Wahl Verwandtschaft

Wahl Verwandtschaft
Kein Tier kann seinen Menschen so gut verstehen wie der Hund. Den beiden wird Seelenverwandtschaft attestiert. Das kann man sogar sehen – wenn Gestik, Mimik, Verhalten und auch das Aussehen einander immer ähnlicher werden.

Es ist schon seltsam, Hund und Herrl strahlen eine Verbundenheit aus, der man sich kaum entziehen kann: Charly, der große, grau-schwarze Schäferhund, der ohne Leine, aber mit Maulkorb in unserem Grätzl sein Revier abgeht und sein Herrchen mit einem Bart, der die gleiche Färbung hat wie das Fell des Rüden.


Die beiden wirken wie Wölfe, die einmal einsam waren, es jetzt aber nicht mehr sind. Weil sie einander gefunden haben, um gemeinsam ihre Runden zu drehen. Und ja, sie schauen einander ähnlich. Die gleichmäßigen Bewegungen, der leicht gesenkte Kopf, die unaufgeregt gutmütige Aufmerksamkeit, wenn sie dann doch mit anderen Menschen und Hunden in Kontakt kommen. Es ist nicht zu übersehen: Diese beiden gehören zusammen, haben sich wie langjährige Freunde oder ein altes Ehepaar einander angeglichen, sind gleichermaßen zurückhaltend, ruhig, aber offen.


So ein eingespieltes Duo gibt es nicht nur auf meinen Gassirunden. Das beweist der Fotoband „Doppelpack – mein Hund und ich“, in dem der junge Fotograf Christoph Schwabe 64 Mensch-Hund-Paare porträtiert hat, die einander sehr ähnlich sind. Etwa die 26-jährige Tiermedizinstudentin Lisbeth mit ihrer Parson-Russell-Terrier-Dame Frida. „Ballspielen und wie eine Irre durch den Park fegen, das sind Fridas Hobbies.“ Zum Abkühlen springt die Hündin dann in einen Kübel Wasser. Ein fröhliches, sympathisches Tier mit einem fröhlichen, sympathischen Frauchen – dass die beiden zueinander gehören, ist nicht zu leugnen.

„Als ich sie sah, war es um mich geschehen“, „Ich würde mein letztes Hemd für ihn geben“: Die Liebeserklärungen, welche die porträtierten Menschen ihren Hunden machen, mögen nicht für jeden nachvollziehbar sein – so eine Bindung zu einem Tier kann nur verstehen, wer sie einmal erlebt hat. Dabei hat das Zusammenleben von Mensch und Hund eine 15.000 Jahre alte Geschichte.


Man geht davon aus, dass alles damit begann, dass die ersten Hunde die Nähe der Menschen suchten, weil sie dort an fressbare Abfälle kamen. Den Menschen wiederum entgingen nicht die Wachsamkeit und das Jagdtalent der Vierbeiner. Eine Zweckgemeinschaft, die sich mehr und mehr entwickelte. Nicht ohne Grund: Hunde können mit uns kommunizieren, unsere Blicke und Gesten deuten. Besteht eine Bindung zu seinem Menschen, kann eine Handbewegung, ein Kopfnicken reichen und das Tier weiß, was gemeint ist. Dazu kommt, dass es auch Emotionen wie Leid, Freude und Wut zeigen kann. Psychologe Brian Hare von der Duke University: „Wir sind sicher, dass die Hunde im Verlauf der Domestizierung viele sozial-kognitive Fähigkeiten des Menschen übernommen haben und dass so etwas wie eine gemeinsame Evolution stattgefunden hat.“

Eine wissenschaftliche Studie aus Budapest zeigte sogar, dass Hunde-Welpen, welche die Wahl hatten, Kontakt zum Menschen oder zum fremden Hund aufzunehmen, sich für den Menschen entschieden. Wolfs-Welpen suchten in derselben Situation die Nähe zum anderen Hund. Eine Gehirn-Untersuchung bei Hunden veranschaulichte, dass sie sich ähnlicher Hirnmechanismen wie Menschen bedienen, um soziale Informationen zu verarbeiten. Die Forscher veröffentlichten im Fachblatt „Current Biology“ ihre Vermutung, dass dies zur erfolgreichen Kommunikation beider Arten beitrage. Damit glauben sie auch den Ansatz einer Erklärung gefunden zu haben, warum Hunde sich auf die Stimmung ihrer Besitzer einlassen können. Einer der wichtigsten Gründe, warum wir Menschen gerade dieses Tier so lieben, wir uns von ihm fast blind verstanden fühlen. Manchmal aber auch den Hund über die Maßen verhätscheln und ihn sogar den Menschen vorziehen – als Partner-, Kinder- und Freundesersatz. Dabei braucht der Hund immer noch andere Hunde und der Mensch andere Menschen, um ein sozial ausgefülltes Leben zu führen.

Ob Frauen oder Männer, Singles oder Paare, Kinderlose oder Eltern, Alte oder Junge, Einsame oder Gesellige – der Mensch hat also einen Gefährten außerhalb seiner Art gefunden. Einen Gefährten, mit dem das Zusammenleben mehr und mehr geschätzt wird, mit dem er eine besondere Beziehung aufbauen kann.

„Es gibt nichts Schöneres, als nach Hause zu kommen und die Freude in seinen Augen zu sehen“, „Mein kleiner Stinker passt zu mir, wie der Deckel auf den Topf“, „Seit unserer ersten Begegnung sind wir Freunde fürs Leben“, schwärmen die Besitzer in „Doppelpack“.

Was Hunde über ihre Menschen sagen würden, wenn sie sprechen könnten? Wer gelernt hat, ihre Sprache zu verstehen, weiß es.

Wahl Verwandtschaft

Fotograf Christoph Schwabe hat in seinem Buch 64 Doppelporträts von Hunden und ihren Menschen veröffentlicht. Christine Vogt hat die Paare für den Bildband ausfindig gemacht. „Doppelpack. Mein Hund und ich“ ist bei Herbig erschienen, 15,50€.

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