Toto Wolff über Publicity

Toto Wolff über Publicity
Rennfahrer, Investor, Strippenzieher: Der Wiener Toto Wolff, 42, ist neben Niki Lauda unser Mann in der Formel 1: Für den Mercedes-Teamchef läuft die Saison bisher wie geschmiert. In der freizeit erzählt er, warum er es nie in die Formel 1 geschafft hat, kein Model zur Frau wollte und sich nicht für bescheiden hält.

Herr Wolff, einen Mann, der sein Leben dem Motorsport widmet, muss man nach seinem ersten Auto fragen.

Toto Wolff: Mein erstes Auto war ein blitzblauer Käfer 1303, den mir mein Stiefvater zum 18. Geburtstag geschenkt hat. Der war schon sehr gut, weil er mich von A nach B gebracht hat. Ich bin in Wien aufgewachsen und hatte das große Glück, dass mir meine Mutter eine französische Schule finanziert hat. Da war ich mit meinem Käfer allerdings nicht ganz vorne mit dabei.

Wie lange waren Sie damit unterwegs?

Er war leider sehr schnell Geschichte und ist in seinem ersten Sommer 1990 bei Regen auf der Höhenstraße zerschellt. Zum Glück ist mir nichts passiert. Danach habe ich alle familiären Finanzierungsquellen angezapft, um mir einen Golf zu kaufen. Er war ein Meilenstein und ich musste ihn hart abarbeiten.

Sie stammen doch aus einer gut situierten Familie. Ihre Mutter war Ärztin. Da war ein Golf doch sicher leistbar.
Mein Vater ist ein Jahr früher verstorben als ich jetzt alt bin. Er war 41 und hat zehn Jahre lang an einer Krebskrankheit gelitten. Uns ist es dadurch wirtschaftlich gesehen in der Familie nicht immer gut gegangen. Ich glaube, so etwas prägt einen Teenager sehr stark, vielleicht am stärksten. Es war mir aufgrund der finanziellen Situation in der Familie auch nicht möglich, Kart zu fahren. Deshalb hatte ich auch nie eine Basis, um als Rennfahrer in die Formel 1 zu kommen.

Hätten Sie dieses Versäumnis mit Talent denn nicht aufholen können?

Nein, das geht nicht. Das ist mir mit 22 Jahren während eines Rennens auch ganz klar geworden. In der Formel Ford habe ich gesehen, dass meine Mitbewerber nicht nur jünger und talentierter waren als ich, sondern auch eine bessere Basis und den richtigen Charakter zum Rennfahren hatten. Das hat mir alles gefehlt.

- Toto Wolff

Was für einen Charakter braucht ein Rennfahrer?

Vor allem gute Nerven. Bei einem Rennen in Zoldo in Belgien stand ich zwar in der Poleposition, habe aber am Start den Motor überhitzt. Dadurch hat mir die volle Leistung gefehlt und ich wurde in der ersten Runde gleich von drei Autos überholt. Da habe ich mich in der zweiten Runde weggelegt und bin ausgeschieden.

Nach diesem Ereignis haben Sie dann gleich den Hut drauf gehaut?

Es kam mehr zusammen. Ich hatte den gleichen Sponsor wie Karl Wendlinger, der 1994 beim Formel-1-Rennen in Monaco schwer verunglückt ist. Danach ist der Sponsor abgesprungen, weil er seine Fahrer nicht dauernd im Krankenhaus besuchen wollte. Als ich dann noch bei einem Rennen am Österreichring Alexander Wurz hinterhergefahren bin, wusste ich, dass ich nicht das kann, was er kann. Das war der Punkt, an dem ich diese Karriere beendet und einen neuen Weg eingeschlagen habe.

Sie sind erfolgreicher Geschäftsmann geworden. Falls Ihnen das jemand nachmachen will: Wie hat alles angefangen?

Parallel zu meiner Rennfahrerkarriere habe ich gleich nach der Matura begonnen, Handelswissenschaften zu studieren. Meine wichtigste Lektion habe ich aber gelernt, als ich von meiner Oma 100.000 Schilling geerbt habe. Ich habe das Geld in verschiedene Rennautos und Teams investiert, wenige Monate später war alles weg. Da habe ich gesehen, wie schnell das gehen kann. Das war wichtig. Ich habe dann 1994, gleich nach dem Ende meiner Zeit als Rennfahrer begonnen, zu arbeiten und für mich selbst zu sorgen. Der Job hat mir Spaß gemacht.

Was für ein Job war denn das?

In einem Stahlunternehmen. Mein damaliger Chef hat mich zwei Jahre hart rangenommen und unheimlich geprägt. Danach gab es immer wieder Wegbegleiter, zu denen ich eine väterliche Beziehung hatte und die mich angeschubst haben. Es ist wichtig, jemanden zu finden, der einen unterstützt, wenn man von der Schule oder von der Uni kommt.

Reich sind Sie dann aber mit Beteiligungsgeschäften geworden.

Ich hatte schon früh das Gefühl, mich immer wieder verändern zu müssen. Das war mit den Beteiligungsgeschäften möglich. Ich konnte immer wieder neue Menschen kennenlernen, mich in neue Projekte hineindenken und daraus lernen. Auch ins Motorsportgeschäft bin ich dann wieder über ein Finanzinvestment gerutscht und so, anders als geplant, aber dennoch, wieder dort gelandet, wo ich hin wollte.

Damit sind Sie der lebende Beweis, dass man von der österreichischen Provinz aus Weltkarriere machen kann.

Wir haben einen anderen großen Mitbewerber in der Formel 1, der richtig etwas aufgestellt hat. Der Dietrich Mateschitz. Und es gibt noch viele andere, die mir jetzt nicht einfallen. Ich bin seit eineinhalb Jahren Teamchef von Mercedes. Wir haben bisher drei Rennen gewonnen, zwei Mal mit Doppelsiegen. Besser kann es nicht laufen. Trotzdem ist es viel zu früh, um hochgeschrieben zu werden.

Dass Sie erfolgreich sind, können Sie nicht leugnen.

Zwischenzeit-Weltmeister hat es viele gegeben. Ich möchte mich einmal umdrehen und sagen können, dass die meisten Dinge richtig gelaufen sind. Der Zeitpunkt abzurechnen kommt, wenn das berufliche Leben einmal zu Ende ist. Die Bilanz soll dann lauten, dass ich mehr richtig als falsch gemacht habe.

Das klingt sehr bescheiden für jemanden, der so viel verdient hat, wie Sie.

Die besten Dinge kann man sich nicht kaufen. Das ist das Eine. Außerdem gibt es viele Menschen, die finanziell erfolgreicher sind als ich. Ich bin auch nicht bescheiden, sondern habe Angst vor dem Fallen. Mir geht es nicht um kurzfristigen Erfolg und kurzfristige Glorie, sondern um eine solide Basis. Ich bin in allen Dingen, die ich bisher gemacht habe, langsam gewachsen. Da war nie der Super-Coup dabei. Gerade im digitalen Zeitalter, wo alles so schnell geht, Menschen hochgejubelt um am nächsten Tag wieder fallen gelassen werden, ist es wichtig, dass man selbst einen Plan hat.

Wie lautet Ihrer?

Ich möchte mithelfen, das Formel-1-Team zum Weltmeister-Team zu machen. Wenn das erledigt ist, schauen wir weiter. Man muss sich in Acht nehmen vor dem Big-Brother-Phänomen. Der Gedanke, hochgejubelt und danach fallen gelassen zu werden, macht mir Sorgen. Ich will nicht, dass mir das passiert.

Es gibt nicht so viele Formel-1-Zampanos, die Wert auf Bodenhaftung legen. Sie sind auch einer der Wenigen, der kein Top-Model, sondern eine Rennfahrerin geheiratet hat. Zufall oder trotzen Sie dem Klischee?

Nichts gegen Models, aber ich bin 42 Jahre alt und durch die leidvolle Erfahrung einer Scheidung gegangen. Daher ist mir ein stabiles Familienleben sehr wichtig. Ich kann mit meiner Frau Susie über meine Leidenschaft reden – und das ist im Moment 24 Stunden am Tag der Motorsport. Und der Glitzer und Glamour, den Sie mit den Models ansprechen, ist in Wirklichkeit ganz anders.

Wie denn?

Man kann sich davon nichts abschneiden. Wenn ich nach Hause komme, brauche ich Normalität. Ohne ein stabiles Familienleben ist es nicht möglich, sich diesem eigentlich wahnsinnigen Umfeld auszusetzen. Sonst bildet man sich noch ein, dass das, was dort abgeht, die Realität ist. Und das ist es nicht.

Sondern?

Die unwichtigste Nebensache der Welt. Wir betreiben Sport und Entertainment. Und wir betreiben Branding für die Marke und versuchen unsere Technologiekompetenz darzustellen. Deswegen macht Mercedes das ja. Es geht um das Kernprodukt: das Automobil.

Das klingt fast so, als wäre Ihnen die Öffentlichkeit Ihres Berufes unangenehm. Kokettieren Sie nicht ein bisschen?

Vielleicht ist alles nur Fassade.

Das glaube ich auch nicht.

Ich bleibe dabei. Die öffentliche Seite bringt nichts. Wenn man der Meinung ist, dass sie wichtig wird, geht mit einem schon das Ego durch. Es macht nicht zufriedener, wenn man das zweite Mal einen besseren Tisch im Restaurant bekommt. Damit hören sich die Vorteile nämlich schon auf, glauben Sie mir. Ich bin kein Sportler, der eine Kappe oder ein Sponsorship auf der Brust verkauft, sondern Geschäftsführer einer Firma, der den Motorsport von Mercedes Benz vertritt. Dafür brauche ich die Öffentlichkeit, aber nicht für mich persönlich.

Eine Frauenfrage: Ist es nicht fad, sich ständig mit Autos zu beschäftigen?

Ich habe ja in meinem Leben auch anderes gemacht. Aber im Moment sind Autos das, wofür ich lebe. Vielleicht sage ich in fünf Jahren, dass es mir keinen Spaß mehr macht. Auch wenn ich mir das jetzt nicht vorstellen kann. Im Moment vernachlässige ich alles andere, auch den Sport.

Sie schauen aber sehr sportlich aus, wenn ich das bemerken darf.

Das kommt, weil ich vor lauter Stress nicht zum Essen komme. Ich würde auch gerne wieder einmal ein Buch lesen. Aber das wird sich schon ergeben.

Angenommen, Sie müssten einen Tag komplett auf den Motorsport verzichten: Was würden Sie tun?

Die Zeit mit der Familie verbringen und meine Kinder von der Schule abholen. Damit sind wir wieder bei dem, was wir vorhin besprochen haben. Die besten Dinge kann man sich nicht kaufen.

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