Vera Russwurm über Zielstrebigkeit

Vera Russwurm über Zielstrebigkeit
Im Juni feierte Vera Russwurm ihren 30. Hochzeitstag, im September blickt sie auf 35 Jahre ORF zurück und im November wird die TV-Moderatorin 55 Jahre alt. Zeit für ein Gespräch über das Alter, eine lebendige Ehe und die Kunst, die Zeit zu nutzen.

freizeit: Frau Russwurm, im September feiern Sie Ihr 35-jähriges ORF-Jubiläum. Manche Menschen gehen nach einer so langen Zeit in einem Unternehmen in Pension. Wäre das etwas für Sie?

Vera Russwurm: Schon der Gedanke daran ist etwas Fremdes. Das Wort ‚Pension‘ existiert für mich nicht. Untätig zu sein oder mich nur noch Blumen oder Büchern zu widmen, wäre nichts für mich.

Sie haben neben der ORF-Karriere ein Medizin-Studium absolviert. Was hat Sie dazu bewogen?

Ich habe meine Fernsehkarriere nicht angestrebt. Sie wissen vielleicht, dass mich mein Vater mit einer Postkarte als Tritsch-Tratsch-Mädchen angemeldet hat. Ich wurde genommen und habe im August 1978 angefangen, in der Sendung über aktuelle Themen zu plauschen. Damals war ich Gast und noch keine ORF-Mitarbeiterin. Im Oktober habe ich das Studium begonnen, weil Fernsehen für mich lange eine zeitlich begrenzte Sache war.

Hatten Sie denn nicht von Anfang an das Gefühl, das wäre Ihr Metier?

Das schon, aber ich habe dort ehrlich gesagt keinen Platz für mich gesehen. Es gab nur Fernsehsprecherinnen und Show-Stars, die alle männlich waren. 1979 habe ich mich dann beim Casting für die neue Jugendsendung „Okay“ durchgesetzt.

Der Erfolg hat bis heute angehalten. Wie konnten Sie so lange oben bleiben?

Es haben sicher mehrere Faktoren mitgespielt. Es war eine Mischung aus Talent, dem Glück, zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein, und meiner Disziplin. Ich habe für meine Karriere auch eine gute Zeit erwischt. Fernsehen war noch kein Nebenbei-Medium und jede Hauptabendsendung hatte zwei bis drei Millionen Zuseher. Es gab ja nur FS 1 und FS 2.

Für ihre Show "VERA - bei..." besucht Vera Russwurm Prominente samt ihrem Clan an ihrem Lieblingsdomizil oder ihrer ursprünglichen Heimat.

War auch Ihre Disziplin dafür verantwortlich, dass Sie Studium und Karriere miteinander vereinbaren konnten?

Dafür gibt es ein einfaches Wort: Zeitmanagement. Ich habe damals trimedial – für Fernsehen, Radio und Zeitung – gearbeitet und nebenbei studiert. Ich bin ein totaler Zeitnutzer. Das kann ich wirklich gut. Ich habe damals auch viele Live-Moderationen in ganz Österreich und dem süddeutschen Raum gemacht. Ich bin nie selbst mit dem Auto angereist und habe mich auch nicht abholen lassen, wie es mir viele Kunden angeboten haben. Stattdessen habe ich beim Zugfahren gelernt.

Das hätten Sie doch auch machen können, wenn man Sie abgeholt hätte.

Hätte ich mich abholen lassen, wäre viel Zeit bei Gesprächen mit Menschen verloren gegangen, die ich nachher ohnehin nie wieder gesehen hätte. Die Zugfahrten waren zum Lernen optimal. Ich hatte und habe auch immer ein Buch in der Tasche, egal wo ich war oder bin. In meinem Leben gibt es eigentlich kaum Leerläufe.

Sie haben beim ORF auch Ihren späteren Mann Peter Hofbauer kennengelernt. Stimmt es, dass Ihre Beziehung mit einer Botschaft auf einer Serviette begonnen hat, die Sie ihm geschickt haben?

Das mag stimmen oder auch nicht. Das verrate ich nicht. Was ich aber sagen kann, ist, dass ich diejenige war, die heiraten wollte. Wir waren zwar ein Paar, Peter wollte aber nicht heiraten und dachte, er könne der ewige Junggeselle bleiben. Dass es anders kam, war meine „Leistung“.

Hat es Sie nie gestört, dass der Heiratsantrag nicht von Ihrem Mann kam?

Es war eben umgekehrt. Man muss wissen, was man will und dieses Ziel dann auch verfolgen.

Sie hatten damals noch keine Kinder. Warum war Ihnen eine Ehe so wichtig?

Ich war zwar erst 24, hatte aber einen guten Grund für die Hochzeit. Peter war damals in einer wichtigen Management-Position im ORF und ich war eine junge, aufstrebende Moderatorin. Mir war klar, wie die Leute über uns reden. „Er hat sich das junge Mädl aufgerissen und sie macht jetzt über ihn Karriere.“ Diese Meinung hat mir gestunken, denn das war nie meine Art. Mit der Heirat haben wir ein Statement gesetzt. So etwas macht man nicht aus Jux und Tollerei. Außerdem wusste ich, dass er der Richtige ist. Das glauben viele zu wissen, in meinem Fall hat es aber gestimmt.

Sie sind mittlerweile 30 Jahre verheiratet. Haben Sie das Jubiläum im Juni gefeiert?

Wir haben etwas gemacht, dass wir sonst nie machen, seit wir die Kinder haben: Wir waren ein paar Tage alleine in Tropea in Süditalien auf Urlaub.

Warum nur ein paar Tage?

Es war mir immer wichtig, bei den Kindern zu sein. Zwei unserer Töchter sind schon außer Haus, aber Anabel, unsere Jüngste, ist erst 15. Ich wollte nicht so lange weg, auch wenn sie keinen gesteigerten Wert mehr darauf legt, dass die Mama zuhause ist. Die Zeit, in der Kinder ihre Eltern brauchen, ist kurz. Da muss man Prioritäten setzen.

Viele Paare haben nach dem Auszug der Kinder zu viel Zeit füreinander. Könnte das in Ihrer Ehe ein Problem werden?

Im Gegenteil. Mein Mann und ich hatten immer das Gefühl, zu wenig Zeit füreinander zu haben. Wir haben viel zu besprechen, weil er beruflich auch spannende Sachen macht. Außerdem haben wir eine Hetz’ zusammen. Ich habe Paare, die getrennt verreisen, weil sie ihren Freiraum brauchen, nie verstanden. Ich würde auch nie allein wegfahren wollen, weil ich immer alles Schöne mit jemandem teilen und gemeinsam genießen möchte.

Das klingt nach viel Harmonie.

Die Harmonie haben mir sicher meine Eltern vorgelebt. Sie haben heuer ihren 61. Hochzeitstag gefeiert, haben keine getrennten Schlafzimmer und machen einander immer wieder kleine Aufmerksamkeiten. Mein Vater zeichnet oder bastelt gerne für meine Mutter. Sie mögen sich spürbar noch.

Kennen Sie das auch von Ihrem Mann?

Basteln kann er nicht. Aber wenn ich einmal spät heimkomme, wartet oft ein Glas Rotwein auf mich, samt Zweizeiler oder Gedicht. Sich zum Geburtstag zu beschenken, ist leicht. Wir überraschen uns auch im Alltag mit Kleinigkeiten – einfach so. Das hält unsere Ehe lebendig.

Gab es Zeiten, in denen das anders war?

Als die Kinder noch klein waren, hatten wir wenig Zeit füreinander. Jede Ehe hat Höhen und Tiefen. Da muss man durch. Ich lasse das jetzt so im Raum stehen.

Apropos im Raum stehen: Im November werden Sie 55. Beschäftigt Sie Ihr Alter?

Nein, warum auch? Ich gehe davon aus, dass ich mindestens 100 werde. Also habe ich noch das halbe Leben vor mir.

Im Fernsehen spielt Aussehen aber eine große Rolle. Sie sehen fantastisch und sehr natürlich aus. Haben Sie je über Verjüngungsmaßnahmen nachgedacht?

Ich muss ehrlich sagen, dass ich schon über ein kleines Botoxspritzerl in die Stirn nachgedacht habe. Aber mein Mann will das überhaupt nicht. Ich darf da gar nichts machen lassen. Man muss mich also nehmen, wie ich bin. Das ist bei der neuen HD-Technologie, wo man jede Falte sieht, zwar brutal, aber dann können die Leute wenigstens sagen: „Schau, die Vera hat auch Falten.“ Das ist doch irgendwie zufriedenstellend.

Darf ich fragen, wie man nach drei Geburten so eine Figur behält?

Ich habe auf Anraten einer Physiotherapeutin immer bereits am zweiten Tag nach der Geburt meiner Kinder mit der Rückbildungsgymnastik angefangen. Das ist drei Mal so effizient, als wenn man erst zwei Monate später damit loslegen würde. Es war hart, aber mit der Zeit wird es leichter, weil man auch an Kraft gewinnt. Nach dem dritten Kind war meine Bauchdecke trotzdem etwas gedehnt. Auch das wollte ich mir richten lassen, aber mein Mann wollte auch das partout nicht.

Wie lange können Sie sich eigentlich noch vorstellen, zu moderieren?

Solange mich die Menschen sehen wollen. Aber ich könnte mir vorstellen, auch mit 90 noch vor der Kamera zu stehen. Es gibt ja auch DJ-Omis, die sehr gut ankommen. Ich glaube, die Zuschauer würden es annehmen, wenn ein älterer Mensch eine Jugendsendung moderieren würde. Das wäre hipp.

Sie hatten auch schon Angebote, in die Politik zu gehen. Haben Sie es je bereut, diese nicht angenommen zu haben?

Es hätte mich gereizt, aber die Angebote kamen immer zur falschen Zeit. Ich hätte mir nie verziehen, ununterbrochen von den Kindern weg zu sein.

Würde Sie so eine Chance heute noch reizen?

Wenn man ein Job-Angebot bekommt, bei dem man etwas bewegen kann, ist das immer eine Option. Ich bin gerne aktiv und weiß viel. Aber ehrlich gesagt fühle ich mich als Moderatorin wirklich wohl.

Vera Russwurm, 54, wuchs als Tochter einer Zahnärztin und eines Architekten in Wien auf. Ihre Fernsehkarriere startete sie als 18-Jährige, nachdem ihr Vater sie per Postkarte als „Tritsch-Tratsch-Girl“ angemeldet hatte. Beim Casting beantwortete sie die Frage, was sie hier wolle mit: „Nix!“ und wurde engagiert.

Russwurm absolvierte auch ein Medizinstudium und erhielt mehrere Angebote aus der Politik. Zuletzt hat man ihr 2007 vorgeschlagen, Gesundheitsministerin zu werden, was sie aber ihrer Familie zuliebe ablehnte.

Russwurm ist seit 1984 mit „Metropol“-Chef Peter Hofbauer verheiratet, mit dem sie drei Töchter hat. Ab 6. September ist sie mit ihrer Talkshow „Vera bei ...“ wieder im ORF zu sehen, in der sie Prominente zuhause besucht.

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