Girls: Nah am Leben

v.l.n.r.: Hannah Horvath (Lena Dunham), Jessa Johansson (Jemima Kirke), Marnie Michaels (Allison Williams) und Shoshanna Shapiro (Zosia Mamet). Am 16.4. ist die TV-Premiere der dritten Staffel von "Girls" im deutschsprachigen Raum auf den TV-Sendern glitz* und glitz*HD.
Schon bald startet die dritte Staffel des US-Serienhits „Girls“ im deutschen Fernsehen. Zeit, sich das Phänomen näher anzusehen. Die Faszination ist leicht erklärt. Das Leben wird gezeigt, wie es ist: Ungeschminkt, unglamourös und unvorhersehbar.

Serien, die im Titel das Wort „Girl“ tragen, sind Menschen, die glauben, erwachsen zu sein, ein Gräuel. „Gilmore Girls“, „New Girl“, „Gossip Girl“: Das klingt schwer nach Kleinmädchenkram! Nun ist es aber so, dass sich die Indizien für die Existenz einer neuen Kultserie aus Amerika, die ausgerechnet „Girls“ heißt, immer mehr erhärten. 2013 wurde sie mit zwei „Golden Globes“ für die beste TV-Serie und die beste Darstellerin geehrt. Und Lena Dunham, so ihr Name, ist nicht nur deshalb endgültig ganz oben angekommen. Obwohl weder besonders schön noch besonders sexy, ziert sie das aktuelle Cover der „Vogue“. Oberflächlich betrachtet, sieht sie aus wie das nette Mädchen von nebenan, das bei genauem Hinsehen aber viel mehr auf dem Kasten hat. „Girls“, die Geschichte um vier Freundinnen in New York, stammt aus ihrer Feder, Dunham führt auch noch Regie und produziert die Serie. Als wäre das nicht genug, ist der 27-jährige Shootingstar gerade dabei, eine Produktionsfirma zu gründen, Dokus zu drehen und ein Buch zu schreiben. „Ich wünschte, ich könnte einen ordentlichen Stundenplan präsentieren“, sagte sie dem Magazin Spiegel. „Aber ehrlich gesagt stopfe ich die Jobs dort hin, wo sie gerade reinpassen.“ Random House ließ sich Dunhams Buch 3, 5 Millionen Dollar kosten – angeblich. Ende September kommt „Not that Girl: A Young Woman Tells You What She’s Learned“ in Amerika auf den Markt. Da lohnt sich der Arbeitsstress allemal.

In den USA feierte „Girls“ im April 2012 auf „HBO“ Premiere, ein paar Monate später startete die synchronisierte Fassung auf „Glitz“, einem Sender, den kaum jemand kennt. Doch Dunhams Fotoshooting mit der „Vogue“ und dem in den Medien kolportierten Skandal um ihren mit Photoshop bearbeiteten Körper, schlug nun so hohe Wellen, dass sich viele die bereits ausgestrahlten beiden Staffeln auf DVD besorgten. Die erste Szene zeigt Hauptfigur Hannah, gespielt von Dunham, beim Dinner mit ihren Eltern. Der Appetit vergeht ihr aber, als ihr diese erklären, sie nicht mehr finanziell unterstützen zu wollen. Das Problem ist nämlich, dass die Mittzwanzigerin mit dem Berufsziel Schriftstellerin als Praktikantin in einem Verlag nicht bezahlt wird. „Wisst ihr, wie verrückt die Wirtschaft gerade ist?“, versucht sie die Eltern umzustimmen. Doch das misslingt und gibt der Serie die Chance, das Leben zu zeigen, wie es ist: unvorhersehbar, ungeschminkt und unglamourös. Davon konnte zur Zeit von „Sex and the City“, als Rezession noch kein Thema war, keine Rede sein. Damals waren die Protagonistinnen mit Selbstfindung im Luxus-Loft und der Suche nach „Mr. Right“ beschäftigt. In „Girls“ finden dagegen die Peinlichkeiten des Alltags statt – vor allem im Bett. Das Besondere: Hier sind Menschen und keine Models am Werk. Wenn Hüftgold auf Bauchspeck trifft, wird das in „Girls“ aus jedem Blickwinkel gezeigt.

Dass Dunhams Körperteile für die „Vogue“ nachbearbeitet wurden, empfanden Beobachter der Serie als Verrat, da die Serie zum Sinnbild für Authentizität geworden ist.

Imperfektion in Reinform eben, bei der die pummelige Hannah unbeholfen mit ihrem On-Off-Freund Adam schläft, die beste Freundin Marnie sich beim Sex mit ihrem einfühlsamen Freund langweilt und Mitbewohnerin Shoshanna beim Versuch, endlich ihre Jungfräulichkeit loszuwerden, kläglich scheitert. Begleitet wird die oft turbulente und mitreißende Handlung von Dialogen, von denen man manche Sätze nie mehr vergessen will. Etwa, wenn Hannah zu ihren Freundinnen sagt: „Wenn ich euch anschaue, spielt in meinem Herzen ein Song von Coldplay“, oder ihren Eltern mitteilt: „Ich bin gerade dabei, zu werden, wer ich bin.“ Das ist klug und komisch zugleich. Davon will man mehr und fiebert der dritten Staffel entgegen, in der, so viel verraten die Macher, Marnie einen Tiefschlag erleidet, Shoshanna die Freiheit ihrer Sexualität auslebt und Hannah mit Adam fürs Erste glücklich ist. Das klingt nach Happy End, Frau Dunham, oder? „Mich interessiert es nicht, die Charaktere verheiratet oder mit Kindern zu sehen“, verriet sie der „Vogue“. Ich höre mit der Show lieber zu früh als zu spät auf. Vielleicht mache ich noch drei Jahre.“ Am 16. April geht’s im deutschen Fernsehen auf „Glitz“ wieder los. Man darf sich freuen. Denn „Girls“ mag zwar nach Kleinmädchenkram klingen, ist es aber nicht.

Kommentare