Ein romantischer Auftakt für den Besuch einer der faszinierendsten Genussmetropolen Frankreichs, die sich in den letzten Jahren gewandelt hat wie keine zweite. Schönstes Beispiel: Der Miroir d’eau, der wie ein gigantischer Spiegel die historischen Fassaden des Place de la Bourse (Börsenplatz) abzeichnet – und gleich dazu den Himmel über Bordeaux. Mit seinen Maßen von 130 mal 42 Metern ist es das größte Reflexionsbecken der Welt. Magisch zieht es Menschen an, Instagrammer wie Weintouristen; aber selbst die Bordelaiser sind ganz verliebt in das flache Granitbecken, das sich innerhalb von drei Minuten komplett mit Wasser füllt. Dann beginnt ein poetisches Spiel: Aus 900 Düsen schießen feinste Nebelschwaden in die Höhe.
Wasser und Wein, das sind die beiden Fixpunkte, um das sich das Leben der neuntgrößten Stadt Frankreichs im Südwesten der Republik dreht. Nur etwa 45 Kilometer vom Atlantik entfernt, breitet sich hier schon die würzige Seeluft aus; die Garonne zieht sich in einem weiten Bogen durch die Stadt. Sie ist die Lebensader, der man mit der neugestalteten Uferpromenade geradezu eine Liebeserklärung gemacht hat. Die Idee, heruntergekommene Hafenbezirke und Uferanlagen zu reaktivieren und umzunutzen, ist nicht neu. Aber Bordeaux hat es besonders gut gemacht, und es gelang der Stadt so, den Bewohnern ein ganz neues Lebensgefühl zu geben: Endlich dreht die Metropole dem Fluss nicht mehr den Rücken zu. Und Bordelaiser wie auch Touristen haben die Quais mit dem üppigen Grün und der stimmungsvollen Beleuchtung schnell für sich als Freizeitquartier, Flaniermeile, Veranstaltungsort und Joggingstrecke in Beschlag genommen.
Aschenputtel ist aufgehübscht
Kaum vorstellbar, dass hier mal vor nicht allzu langer Zeit eine mehrspurige Straße verlief und damit die Altstadt fast unüberwindbar vom Fluss trennte. Kaum zu glauben, dass Bordeaux damals eher mausgrau war, mit einer düsteren Atmosphäre, ständigem Verkehrschaos und heruntergekommenen Altstadtvierteln. Alain Juppé, Frankreichs Ex-Premier- und Ex-Außenminister und bis 2019 viele Jahre lang Bürgermeister von Bordeaux, ließ die Fassaden der prächtigen Barockpaläste und großbürgerlichen Häuser aus der Mitte des 18. Jahrhunderts einer Auffrischungskur mit Sandstrahlreiniger unterziehen und verordnete der Hauptstadt der früheren Region Aquitanien ein Facelifting der besonderen Art.
Nun strahlt die Stadt etwas Heiteres, Fröhliches, Beschwingtes aus und an diesem Image wird kräftig weitergefeilt. Das macht jeder auf seine Art. Julien Cruège zum Beispiel in seinem gleichnamigen Restaurant: An dem geht man zunächst achtlos vorbei, so unscheinbar ist die Gartenpforte an der Rue Turenne. Dahinter verbirgt sich aber ein lauschiger, begrünter Innenhof, in dem man unter alten Bäumen und zwischen bequemen Gartensesseln an 35 Plätzen schlemmen darf. Das sympathische Ehepaar Myriam und Julien Cruège setzt hier einen funkelnden Stein ins Bordelaiser Gourmetmosaik. Das stylish mit bunten Charles-Eames-Stühlen und schwarz lackierten Tischen eingerichtete Restaurant dahinter gehört seit Jahren zu den angesagtesten Adressen der Stadt, die Küche von Julien Cruège zu den überraschendsten. Ein Restaurant mitten in einer reinen Wohngegend mit zweigeschoßigen Häusern? Ein solch gutes dazu? „Ich bin hier im Viertel aufgewachsen und wohne quasi nebenan“, erklärt der reisebegeisterte Koch. „Die Aromen meiner Kindheit wie Entenstopfleber, Austern aus dem Bassin d’Arcachon, Käse aus dem Périgord – die sind mein gastronomisches Gedächtnis.“ Und die mixt der attraktive Mann mit einer Fülle von Geschmacksideen aus aller Welt.
Der Geist des Weines
Was wird dazu eingeschenkt? Natürlich Weine, die vor Bordeaux’ Haustür wachsen. Wer mehr darüber erfahren will, hat hier dazu die beste Gelegenheit: Auf dem Weinfest Fête le Vin, bei dem Bordeaux alle zwei Jahre im Sommer zur Welthauptstadt des Weins wird (nächster Termin: 23. bis 26. Juni 2022). Auf einer Route des Vins von zwei Kilometern Länge auf den Quais zwischen der Bourse Maritime und der Pont de Pierre lassen sich dann um die 80 Appellationen von Bordeaux und Aquitanien entdecken. Winzer erzählen von ihren edlen Tropfen, und natürlich kommt man nicht darum herum, das eine oder andere Glas zu probieren.
Aber auch außerhalb der Sommersaison bieten sich in Bordeaux gute Gelegenheiten, den Geist des Weines zu entdecken. Zum Beispiel im L’intendant – DER Wein-Institution in der Stadt: Hier winden sich 15.000 Flaschen aus 2.000 klassifizierten Châteaux entlang einer zwölf Meter hohen Wendeltreppe. Alle käuflich! Wer eine Etage tiefer in die Genusswelt steigen will, belegt einen Kurs in der Weinschule École du Vin Bordeaux. Hier lassen sich sogar Profis weiterbilden. Aber auch Einsteiger kommen bei den informativen und genussvollen Unterrichtseinheiten (es darf probiert werden!) auf ihre Kosten.
Vor fünf Jahren setzte Bordeaux auch endlich seinem berühmtesten Produkt ein Denkmal. Und was für eins! Einen Tempel für den Geist, der die ganze Region beflügelt: Das Weinmuseum Cité du Vin – ein spektakulärer Bau mit gläsernem Turm, in dessen Spitze eine Aussichtsplattform DEN Panoramablick über Bordeaux und das angrenzende Weinanbaugebiet schlechthin bietet. Im Inneren des futuristischen Gebäudes gehen Besucher auf eine Entdeckungsreise von der Antike bis zur Gegenwart: Von den Böden Mesopotamiens bis zur Bucht von San Francisco, von den Kieskuppen des Bordelais zu den Ebenen Australiens. Die Cité du Vin am Ufer der Garonne kombiniert auf 3.000 Quadratmetern Museumserlebnis und Unterhaltung in einem spielerischen und sensorischen Multimedia-Parcours zum Thema Wein. National Geographic setzte es gleich auf Platz sieben im Ranking der weltweit besten Museen. Was für eine Auszeichnung!
Auch von außen ist es eine Sensation: Die Architektur von Anouk Legendre und Nicolas Desmazières aus dem Pariser Architekturbüro XTU erinnert an den Schwung, den der Wein nimmt, wenn er im Glas geschwenkt wird. Aufregend!
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