Traum aus 1001 PS
Es gibt Leser und es gibt Narrische. Und es gibt narrische Leser. Zu finden sind sie da und dort, auf jeden Fall aber sind sie immer wieder in die Seiten des britischen Automagazins „Top Gear“ vertieft. Für Nichteingeweihte: Das ist jenes Fachblatt, dessen Mitarbeiter sich Dragster-Unfällen aussetzen, Testfahrten kurzerhand zu Abenteuerreisen umfunktionieren und als erste Menschen mit einem Auto den arktischen Magnetpol erreicht haben. Mit einem Wort: Extremes ist in dieser Liga Routine. Vor Kurzem rief „Top Gear“ seine immerhin 9,2 Millionen starke und über 32 Länder verteile Leserschaft dazu auf, das „Beste Auto der vergangenen 20 Jahre“ zu wählen. Keine leichte Aufgabe. In den vergangenen zwei Jahrzehnten wurden umweltfreundliche und leise Hybridautos salonfähig. Dazu feierte der Mini ein maximal erfolgreiches Comeback. Zur Debatte standen jedenfalls zwanzig sehr unterschiedliche Modelle, vom Ford Focus über den Golf GTI bis zum Supersportwagen Lexus LFA. Eine extreme Bandbreite? Ja, sicher. Immerhin testet das „Top Gear“-Team auch mit beispiellosem Ehrgeiz. Um zu prüfen, ob ein Toyota Hilux tatsächlich unkaputtbar sei, wurde der Pick-up mit Dynamit und Abrissbirne malträtiert, geflutet und über Stiegen geschunden. Das Ergebnis: Das legendär robuste Auto war nach dem Test zwar ein totales Wrack, aber es bewegte sich! Der Motor ließ sich echt nicht umbringen.
BUGATTI VEYRON
16.416 Zylinder
1001 PS
400 km/h Spitze
(mindestens) 1,000.000 Euro (als Gebrauchter, sonst gut doppelt so viel)
Es war daher auch nicht wirklich überraschend, dass das extremste Modell dieser Reihung zum absoluten Champion gekürt wurde – der Bugatti Veyron. Der im Jahr 2005 erstmals präsentierte Supersportwagen ist das leistungsstärkste und schnellste Serienfahrzeug der Welt.
Eine Spitze von 400 km/h sagt alles über die technologische Ausnahmestellung dieses teuersten Autos, das ohne Rennfahrerlizenz zu steuern ist, aus. So maximal wie der Verbrauch – bis zu 100 Liter Super auf 100 Kilometer –, so selten trifft man das Geschoß auf öffentlich zugänglichen Straßen an. Lediglich 300 Modelle – Veyron 16.4 und Super Sport – wurden bis 2012 aufgelegt. Von den 150 limitierten Roadster-Versionen sind noch 50 verfügbar. Im Klartext: Auf der Weinviertler Schnellstraße zwischen Stockerau und Hollabrunn kommt einem eher ein Matra-Simca Bagheera als ein Bugatti entgegen.
Wobei es auch in Österreich nicht wirklich an Superautos mangelt. Von Jänner bis August wurden hierzulande immerhin 20 Aston Martin neu zugelassen. Stückpreis: ab 160.000 Euro. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2012 wurden nur dreizehn Exemplare des britischen Nobelsportlers verkauft.
2012 war es auch, dass betuchte PS-Brüder in einem heimischen Autohaus erstmals einem Namen nahe treten konnten, den sie bestenfalls von der Formel 1 kannten: McLaren.
Die Wolfgang Denzel Auto AG setzte ihrer von Alfa bis Volvo reichenden Markenvielfalt mit einem eigenen McLaren Showroom in Wien-Erdberg die Krone auf. Sicher, bei einem Stückpreis von 242.250 Euro für den Hochleistungssportwagen McLaren MP4-12C lassen sich die Kunden an einer Hand abzählen. Vorerst zumindest.
Ein Ausbau sowohl der Modellpalette als auch des Händlernetzes ist geplant. Das wird ein weiteres österreichisches Unternehmen besonders freuen: Mubea CarboTech in Salzburg. Der Karbon-Spezialist produziert die Monocoques für den McLaren MP4 und den Ein-Liter-Wagen VW XL1. Zu den weiteren namhaften Kunden zählen etwa Porsche und BMW. Apropos Porsche. Noch ist McLaren, die Marke aus dem britischen Formel-1-Mekka Woking in der Grafschaft Surrey, auf normalem Asphalt ein echter Exot. In zwei Jahren soll sich das aber ändern. Für 2015 ist das Debut des McLaren P13 geplant und zwar in der Preisklasse eines 911er.
In gänzlich anderen Regionen bewegt sich das neue Coupé mit Emily, der „Spirit of Ecstasy“, auf dem mächtigen Kühlergrill – der Rolls-Royce Wraith. 6,6-Liter-V12-Motor mit 632 PS, das Schwestermodell zur Limousine Ghost weist zwar innere Werte auf, die sich vor einem Supersportwagen nicht zu verstecken brauchen, aber die zweitürige Karosse aus Goodwood liebt die Noblesse: Es ist nicht daran gedacht, dass irgendjemand sich in die weichen Lederfauteuils bettet und schneller als mit 250 km/h über die Autobahn brettern will.
In diesem Monat werden die ersten Exemplare an die Kunden ausgeliefert. Die erste Jahresproduktion von etwa 1.000 Fahrzeugen ist bereits ausverkauft. Wer also jetzt auf die Idee verfallen sollte, bei dieser Sphäre des automobilen Geldadels dabei sein zu wollen, muss sich ohnehin bis zum Jahr 2014 gedulden.
Bis dahin gibt es dann hoffentlich auch einen authorisierten Rolls-Royce-Händler in Österreich. Denn wer vielleicht einmal Probe sitzen möchte, muss sich noch in die nächst gelegenen Stützpunkte nach München oder Zürich bemühen.
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