonbouquet der Königin und des Stocks so wichtig für das Wohlergehen des Volkes, für seine Honigleistung ebenso wie für seine Widerstandskraft gegen die Varroamilbe, den derzeit größten Feind der europäischen Bienen. Der in den Achtzigerjahren aus Asien eingeschleppte Parasit befällt die Brut und danach auch das Volk.
Ein starkes Volk setzt sich zur Wehr, indem es seine Putzleistung erhöht: Von der Milbe befallene Brutzellen werden sofort ausgeräumt und gereinigt. Zusätzlich kämpfen auch die Imker gegen die Milbe, indem sie das Bienenvolk mit verdünnter Ameisen- oder Oxalsäure bedampfen, allerdings ist das nur außerhalb der Honigsaison möglich, um das wertvolle Nahrungsmittel nicht zu gefährden.
„Wenn man es richtig macht, hat man das Problem im Griff“, sagt Messerer, „sonst hätten wir in Europa keine Bienen mehr“. Umso wichtiger ist die Zucht von starken Königinnen und stabilen Bienenvölkern. Messerers Spitzenprodukt ist eine Reinzucht-Königin, die sich nur in einer speziell geschützten „Belegestelle“ mit ausgesuchten Drohnen paaren darf.
Er verschickt sie zum Einzelpreis von 50 Euro in einer kleinen Plastik-Schachtel samt Gütesiegel und weißer Zuckerpaste als Reiseproviant „in alle Welt“, wie er sagt. Auf seiner Homepage (www.biene-austria.at) sind 84 Länder vermerkt, aus denen er regelmäßig Anfragen bekommt.
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