Top Secret

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Comeback knallhart: Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges gerät ein Filmgenre erneut ins Visier der Aufmerksamkeit – der Spionagefilm.

Es gibt Gründe, Agenten und Spione nicht zu mögen. Immerhin zählen zu dieser Berufsgruppe Menschen mit zwielichtigem Charakter, mehr noch, Killer ohne Skrupel und Gewissen. Gäbe es nicht den guten alten Bond, hätte sicher kein Agent mehr als 2,138.534 „likes“ auf Facebook. Gut, von neuen Abenteuern des Agenten seiner Majestät haben wir zumindest bis zum Jahr 2015 Ruhe. Dafür läuft die aus Geheimnissen gezimmerte Welt der echten Geheimdienste derzeit Amok.

Keine Woche vergeht, ohne dass die Spionageaffäre um die US-Agenten von NSA und deren Abhörprogramm „Prism“ für neue Schlagzeilen sorgt. Allgegenwärtige Kontrolle, vor der Autoren wie George Orwell oder Stanislaw Lem bereits vor Jahrzehnten warnten, ist längst Fakt und nicht mehr reine Fiktion. Über die Server von multinationalen Konzernen wie Apple, Microsoft, Facebook, Google und Skype soll sogar eine „Live-Überwachung“ Betroffener möglich sein. „Yes we scan“, lautete dementsprechend sarkastisch auch der Slogan der Veranstalter einer Kundgebung gegen die Berlin-Visite des US-Präsidenten Barack Obamas am Checkpoint Charlie vor ein paar Wochen.

Die spektakulären Enthüllungen der letzten Wochen können einen wie John le Carré sicher nicht überraschen. „Spione sind überall und nirgends“, hielt der ehemalige Geheimagent für den britischen Secret Service und Autor des vor 50 Jahren erschienenen Klassikers „Der Spion, der aus der Kälte kam“ schon lange vor den Enthüllungen Edward Snowdens fest. „Sie verwischen ihre Spuren, wofür sie als Fachleute schließlich bezahlt werden. Und ihre angeblichen Wildhüter sind ihren Schützlingen so zugetan, dass sie über Nacht selber Wildtiere werden.“

John le Carré hat mit einem Alter von mittlerweile 81 Jahren mehr Spionage- und weltpolitische Krisen erlebt als so mancher Politiker. Die Lehre, die er daraus gezogen hat, ist wohl, grundsätzlich misstrauisch zu bleiben, wenn einem eine Regierung etwas weismachen will.

In der Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit“ erinnerte sich le Carré aus gegebenem Anlass an das Debüt von „Der Spion, der aus der Kälte kam“: „Heute dürfen wir uns anhören, wie der gleiche Mann, nun freilich mit besseren Zähnen, vollerem Haar und einem schickeren Anzug, den so unrechtmäßigen wie desaströsen Krieg im Irak schönredet, mittelalterliche Foltertechniken als zeitgemäße Verhörmethode des 21. Jahrhunderts hinstellt, verkappten Psychopathen ein unveräußerliches Recht auf den Besitz halbautomatischer Schusswaffen zuspricht oder den Einsatz unbemannter Drohnen als risikofreien Weg zur Eliminierung unserer gefühlten Feinde sowie all derer preist, die sich zufällig in ihrer Nähe aufhalten. Wenn er nebenbei einen unserer großen Konzerne vertritt, erzählt er uns vielleicht auch noch, dass Rauchen gut für die Dritte Welt ist und die großen Banken nur das Wohl der Allgemeinheit im Auge haben.“

Geheimdienste sprechen ja eher weniger über sich selbst. Das heißt, es bleibt tatsächlich interessant, Literatur zu lesen, wenn man sich über die aktuelle Lage in der Welt informieren will. Und Carré bleibt aktuell. Sein jüngster Roman, sein 23., kam in England sofort auf Platz eins der Bestsellerlisten. Anfang Dezember erscheint „A Delicate Truth“ auf Deutsch. Thema von „Empfindliche Wahrheit“ (Ullstein) ist auch ein moralisches: Ein Mitarbeiter der britischen Regierung gerät in Gibraltar unvermutet zwischen die Fronten des Geheimdienstes und eines islamistischen Waffenkäufers.

Auch im Kino bleiben Agenten gerne gesehen. Für kommendes Jahr ist mit „November Man“ ein Thriller von Spannungs-Profi Roger Donaldson („Thirteen Days“, „No Way Out“) angekündigt. Der Film hat zwar noch keinen fixen Starttermin, dafür weist er eine in mehrerer Hinsicht bemerkenswerte Besetzung auf. Ex-Bond-Darsteller Pierce Brosnan gibt einen Ex-CIA-Agenten, der in einer Krisenlage wieder aktiv ins Geschehen eingreift. Dabei stößt er auf eine Frau mit Vergangenheit, gespielt von Olga Kurylenko, einem Ex-Bondgirl des aktuellen Bond, Daniel Craig.

Das trifft sich gut, sehr gut sogar. Käufliche Liebe und Spionage gelten als ältestes und zweitältestes Gewerbe der Welt.

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