Krimi-Literatur

Krimi-Literatur
Austro-Krimis auf Überholspur: Mit dem Tiroler Autor Bernhard Aichner steht ein heimischer Krimistar kurz davor, mit Stephen King in einem Atemzug genannt zu werden.

Kill Bill" trfft "Dexter". Und Schuld daran ist "Das Mädchen mit dem Drachen-Tattoo". Bernhard Aichners New Yorker Verlag Scribner – immerhin das Stammhaus von Stephen King und Ernest Hemingway – bringt auf den Punkt, worum es dem Autor aus Tirol geht: Spannung auf höchstem Niveau.
Eben erst erschien in den USA mit "Woman of the Dead" der erste Teil der Trilogie rund um die so menschliche wie auch diabolische Bestatterin Blum. Heimische Krimifans kennen sie als "Die Totenfrau".

Ein Titel, der die US-Krimi-Bestsellerautorin Lisa Gardner jubilieren ließ: „Einer der atemberaubendsten Thriller, die ich seit Jahren gelesen habe.“ Und der bei uns soeben mit "Totenhaus" seine Fortsetzung erfahren hat. Ein Instant-Hit. Der 415-Seiten-Thriller lässt die Rächerin in sprichwörtlich halsbrecherischem Tempo zur Gejagten mutieren und schaffte es auf Anhieb an die Spitze der Bestsellerliste.

Bernhard Aichner kennt die Faszination, die von seinem gefährdeten wie auch gefährlichen Geschöpf ausgeht, am besten: „Blum hat Leichen im Keller, und diese Leichen werden in "Totenhaus" ausgegraben. Zum Leidwesen meiner Heldin, aber zur Freude meiner Leser und Leserinnen.“

Bedenken, dass es mit diesem Erfolg bald vorbei sein könnte, brauchen den 43-jährigen Schriftsteller und Fotografen nicht zu plagen. Erstens verkaufte sich die "Totenfrau" im deutschsprachigen Raum bereits mehr als 100.000-mal. Zweitens liegt der Pageturner, der auch bei abgebrühten Lesern für Verstörung sorgen könnte, mittlerweile in 13 Sprachen in mindestens 15 Ländern vor. Und dann ist auch noch eine Adaption der "Totenfrau" als sechsteilige Fernsehserie für den internationalen Markt in Vorbereitung.


Im österreichischen Buchhandel sind Krimis seit Jahren Topseller. Dabei ist Bernhard Aichner nicht der einzige neue Krimistar in Rot-Weiß-Rot. Mit dem Niederösterreicher Andreas Gruber gibt es einen weiteren einschlägig aktiven Autor, der internationale Kritiker schon von der Ablöse des skandinavischen Krimiwunders durch kreative österreichische Krimi-Kräfte fantasieren ließ.

Erst im März hat Gruber mit dem plakativen Titel "Todesurteil" seinen zweiten „Maarten S. Sneijder“-Fall veröffentlicht. Schon entzündet er mit "Racheherbst", einem Fall für seinen Leipziger Ermittler Walter Pulaski, die nächste Spannungslunte. Der Lohn dieser Aktivität ist eine stetig wachsende Fangemeinde und eine Gesamtauflage von über 500.000 Exemplaren allein im Goldmann-Verlag.

Ein ausführliches Interview mit Krimistar Bernhard Aichner finden sie hier.

Dass von Andreas Gruber heuer kurz hintereinander zwei Romane herauskommen, erklärt der Autor mit seiner Schreiblaune – und mit der schier unstillbaren Nachfrage aus der Krimi-Community. „Die Leser fragen regelmäßig nach neuen Büchern, was mich sehr freut und motiviert. Und wenn ich in einem Jahr zwei Ermittlerteams präsentieren darf, ist meine Arbeit auch abwechslungsreich und bleibt dadurch kreativ.“

Morden, ein Fall für Männer? Stimmt überhaupt nicht. Eva Rossmann ist die meistgelesene Krimi-Autorin Österreichs. Mit einer Gesamtauflage von 600.000 Exemplaren braucht sie sich vor ihren Kollegen nicht zu verstecken. Soeben hat die gelernte Verfassungsjuristin und versierte Köchin ihre Heldin Mira Valensky mit "Fadenkreuz" in deren 17. Ermittlungsabenteuer gestürzt.

Mit Handlungsfäden, die zwischen Wien, Hanoi und Leipzig gestrickt sind, entgeht der Krimi im Textilmilieu auch jeglichem Verdacht geografischer Enge.

Dass in einer Welt, der es zwischen wirtschaftlicher Krisenstimmung, Flüchtlingsnot und politischer Orientierungslosigkeit wahrhaft nicht an Spannung fehlt, ausgerechnet das Krimigenre so boomt, scheint verwunderlich. Eine Erklärung mag sein, dass das Drama hier immerhin ein Ende findet, wenn man bei der letzten Seite angelangt ist.

Ganz klar: Der Ernst der Nachrichtenlage geht auch an einem „Trivialautor“ nicht spurlos vorüber. Er aber kann sie immerhin zu seinem Vorteil nutzen. Bernhard Aichner meint dazu: „Reales Leid zu spüren, ist grausam, es aber im Krimi zu zelebrieren, beflügelt mich. Wahrscheinlich geht es darum, die Kontrolle über die Dinge zu behalten. Es muss jemanden geben, der im Ernstfall die Notbremse zieht, der sagt: ,Mach dir keine Sorgen, in Wahrheit ist alles gut.’ Diese Rolle übernehme ich gerne.“

Ein ausführliches Interview mit Krimistar Andreas Gruber finden Sie hier.

Aichner ist wie Gruber, Rossmann und knapp hundert weitere heimische Autoren auf der Plattform A.I.E.P. versammelt, dem österreichischen Ableger eines internationalen Krimischriftsteller-Syndikats. Darunter finden sich Routiniers, wie der bald 70-jährige Alfred Komarek aus Bad Aussee, das 1970 geborene Wiener Multitalent Thomas Raab, dessen ersten zwei Metzger-Krimis heuer fürs TV verfilmt wurden, sowie der Tiroler Newcomer und Quereinsteiger Joe Fischler, der wie Raab auch Musik macht und als Jurist und erfolgreicher Wirtschafts-Blogger seinen kriminellen Einstand feiert – mit "Veilchens Winter".

Ein brisanter Fall im Heiligen Land Tirol: Zwischen Skihotels, Banken und dem lieben Landesvater wittert Ermittlerin Valerie „Veilchen“ Moser im Zuge der Entführung einer Oligarchentochter eine Verschwörung. Das Debüt verkauft sich gut, Fall Nummer zwei ist bereits geschrieben, am dritten arbeitet der Autor.

Wie den TV-Stationen geht es auch den Verlagen: Kaum einer, der nicht das Stammhaus von zumindest einem Krimiautor ist. Joe Fischler wird ebenso wie Alfred Komarek vom Innsbrucker Haymon-Verlag herausgegeben, einem Haus, das noch vor 30 Jahren vorwiegend für Schmöker wie "Die schönsten Sagen aus Tirol" bekannt war.

Beim Czernin-Verlag war die „Herausgabe provokanter Sachbücher“ wie das Klimt-Buch "Die Fälschung" der eigentliche Antrieb zur Gründung. Mit Manfred Rebhandl pflegt man auch dort längst einen Mann fürs kriminell Gute. Sein eben erst erschienenes jüngstes Abenteuer erweckt mit dem Titel "Töpfern auf Kreta" zwar den Anschein, als habe sich sein Superschnüffler Rock Rockenschaub auf Esoterik-Abwege begeben. Aber, keine Panik, der vierte Fall des Ottakringer Originals gibt sich so derb und tabulos wie gewohnt.

Man kann sich davon bei der 11. Wiener Kriminacht überzeugen. Rebhandl, Leo-Perutz-Preisträger von 2012, tritt dort ebenso auf wie seine Kollegen Bernhard Aichner, Thomas Raab und Andreas Gruber. Dieser gilt übrigens heuer als Favorit für den von der Stadt Wien gemeinsam mit dem Hauptverband des heimischen Buchhandels vergebenen Krimi-Literaturpreises.

Dabei können manche auch ganz anders. Bernhard Aichner etwa hat vor elf Jahren einen schmalen Band mit dem Titel Das Nötigste über das Glück veröffentlicht. Spätestens jetzt hat er die Ernte hereingeschrieben.

Krimi-Superstar Wolf Haas zuckt zusammen, wenn man seine Brenner-Romane unter die folkloristischen Regional- krimis reiht. Aber es ist was dran an dem Boom der Spannungsliteratur, die man gern mit einem Stadtplan in der Hand schmökert.

Wenn es okay ist, dass einem James Ellroy („Die schwarze Dahlie“) die dunkle Seite einer Metropole wie Los Angeles näherbringt, warum sollte es dann keine Autoren geben, die sich – in kleinerem Maßstab – auf geographisch spezielle Fälle in Österreich spezialisieren?

Der Wiener Hermann Bauer etwa ist mit „Lenauwahn“ und „Rilkerätsel“ (Gmeiner) für seine Krimis rund um das fiktive Floridsdorfer Café Heller bekannt. Manfred Baumann hat sich mit „Jedermanntod“ und „Wasserspiele“ (Gmeiner) auf kriminalistische Spuren- suche durch die Mozartstadt begeben.

Und fern der Großstadt porträtiert das „Steirerkind“ Claudia Rossbacher seit längerem ihre alpine Heimat durch Krimis wie „Steirerblut“ oder „Steirerherz“ (Gmeiner) . Eben erst präsentierte das umtriebige Ex-Model die einschlägige Anthologie „Wer mordet schon in der Steiermark?“.

Gedanken sind frei. Roland Zingerle, Mitbegründer der „Kärntner Schreibschule“, nimmt in „Ein Mord am Wörthersee“ (Haymon) den Ironman in Klagenfurt zum Anlass eines „heißen Krimi- vergnügens“. Einen Linz-Krimi gibt’s natürlich ebenfalls, einen „himmlischen“ sogar. Eva Reichl hat ihn geschrieben – mit „Teufelspoker“ (Sutton), einem Roman, in dem es um Rekordgewinne bei einem lokalen Bauriesen und bei mysteriösen Pokerrunden geht. Und es gibt mit „Federfrei“ einen heimischen Verlag, der sich ausschließlich auf mörderische Fälle auf ländlicher und dörflicher Ebene spezialisiert hat.

Manfred Rebhandl, wann haben Sie ihren ersten Krimi gelesen? Spät, ich glaube es war Leo Mallet "Das Leben ist zum Kotzen".

Wann überkam Sie der Drang, auch einen Krimi zu schreiben? Als ich Geld brauchte. Ich hätte besser arbeiten gehen sollen.

Wovon lassen Sie sich inspirieren? Dem Chronikteil der österreichishcen Gratiszeitungen sowie von den eigenen Abgründen.

Lieblingsautor? Henry Miller, Robert Crumb, Carl Barks.

Lieblingswaffe? Die Waffen einer Frau.

Ist ein Krimi ohne Tote denkbar? Alles ist möglich.

Härtet Krimischreiben ab bzw. wie erholen Sie sich nach der Niederschrift einer Mordszene? Krimischreiben ist so aufregend wie Nägel feilen. Am erholsamsten ist immer noch Schlafen.

Wie lange dauert es, bis Sie Ihren "Sound" entwickelt haben?

Sound ist das Wichtigste überhaupt. Wird am Ende im Schreibstudio reingemischt.

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