Verführung nach Noten

Verführung nach Noten
Michael Douglas als Piano-Paradiesvogel Liberace ist total oscarwürdig. Schade, dass er keinen bekommen wird. Denn er wurde dafür schon mit einem Emmy ausgezeichnet.

Zu viel des Guten ist wundervoll“, war sein Motto. Liberace, der Rudolph Moshammer der leichten Muse, gefiel sich in der Maßlosigkeit. Als Sohn einer Mutter aus der Heimat Chopins trimmte er die Klassische Musik in den 1970er-Jahren auf üppigen Las Vegas-Style. Zwanzig Jahre zuvor gewann er sieben Mal hintereinander die Auszeichnung für den schnellsten Klassikpianisten der USA. Ja, der Mann konnte was. Vor allem als Wunderkind. Da gab er Tausende Noten in zwei Minuten korrekt wieder.

Mit nur zwölf Jahren war er Solist beim Chicago Symphony Orchestra. Später trug er Chinchillapelz und nannte sich „The Glitter Man“.Seien wir ehrlich: Im Vergleich zu all den Extravaganzen des 1919 in West Allis, Wisconsin, geborenen Wladziu Valentino Liberace kam Elvis wie ein Waisenknabe daher, ein überdimensionaler. Dass nun Super-Macho Michael Douglas („Basic Instinct“) fürs Kino den Fummel des parfümierten Entertainers überwirft, ist Sensation Nummer eins.

Ausgerechnet jener Schauspieler, dem eine Sex-Sucht angedichtet wurde, lässt sich von Regisseur Steven Soderbergh („Sex, Lügen und Video“, „Erin Brokovich“) als alternder Geck vorführen, der sein Leben lang ein Faible für sehr junge Männer hatte. Kann das gut gehen? Es geht. Es rennt. Es rinnt – auch Blut. Denn am Höhepunkt der grotesken Lovestory zwischen einem Egozentriker und seinem Toyboy (ebenso genial besetzt: Matt Damon) geht es darum, wie rasch und effektiv Schönheits-OPs aus dem Liebhaber einen „Liberace II“ machen können. Kaum weniger sensationell ist, dass „Liberace“ bei uns im Kino zu sehen ist, obwohl die spektakuläre Musikerbiografie eigentlich für das Fernsehen – den US-Kabelsender HBO – gedreht wurde. Aber in der Neuen Welt herrschen zum Glück andere Gefühle. Dort schien die Story fürs Kino zu homoerotisch. Egal. Seit der HBO-Serie über den Mafiaclan „The Sopranos“ aus New Jersey weiß man auch in Europa, was man am amerikanischen Fernsehen hat: Erste Güte.

Dass Michael Douglas zugleich erste Wahl für diese Rolle war, erstaunte sogar ihn selber. „Als Steven Soderbergh vor Jahren zu mir sagte, ich sähe aus wie Liberace, fragte ich skeptisch, wie denn das nun gemeint sei?“, ließ Douglas über seine wohl unorthodoxeste Besetzung am Rande der Premiere bei den Filmfestspielen in Cannes fallen. Liberace starb im Februar 1987 an Aids, zwei Jahre nach Rock Hudson, zu einer Zeit also, als es in der Showbranche als geschäftsschädigend galt, sich als Homosexueller zu outen. Michael Douglas bringt sogar intime Kenntnis über das bizarre Verhalten des damals erfolg­reichsten Entertainers der Welt mit. Als Jugendlicher erlebte er ihn als schrillen Gastgeber bei einer seiner Partys. „Als mein Vater ein Haus um die Ecke von ihm in Palm Springs hatte, habe ich ihn zwei- oder drei Mal persönlich getroffen“, erinnert sich der Schauspieler, der mit Steven Soderbergh schon für den Drogen-Thriller „Traffic“ zusammengearbeitet hat.

Liberace hatte ein unheimlich feines professionelles Gespür für alles, was Entertainment war. Mehr noch als seine spektakulären Auftritte in Las Vegas waren es natürlich seine Fernsehshows, die ihn weltweit bekannt machten. Ich glaube, er war der Erste, der direkt in die Kamera sprach. Das war eine seiner größten Fähigkeiten: die Leute dahin zu bringen, wo er war. Er wollte die Leute wirklich glücklich machen – damit hat er die Herzen aller gewonnen.“

Besonders das Herz von Scott Thorson, einem Waisenknaben, der zum Lebensgefährten des Entertainers wird. Auf seinem Erinnerungsbuch basiert das Skript von Richard LaGravenese („Der Pferdeflüsterer“). Die ungleiche Männerliebe gipfelt in einem Rosenkrieg, in dem der dann verschmähte Liebhaber Liberace Anfang der 1980er-Jahre auf Unterhaltszahlungen in der Höhe von 112 Millionen Dollar klagt – ein damals schlicht obszön hoher Betrag. Im Original heißt der Film „Behind the Candelabra“. Hinter dem Kandelaber, dem Kerzenständer mit den echten Kerzen – das Markenzeichen des flamboyanten Musikers – entpuppt sich Liberace trotz allen Reichtums und Glitters als einer der einsamsten Menschen des Showgeschäfts. Man spürt das nicht nur am Ende, wenn die Lichter erlöschen, sondern auch im Auftritt einer anderen Hollywoodlegende. Debbie Reynolds (Singin’ in the Rain) verkörpert die Mutter Liberaces, die sich ganz und gar nicht an den Glamour des Sohnes gewöhnen will.

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