Traumhaftes Transsilvanien

June 2009, Sighisoara, Romania --- People dining in Cetatii Square, with a clock tower in the background, Sighisoara, Romania --- Image by © Marco Cristofori/Corbis
Versteckt in Südosteuropa liegt eine Gegend von außergewöhnlicher Schönheit: Siebenbürgen. Die unberührte Natur und die mystischen Burgen faszinieren auch Prinz Charles. Er behauptet, ein Nachfahre von Vlad Tepes alias Dracula zu sein.

Unterwegs in Siebenbürgen, dem sagenumwobenen Transsilvanien, von Hermannstadt nach Schäßburg. Das Gepäck im Kofferraum hochgestapelt bis auf Genickhöhe, die Sicherheitsgurte klemmen, aber die Straße, auf der wir fahren, ist einwandfrei. Wenn man ein Land nicht kennt, hat man viele Vorurteile im Kopf. Und Rumänien hat leider nicht den besten Ruf.

Es ist die Reise meiner Eltern, die 1965 ausgewandert sind – mit vier Kindern an der Hand, mich gab’s noch nicht. Das Ziel war Amerika. So weit kamen sie nicht, doch das ist eine andere Geschichte. Nach fast fünfzig Jahren haben sie es nun geschafft, das erste Mal den Weg zurückzufinden. Auch Zweifel sind dabei: Wird alles fremd sein, traurig, elend und hoffnungslos? Die ersten Bedenken zerplatzen bereits nach wenigen Kilometern wie eine Seifenblase unter der heißen Sonne. Die sanften Hügel, das satte Grün, die Weite der Natur sind unfassbar schön, der rumänische Fahrer von einer ungekünstelten Freundlichkeit, die uns sofort das Gefühl gibt, willkommen zu sein.

Eingebettet in die idyllische Karpatenlandschaft befindet sich Siebenbürgen immer noch im Umbruch und droht verloren zu gehen. Nach der Öffnung Rumäniens, 1990, hat jeder, der konnte, das Land verlassen. Das Ceauşescu-Regime hatte die Menschen mürbe gemacht. Auch die Siebenbürger Sachsen, die deutschsprachige Minderheit, zu der meine Familie gehört, kehrten nach ihrer bewegten 800-jährigen Geschichte ihrem Zuhause den Rücken. Es war wie ein Exodus, plötzlich waren alle weg. Zurück blieben leere Häuser und Dörfer.

Das mittelalterliche Schäßburg, rumänisch Sighişoara, mit seinen sympathisch-bunten Fassaden wirkt wie eine Märchenkulisse. Kaum vorstellbar, dass man kurz vor der Wende begonnen hatte, die Altstadt abzureißen, sie entsprach nicht dem kommunistischen Plan. Die Revolution kam gerade noch rechtzeitig, heute ist die Stadt UNESCO-Weltkulturerbe – ein beliebter Ort für Touristen, Hochzeitspaare und Künstler.

Anfang 2000 war dann die angrenzende „Breite“ bedroht, in dem „Hutewald“ grasten einst Rinder und Pferde. Um den Tourismus anzukurbeln, sollte ein Dracula-Park entstehen. Dafür wollte man fast 1.000 Jahre alte Eichen fällen – Baumriesen mit mächtigen Stämmen. Die Einheimischen wehrten sich und hatten prominente Hilfe: von Prinz Charles. Heute ist die „Breite“ ein Naturschutzgebiet.

Seine Königliche Hoheit ist beliebt in diesem Landstrich. Bereits 1997 entdeckte Prinz Charles seine Leidenschaft für Transsilvanien. Neben Projekten, die er unterstützt, wandert er auf seinenjährlichen Besuchen über Wiesen und Wege. Gerne in Begleitung eines Botanikers, um sich die Blumen und Pflanzen erklären zu lassen, die es in dieser Vielfalt in Europa sonst nicht mehr gibt. Der Prinz ist derart begeistert von der transsilvanischen Natur, dass er sogar den Boden geküsst haben soll. So das Gerücht, das erzählt wird – bei selbstgebranntem Schnaps, Speck und Sauerteigbrot.

Auf dem Spaziergang durch Schäßburg gehen wir an Häusern vorbei, in denen einmal Siebenbürger Sachsen gewohnt haben. Mein Vater kennt noch ihre Namen und zählt sie alle auf. Es waren viele – die Gemeinschaft der Siebenbürger war prägend, ohne gelebte Nachbarschaft nicht vorstellbar.

Heute öffnet uns eine rumänische Familie das Tor. Wir hatten telefoniert, wollen noch einmal sehen, wo meine Eltern, Brüder und Schwestern gewohnt haben, bevor sie alles hinter sich ließen. Und da ist sie wieder, die Freundlichkeit der Einheimischen.

Rund 250.000 Siebenbürger Sachsen lebten nach dem Zweiten Weltkrieg in Transsilvanien, heute sind es 13.000. Mit Folgen: Auf dem Land sind viele Siedlungen verwaist. Wir wollen eines der Bauerndörfer besuchen, kilometerlang geht es über holprige Schotterstraßen, zunächst ist im Ort niemand zu sehen, die Fenster starren uns wie leere Augen an. Der Turm der verbarrikadierten Kirche ragt trotzig in den Himmel. Auf den Stufen zum ehemaligen Gemeindehaus sitzt ein Roma-Mädchen, das uns nachschaut. Haben diese Orte noch eine Chance? In diesem Land, das mit großer Armut zu kämpfen hat? Nur wenige sehen eine Zukunft in ihrer Heimat. Wer jung ist, will ins Ausland.

Aber es gibt auch Menschen, die zurückkehren, weil sie Heimweh haben oder auf der Suche nach Ursprünglichkeit hierherkommen, um traditionelle Landwirtschaft zu betreiben. Und solche, die geblieben sind. Sie alle führen in Siebenbürgen ein einfaches Leben, für das sie meistens hart arbeiten müssen. „Menschen sind die Seele der Häuser“, sagt Caroline Fernolend, die Leiterin des „Mihai Eminescu Trust“. Derzeit kümmert sich die Stiftung, mit Prinz Charles als Schirmherr, um 27 Dörfer. Das UNESCO-Dorf Keisd (Saschiz) bei Schäßburg gehört dazu, seine Kirchenburg ist liebevoll restauriert. Eine Straße weiter steht das einst schmucke Haus meiner Ur-Oma, der „Keisder Grißi“. Es steht leer und verfällt, bewachsen von Efeu und Sträuchern.

Weiter geht es ostwärts ins Nachbardorf Arkeden (Archita). Es liegt vierzig Minuten Autofahrt entfernt von Schäßburg, auch der Zug macht hier Halt. Ursprünglichkeit und eine gut erhaltene Kirchenburg, die jetzt mithilfe von EU-Geldern renoviert wurde, erwarten uns. Vier Störche sitzen auf der Burgmauer, ein Pferdekarren kreuzt den Weg. Gäste sind willkommen, Prinz Charles war natürlich schon da, dieses Jahr im Mai.

Fast berühmt ist inzwischen Deutsch-Weißkirch (Viscri). Es liegt auf halber Luftlinie zwischen Schäßburg und der charmanten Stadt Kronstadt. Der Prinz hat in Viscri ein schlichtes Haus gekauft und renoviert, es ist jetzt ein Gästehaus. Eine neue 420-Seelen-Gemeinde hat sich entwickelt – aus Rumänen, Roma und zwei Handvoll Siebenbürger Sachsen. Und es funktioniert. Meine Eltern staunen, das wäre früher nie möglich gewesen, man blieb eher unter sich. Das heute gelebte Konzept überzeugt.

In Schäßburg gehen wir nochmals über steile, gepflasterte Gassen hinauf zum Stundenturm, ein kostümierter Dracula springt uns entgegen. Schnell weiter zur Bergkirche. Sie besitzt beeindruckende Wandmalereien und beherbergt mittelalterliche Kunstschätze. Wie ein Juwel thront sie da oben, gibt den Blick frei auf die Dächer und Türme der Stadt.

Daneben steht ein Hexenschlösschen, der vom Friedhofswärter bewohnte Seilerturm. Ein Lieblingsplatz meiner Mutter, als sie ein Mädchen war – jetzt ist es auch meiner.

Heute, 23 Jahre nach der großen Auswandererwelle der Siebenbürger Sachsen, lebt im Dorf Deutsch-Weißkirch eine neue Gemeinschaft von Menschen unterschiedlicher Kulturen, Ethnien und Religionen. Alle Projekte dienen als „Hilfe zur Selbsthilfe“. Frauen stricken „Viscri-Socken“, die es auch über das Internet gibt, Männer wurden in alten Handwerkskünsten ausgebildet. Gemeinsam haben sie die Häuser und die Kirchenburg in traditioneller Bauweise mit Stein, Sand, Lehm Kalk, Ziegel und Holz wieder hergestellt. Und helfen jetzt die sehr gut erhaltene Burgmauer im nahe gelegenen Arkeden zu restaurieren. Kleinbauern betreiben ökologische Landwirtschaft. Der sanfte Tourismus klappt so gut, dass die Besucher – im Sommer bis zu 300 täglich – seit Mai vom Parkplatz außerhalb des Dorfes mit Pferdekarren zur Burg geführt werden. Diese Geschäftsidee kommt von den Bewohnern, so bleibt die Dorfstraße frei für Menschen und Tiere.
www.gemeinsam-mit-viscri.de
www.mihaieminescutrust.org

HINFAHREN
Z. B. mit dem Nachtzug EuroNight 347 Dacia, etwaWien – Schäßburg, Schlafwagen 2-Bett-Abteil, eigene Dusche + WC, 2. Klasse, 137,80 €, tgl. ab 19.48 Uhr.
Rundreisen etwa mit: www.reisen.transylvaniatravel.net, www.columbusreisen.at, www.dertour.at, www.arr.at

AUSSCHLAFEN
Wohnen beim Prinzen: Seine Landhäuser stehen nördlich von Kronstadt, www.transylvaniancastle.com
Wohnen in Arkeden, www.archita.ro

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