Viktor Gernot über Selbstvertrauen
freizeit: Herr Gernot, in Ihrem aktuellen Kabarettprogramm „Im Glashaus“ stellen Sie sich die Frage, warum man sich mit einem alten Gesicht manchmal so unerwachsen fühlen kann. Haben Sie eine Antwort gefunden?
Viktor Gernot: Vor langer Zeit wurde uns im Biologie-Unterricht erklärt, dass es die körperliche Pubertät und das geistige Erwachsenwerden gibt. Auf Zweiteres warte ich seit der 3. Klasse Gymnasium. Das hat sich bei mir nie eingestellt.
Sie sind 48 Jahre alt. Kommt das noch?
Als Endvierziger habe ich keine Ausrede mehr. Der Kollege Andi Vitasek ist neuen Jahre älter als ich und hat mir erzählt, dass ihm jemand in der Straßenbahn eine Platz angeboten hat. Das sind Dinge, die auf mich warten. Ich behaupte jetzt einfach, erwachsen zu sein. Was nicht heißt, dass ich das Gefühl der Sicherheit über mein erwachsenes Verhalten auch habe.
Ist es nicht generell ein Problem der heute 40- bis 50-Jährigen nicht erwachsen werden zu wollen?
Es gib sehr viele faltige Kinder. In meinem Fall ist es sicher kein Zufall, dass ich bisher kinderlos bin. Ich habe den simplen Vorgang, der normalerweise zur Elternschaft führt, schon oft durchgeführt – ohne Ergebnis. Und ich bin gar nicht unglücklich darüber, weil ich mich bisher nicht als Vater gesehen hätte.
Sollten Sie sich noch dafür entscheiden, werden Sie ein später Vater sein.
Dann bin ich in einer Reihe mit Wolfgang Ambros oder Niki Lauda. Beim ersten Elternsprechtag werde ich definitiv über 50 sein. Aber ich wäre jetzt sicher besser geeignet als mit 20 Jahren. Damals hätte ich bestimmt eine leichte Panik aufgerissen. Auch deshalb, weil ich Künstler bin, einen eigenen Rhythmus habe und manchmal bis spät in die Nacht fokussiert arbeite. Wenn dann etwas vom Leben daherkäme, was Anpassung erfordern und die Struktur verändern würde, könnte das für mich ein Problem darstellen.
Sie haben sich 2013 sieben Monate Auszeit genommen. Haben Sie nicht das Gefühl, in dieser Zeit gereift zu sein?
Ja, schon alleine deshalb, weil ich mich aus dem Rhythmus, funktionieren zu wollen, herausgenommen habe. Das hätte ich vor ein paar Jahren nicht zugelassen.
Warum nicht?
Es läuft für mich sehr gut. Aber da gibt es etwas, dass alle Kollegen bestätigen. Man wird die Existenzangst nicht los. Ich bin das Produkt. Für Viktor Gernot gibt es keine Zweitbesetzung. Wenn ich krank bin, bin ich krank. Und wenn ich auf Urlaub bin, findet auch nichts statt. Genauso, wenn ich nicht gut gebucht bin.
Woher kommt diese Angst?
1988 habe ich gemeinsam mit Michael Niavarani und anderen im Graumann-Theater im 15. Bezirk begonnen. Das war ein Kellerlokal mit 30 Sesseln, das nie ausverkauft war und wo wir um Gottes Lohn gespielt haben. Das vergisst man nicht. Auch später hatte ich nach dem ersten Musical-Engagement eine Audition nach der anderen. Das hat oft ein paar Monate gedauert, bis ich wieder was verdient habe. Auch, wenn es jetzt super läuft, bleibt das im Hinterkopf.
Wenn man auf Ihre Homepage schaut, steht hinter den meisten Vorstellungen: Ausverkauft. Das muss doch beruhigen.
Ich habe in den vergangenen 25 Jahren 4000 Vorstellungen gespielt, Fernsehsendungen, Kabarett, Musical und Konzerte gemacht. Es ist gut gelaufen. Aber dass ich jetzt als Endvierziger, der selbstständig ist, sagen könnte, ich nehme mich zurück und hoffe, dass ich 85 oder 95 Jahre alt werde, ist es überhaupt nicht.
4000 Vorstellungen klingt nach einem straffen Programm. 2010 hatten Sie einen Kollaps. Haben Sie sich damals übernommen?
Ich habe immer nach der Devise gelebt: Ich bin nicht krank, ich fehle nicht. Dann gab es vor zweieinhalb Jahren diesen kleine Hörsturz und einen Schwächeanfall. Danach musste ich fünf Vorstellungen absagen. Ich bin davor wie ein Bulle durchs Leben gegangen und dachte, dass ich unkaputtbar und unbesiegbar bin. Danach war mir klar, dass ich ein normaler Mensch bin, der ausfallen kann, wenn er zu intensiv arbeitet und keine Ruhezeiten einhält. Seither gehe ich es anders an und spiele nur noch 90 Vorstellungen pro Jahr. Früher war es oft das dreifache Pensum.
Es scheint so, als wollten Sie immer 100 Prozent geben. Kommt diese Einstellung noch aus Ihrer Zeit als Profischwimmer? Sie haben ja mit dem Junioren-Nationalteam viele Erfolge gefeiert.
Unbedingt. Ich habe noch Freunde aus dieser Zeit, die alle dasselbe auszeichnet, aber vielleicht auch ein Leben lang belastet. Leistungssportler haben die Fähigkeit, Dinge strukturiert und diszipliniert anzugehen. Sie ignorieren aber oft auch ihre Schwächen. Das ist mir passiert. Andererseits kenne ich niemanden aus meinen Schwimmertagen, der nicht etwas geschafft hätte. Alle haben ihren Beruf ähnlich konsequent durchgezogen wie ich.
Was war die wichtigste Erkenntnis, die Sie der Sport gelehrt hat?
Es geht im Sport nicht nur darum, sich Ziele zu setzen und zu lernen, wie man mit Erfolg umgeht. Viel mehr ist auch das Scheitern ein großer Teil des Sportlers. Es gibt nur drei Medaillen, man darf aber nicht vergessen, dass sich die anderen 40 in den Vorläufen auch den Arsch aufgerissen haben. Bei Künstlern, die ein neues Programm vorstellen, ist es nicht anders. Manchmal kriegst du die Goldmedaille, es kann aber auch Silber oder Bronze sein. Und manchmal kriegst du auch nur Kuhgacksi. Damit muss man leben können.
Ihr aktuelles Programm „Im Glashaus“ hatte Ende September Premiere. Welche Medaille ist es denn geworden?
Ich war sehr zufrieden damit, wie es gelaufen ist. Bis auf einen Journalisten, der sieben Minuten nach der Premiere in meiner Garderobe stand und meinte: „Kann i bei dir ane tschiggen? Des is aber lang des Programm.“ Dabei hatte ich noch nicht mal ausgeschwitzt. Das hat mir energetisch wahnsinnig gut getan.
Als Künstler muss man einerseits sensibel sein, braucht aber offenbar auch eine dicke Haut. Wie halten Sie da die Balance?
Ich sage immer empfindlich. Sensibel sind eher Frauen, wir Männer sind empfindlich.
Endlich ein Mann, der das zugibt. Was tun Sie also gegen das empfindlich sein?
Ich habe ein sehr gut funktionierenden Urfamilienverband. Meine Eltern sind sehr fit, ich habe drei Brüder mit neun Neffen und Nichten, liebe Freunde und meine Partnerin Susanne an meiner Seite. Wenn wir alle aufeinander treffen, geht es wirklich nur darum, ob die Rindsroulade so gut war, wie beim letzten Mal. Man kann es sich zur 24-Stunden-Aufgabe machen, zu überlegen, was alles besser hätte sein können. Was ich auch schon getan habe. Das liegt aber zum Glück hinter mir.
Künstler können sich auch in ihren Programmen und Liedern viel von der Seele zu reden.
Ja, das hat viel mit mir zu tun und ich gebe auf der Bühne einiges preis. Trotzdem bin das in letzter Konsequenz nicht ich, sondern es ist die Bühnenfigur Viktor Gernot. Es stimmt nicht alles, was ich auf der Bühne sage. Aber alles, was ich in diesem Interview sage, stimmt selbstverständlich.
Viktor Gernot
Dann verraten Sie mir ganz ehrlich, wie es ist, mit Sängerinnen wie Nicole auf der Bühne zu stehen.
Ich bin mit vielen Sängern aufgetreten, darunter Nicole, Roy Black, Chris Roberts oder Rocco Granata. Ich war damals Bassgitarrist in einer Tanz- und Kommerzband, die des Noten Lesens mächtig war. Das hatte sich herumgesprochen. Und wenn ein deutscher Schlagersänger in Österreich einen Zeltfestauftritt hatte und eine Band gebraucht hat, waren das wir.
Stehen Sie auf Schlagermusik?
Das werte ich noch als vorhochprofessionelle Zeit. Ich stehe seit 1982 als Musiker auf der Bühne, aber das 25-Jahr-Jubiläum, das ich heuer feiere, beziehe ich auf die Jahre 1988/89, als ich meinen Abschluss am Konservatorium gemacht habe. Ich habe vier Jahre Musical, Operette und Chanson studiert und mit der Bühnenreife abgeschlossen. Ich wollte immer auf der Bühne stehen, aber die Begleit- und Tanzmusikerzeit musste ich beenden, weil ich irgendwann psychosomatische Zustände davon bekommen habe.
Was ist passiert?
Ich hatte starke Schwindelanfälle und ein sehr schlechtes Körpergefühl. Dann wurde mir klar, dass das immer dann auftritt, wenn ich wieder irgendwo im nördlichen Waldviertel auf einer Festzeltbühne stehen muss. Deshalb habe ich aufgehört, meine Ausbildung gemacht und nur im kleinen Rahmen für wenig oder kein Geld gespielt. Das war es wert. Wenn ich mit der Band weitergemacht hätte, wäre ich jetzt wahrscheinlich tot oder ich hätte 120 Kilo, sehr viele geplatzte Äderchen auf der Nase oder wäre ein unglaublicher Zyniker geworden.
Ist die Schlagerwelt echt so schlimm?
Die Schlager-, und Volksmusikwelt kann man meiner Meinung nach nur überleben, wenn man ein Zyniker oder ein Thor ist. Dazwischen gibt es nichts. Ich habe von Festwirten bis zu Schlagerstars sehr viele unglückliche Menschen kennengelernt. Das ist für mich kein gesundes Business. Auch wenn man vom Vogerl singt, das auf dem Baum vor der Hütte sitzt. Sehr viele lassen sich davon emotionalisieren, aber wenn man halbwegs einen literarisch musikalischen Anspruch hat und 30 Jahre auf solche Themen reduziert wird, kriegt man irgendwie einen Ausschlag.
Sie hingegen können sich über Abwechslung nicht beschweren, sind Kabarettist, Sänger und Moderator.
Ich werde oft gefragt, was ich am liebsten mache. Mir gefällt die Abwechslung. Nach einem intensiven Kabarettblock spiele ich gerne ein paar Konzerte mit meiner Band oder bin froh, wenn ich ein, zwei Aufzeichnungen für „Was gibt es Neues“ mache. Das ist ein luxuriöser Zustand.
Sie könnten noch ein Buch schreiben wie Ihr Bühnenkollege Michael Niavarani.
Der Nia ist mit seinem Buch „Vater Morgana“ schwanger gegangen. Ich kannte die Geschichte schon Jahre vorher, das musste aus ihm raus. Ich muss da aber erst befruchtet werden. Die 190. Künstlerbiografie eines noch nicht ganz 50-Jährigen interessiert mich jetzt als Konsument nicht. Und ich mache lieber Sache, die ich mir selbst auch gerne ansehen würde.
Ihre gemeinsamen Kabarettprogramme haben sehr viele Menschen interessiert. Wird es eine Fortsetzung geben?
Die Arbeit mit dem Nia war irrsinnig intensiv, weil auch die Publikumsresonanz so irrsinnig gut war. Alleine in Wien hatten wir im Kabarett Simpl in einer Saison 50.000 Zuschauer. In den Bundesländern sind dann noch einmal 50.000 dazugekommen. Dass ist dann wirklich Powerplay und da geht man dann auch in einer Freundschaft in Dankbarkeit und Liebe auseinander. Nach dem ersten Programm haben wir auch fast drei Jahre Pause gemacht und wussten zuerst gar nicht, ob es ein zweite geben wird.
In einigen Medien war allerdings von Trennung zu lesen.
Im letzten halben Jahr waren wir drei Mal essen. Wenn wir einander sehen, haben wir seit 25 Jahren die größte Hetz’. Wir telefonieren auch unregelmäßig. Von Trennung ist also kein Wort war.
In einigen Medien konnte man das lesen.
Es würde sich niemand scheiden lassen, wenn Paare das machen würden, wie der Nia und ich. Eine Zeit lang durchpowern und es danach ruhiger angehen, wo jeder seine Dinge macht. So kriegt man wieder Lust aufeinander und fällt auch irgendwann wieder übereinander her.
Es kristallisiert sich noch ein Job für Sie heraus: Beziehungsberater.
Ja genau. Als solcher empfehle ich: Getrennte Schlafzimmer, getrennter Urlaub, getrennte Kassen – und das Glück ist in deinem Heim eingezogen.
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