Traumschiff

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Zwischen Wüsten, Weihrauch und Wolkenkratzern. Unterwegs auf der MS EUROPA 2, dem elegantesten Schiff der Weltmeere.

Ich kam ins Wohnzimmer meiner Großeltern und auf dem Sofa saß Horst Tappert. Er hatte vor, im Keller in die Sauna zu gehen. Ich leistete ihm Gesellschaft und wir unterhielten uns nett und nackt. In der Sauna behielt er die Brille auf und ich konnte nicht anders, als mir vorzustellen, er würde mich als Kommissar Derrick in der Hitze verhören. Eine Begegnung im neuen Roman von Joachim Meyerhoff.

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Statt in der Sauna auf dem luxuriösesten Kreuzfahrtschiff der Welt zu schwitzen, liege ich auf der Veranda meiner Ocean Suite und lese die bizarr-brillanten Erinnerungen des Burgschauspielers an seine Großeltern. Während er an der Schauspielschule lernen soll,mit den Brustwarzen zu lächelnund eine Rolle aus FontanesEffi Briest als Nilpferd zu spielen, erholt er sich in der Villa der nicht unbizarren Großeltern. Abends versinkt man gemeinsam auf dem opulenten Sofa in Rotwein.Luxus pur. Statt reitend auf dem Kamel, schnorchelnd als Perlentaucher, statt einer Wüstensafari im Jeep, oder einer Runde im Wasserflugzeug über Abu Dhabi, bleibe ich heute an Bord. Aber statt mit dem Herrn aus Hamburg am Golfsimulator zu üben, statt dem Shuffleboard-Turnier mit den netten Schweizern, statt am Hummer-Kochkurs mit den sehr blonden, durchaus attraktiven Damen aus dem Allgäu teilzunehmen, schau ich einfach aufs Meer. Wasser, nur Wasser. Luxus pur. Zwischendurch erzählt mir Joachim Meyerhoff von seiner Oma, der schillernden Schauspiel-Diva, deren Tag exakt in fünfEtappeneingeteilt ist: Champagner/ Weißwein/Whisky/Rotwein/Cointreau. Keine Frage, auch auf der MS EUROPA 2 kann man leicht in Stimmung kommen. Es muss ja nicht gleich KrugClos du Mesnil-Champagner für 960 Euro sein. Herrlich herbes Jever-Pils und danach ein Flascherl Bründlmayer. Grüner Veltliner aus Langenlois – unterwegs in der Welt von Tausendundeiner Nacht. Zwischen Wüsten, Wolkenkratzern und Weihrauch. Eine Woche von Dubai nach Dubai. Wo früher noch von denDhow-Holzkähnen – mit einem Nasenclip als einziger Ausrüstung – Perlentaucher mehr als drei Minuten lang in den dunklen Tiefen des Meeres verschwanden, sind heute künstliche Inseln mit luxuriösen Villen und Hotelanlagen aufgeschüttet. Immer mehr Land für protzige Neubauten wird dem Meer abgetrotzt.

Wo noch vor weniger als 50 Jahren Nomaden unterwegs waren, hört man heute Herren unter sengender Sonne scherzen, Golf ist der größte Spaß, den man mit angezogener Hose haben kann. Oder Touristen fühlen sich beim Dune Bashing jenseits der Mega-Wolkenkratzer für ein paar Stunden als Abenteurer – während sie in wagemutigen Manövern über die bis zu 300 Meter hohen Dünen preschen. Der kuriose Wandel der Emirate, die das Erdöl unfassbar schnell unfassbar reich gemacht hat – rund 70.000 Dollar-Millionäre leben allein in Dubai – ist an Rasanz nicht zu überbieten. Erst vor 30 Jahren gab es den ersten Linienflug – EK 600 startete von Dubai nach Karachi. Heute sitzt in der Business Class manchmal ein Falke neben seinem Besitzer. Bauern und Beduinen brachten noch vor wenigen Jahrzehnten ihre Waren mit Eseln und Kamelen zum Markt. Heute fühlt man sich auf den achtspurigen Dubai-Highways zur Rush Hour wie in Los Angeles. Bis 2020 sollen mehr als 20 Millionen Touristen jährlich kommen. Trotz der Finanzkrise und der gedrosselten Ölproduktion träumt man von Dubai als Welthauptstadt des 21. Jahrhunderts. Hier kann man zusehen, wie Utopien in den Himmel wachsen. Hoch, höher, Burj Khalifa – der Wolkenkratzer hat erneut einen Rekord aufgestellt: Auf dem höchsten Gebäude der Welt ist die höchste Aussichtsplattform der Welt eröffnet worden. In 555 Metern Höhe.

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Und auch der Konsumrausch wird hier auf die Spitze getrieben: Die gigantischen Shoppingmalls locken vor allem Saudis in die Kathedralen des Luxus.In derDubai Mall gibt es eine kaum zu überbietende Inszenierung mit mehr als 1.200 Geschäften, 100 Restaurants und der weltweit größten Eislaufbahn. Und ein Zehn-Millionen-Liter-Mega-Aquarium mit 35.000 Meeresbewohnern. 32 riesige Tigerhaie ziehen – durch ein dreiviertel Meter dickes Spezialglas von den Kaufsüchtigen geschützt – monoton ihre tristen Runden. In der Mall of the Emirateskann man beiCamel-Burger, einem Kamelmilch-Shake undArab-Techno-Klängen eine Winter-Wunderwelt betrachten: Doch die riesige Indoor-Skiarena, wo mehr als 20 Tonnen Kunstschnee pro Nacht fallen, ist im Zentrum der bizarren Rekorde längst zu klein.
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Der 18 Milliarden Dollar schwere Scheich Muhammad bin Rashid will, dass sich Dubai wieder einmal selbst übertrifft: Eine noch größere Skihalle mit einer Piste von 1,2 Kilometern Länge wird gebaut. Dabei ist der Herrscher des Emirats in tiefer Trauer: Sein geheimnisumwitterter 33-jähriger Sohn, der Prinz, Playboy und Polospieler Rashid, starb vor kurzem an einem Herzinfarkt. Die britischeDaily Mail berichtet von Drogen als Todesursache. Ein wohltuender Kontrast zu uferlosem Bau-Boom, protzigen Hotelanlagen, Shopping-Wahnsinn und Eislaufen bei mehr als 40 Grad Außentemperatur, ist die Stadt Maskat. Hier erlebt man noch Spuren aus 1001 Nacht. Das seit Urzeiten von Händlern und Seefahrern bewohnte Sultanat Oman erinnert mit jahrhundertealten Festungsbauten an früher. ImMatrah Soukvon Maskat, dem ursprünglichsten Basar der arabischen Halbinsel, scheint die Zeit still gestanden zu sein. Im Gewühl rund um den Hauptplatz, wo früher Frauen vom ersten Stock aus den Männern durch Luken in der Holzverkleidung Kaufanweisungen gaben, findet man Gewürze, Schmuck und orientalische Parfüm-Mischungen, deren Duft in den Harems sinnliche, sündige Atmosphäre verbreitete. Die Golffreunde rund um einen deutschen Sportkommentator sind heute an Bord geblieben. Sie lassen sich am Sonnendeck Currywurst servieren, der Kaviar von gestern Abend liegt ein wenig im Magen … Die illustre Runde versäumt die Besichtigung der Formel-1-Strecke von Abu Dhabi. Wo sonst Hamilton und Rosberg ihre Runden ziehen, ist es jetzt ruhiger, das lauteste Geräusch ist das Klicken der Schaltung: Viele Hobby-Sportler sind 5,5 Kilometer vorbei an Boxengasse und Tribünen unterwegs – in Abu Dhabi hat man die Liebe zum Fahrrad entdeckt. Als Kontrast der Besuch der größten Moschee der Emirate, an der 52 Architekten ihre Visionen verwirklicht haben. Hier zählen nur Superlative.
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Wie eine Fata Morgana ragt dieScheich-Zayed-Moschee, in der 24 verschiedene Marmorarten für die 82 Kuppeln und 1.096 Säulen verarbeitet wurden, in der flirrenden Sonne Abu Dhabis in den Himmel. Dagegen wirkt der Taj Mahal wie ein bescheidenes Bauwerk. Der größte handgemachte Teppich der Welt – 1.200 iranische Weberinnen haben 38 Tonnen Wolle verknüpft – hat 2,2 Milliarden Knoten auf mehr als 5.600 m². Der gigantischste Luster der Welt hängt unter der 70 Meter hohen Kuppel. Seine bunten Swarovski-Kristalltropfen wiegen zusammen zehn Tonnen. Auf den Böden und an den Wänden Blumengirlanden. Aus kostbaren Halbedelsteinen. Erschöpft von diesem prunkvollen Wahnsinn, wieder zu Hause auf der MS EUROPA 2, heißt es It’s Waffel Time: Bei manchen Gästen glaubt man, sie unternehmen die Kreuzfahrt nur wegen ihrer Waffel-Leidenschaft. Was auf hoher See in einen Körper nach einem üppigen Buffet-Frühstück, dem reichlichen Mittagessen und knapp vor dem Diner so alles reingeht – Waffeln mit Eis, Waffeln mit Krokant, Waffeln mit Haribos, Waffeln mit … Einmal gab’s raue See. Windstärke sieben habe ich – ein nicht extrem mutiger Seebär – gut überstanden. Auf der Nacht-Passage von Abu Dhabi nach Katar wurden die beiden Stabilisatoren ausgefahren, die bei seitlichem Wellengang die Rollbewegung des Schiffes abschwächen. Damit die Passagiere nach einigen Nightcups in derSansibarhalbwegs ruhig ruhen können. Und wer gar nicht einschlafen konnte, sah sich möglicherweise auf dem Suiten-iPad einen der 281Derrick-Krimis an. Vielleicht jene Folge, in der ein Unternehmer in der Sauna erschossen wird.
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