Tobias Pötzelsberger: "Ich war noch nie auf Ibiza"
Tobias Pötzelsberger ist der ORF-Mann der Zukunft. Ein Gespräch mit dem Top-Journalisten über seinen Durchbruch und ein Gänsehaut-Video des Musikers aus ruhigeren Tagen.
Am 18. Mai 2019 änderte sich das berufliche Leben von Tobias Pötzelsberger, 36, schlagartig. Der langjährige Mitarbeiter des ORFSalzburg, der erst seit einem Jahr auf dem Küniglberg tätig ist, hatte zufällig Dienst als Frühmoderator der ZiB. Als daraus eine Sondersendung zur Ibiza-Affäre wurde, moderierte der gebürtige Oberösterreicher sechs Stunden live und überzeugte mit Souveränität. Das bescherte ihm kürzlich auch den Titel "Journalist des Jahres“. „Eigentlich“, sagt er, „frage ich lieber als Antworten zu geben“. Wir drehen den Spieß trotzdem um.
Herr Pötzelsberger, waren Sie schon einmal auf Ibiza?
Ich war ehrlich gesagt noch nie dort. Mich interessiert die Insel, vielleicht sollte ich einmal hinfahren.
Und die Musik zur Reise kommt von den Venga Boys: „I’m going to Ibiza“. Haben Sie das Lied nach dem Tag damals gehört?
Nein, ich bin mit der U-Bahn nach Hause gefahren und habe das Ö1 Abendjournal gehört. Das klingt jetzt vielleicht fad, aber da ich den ganzen Tag im Studio war, wollte ich wissen, was die anderen gemacht haben.
Viele Zuseher haben Sie damals erstmals als Moderator wahrgenommen. Einige Kommentare waren: „Wow, der ist gut!“ Manche fanden Ihr Lächeln etwas süffisant.
Als süffisant würde ich es nicht bezeichnen. Ich versuche, die Nachrichten mit einem Lächeln zu vermitteln, weil sie oft schlimm genug sind. Eines meiner großen Vorbilder war Robert Hochner, der, wie ich fand, die Welt mit einem freundlichen Gesichtsausdruck erklärt hat. Aber ehrlich gesagt denke ich nicht viel darüber nach, wie ich wirke. Man kann eh nicht ändern, wie man ist.
Sie hatten an diesem Tag Dienst. Zufall oder Schicksal?
Ich glaube an Fügung. Ich moderiere schon seit 14 Jahren im ORF(Anm.: Landesstudio Salzburg) und bin erst seit Kurzem in Wien. An dem Tag hat für mich halt wahnsinnig viel zusammengepasst. Es war total leicht und schön. Ein bisschen Fügung gehört dazu im Leben. Du kannst noch so gut auf etwas hinarbeiten oder dich vorbereiten: Es braucht, glaub ich, schon noch was von außen, um das große Bild rund zu machen.
Wie ist es Ihnen damit ergangen, plötzlich der Liebling der Zuseher zu sein?
Mir geht es darum, gute Arbeit zu machen und nicht zu denken: Wie klass’ war das moderiert! Nach dem ersten Ibiza-Tag habe ich geschlafen wie ein Stein und hatte nicht viel Zeit zum Nachdenken, weil die nächste Sendung schon gewartet hat. Das ist ja immer weitergegangen. Nach einer Woche habe ich mich zurückgelehnt und gedacht. Wow!
Was sind Sie im entspannten Zustand für ein Typ? Jeans oder Anzug?
Normalerweise eher der Jeans-Typ, der zuhause gerne Jogginghosen und einen alten Pullover trägt. Die Leidenschaft für Anzug und Krawatten ist mit der Arbeit gekommen. Ich bin schon lange Musiker und im Proberaum ist die Kleidung wurscht. Es geht ums Singen und Gitarrespielen. Vielleicht speist sich die Lust am Gegensatz daraus.
Sie sind in Ihrer Band „The More or The Less“ auch der Leadsänger. Hätten Sie nicht Lust gehabt, Popstar zu werden?
Das ist leider keine Frage des Wollens, ich bin einfach nicht gut genug. Ich spiele zwar ganz okay Gitarre, aber für eine professionelle Musikkarriere hätte ich definitiv mehr üben müssen. Außerdem habe ich dann den Journalismus entdeckt, wo noch ein größeres Feuer zu brennen begonnen hat. Man kann gut im Hauptberuf Journalist und nebenbei ambitionierter Hobby-Musiker sein.
Haben Sie zu Weihnachten Ihre Wunschgitarre, die Gibson Baujahr 51, bekommen?
Das wäre eine teure Geschichte. Ich habe kürzlich auf eBay geschaut. Sie ist schon wieder teurer geworden und kostet jetzt um die 6.500 Euro. Man müsste auch nach Amerika fliegen, weil ich mir sie niemals mit der Post schicken lassen würde. Ich habe schon einige Gitarren daheim, aber so ein echtes Schmuckstück wäre schon was.
Würden Sie sie auch benützen oder wäre das nur ein Schaustück?
Auf keinen Fall! Gitarren werden schlechter, wenn man sie nicht spielt. Aber ich würde sie nicht herleihen oder für Konzerte benutzen. Sie wäre was fürs stille Kämmerlein, aber dafür reicht das Geld momentan nicht.
Als ORF-Star?
Ich verdiene gut, aber völlig normal. Ich bekomme kein Sondergehalt.
Wie geht es Ihnen als Journalist nach Ibiza eigentlich mit der Glaubwürdigkeit in der Politik?
Ich glaube, dass Politik in der Gegenwart ein Show-Element bekommen hat. Die Leute merken, dass es weniger um Inhalt und mehr um Auftritt und Wirkung geht. Auch um Berechnung, wie man die Menschen am besten von sich überzeugen kann. Andererseits denke ich, dass Politiker oft unter Druck stehen und man zu viel von ihnen verlangt. Sie müssen innerhalb von Augenblicken profund auf dieses und jenes reagieren. Oft ist es besser, sich zurücknehmen, um überlegen zu können, was in einer Situation g’scheit ist. Das politische Geschäft ist manchmal zu flott.
Nach den Sommergesprächen, die als Entscheidungshilfe für Wähler dienen sollen, meinte eine Dame auf Twitter übrigens: „Ich wähle den Herrn Pötzelsberger.“
(schmunzelt) Das ist sehr schmeichelhaft, aber natürlich völlig übertrieben.
Stellen Sie sich vor, die SPÖ tritt an Sie heran und will Sie als Gegenkandidat zu Sebastian Kurz aufstellen. Was sagen Sie?
Nein danke, das könnte ich niemals! Ich bemühe mich, ein guter Politikbeobachter und -erklärer zu sein. Aber wäre ganz sicher ein schlechter Politiker. Man sieht ja, wie schwierig das Geschäft ist.
Ihres ist aber auch nicht leicht. Sie sind zur Objektivität verpflichtet – und das schafft kein Mensch zu 100 Prozent.
Es gibt aber etwas, das ich Äquidistanz nenne: Ich behandle alle gleich. Vielleicht kann ich das mit einem einfachen und nicht ganz ernst gemeinten Beispiel veranschaulichen. Es ist wie beim Friseur. Jeder kann hinkommen und kriegt seinen Haarschnitt. Das muss die Maxime sein.
Stichwort Frisur: Donald Trump soll Ihr Wunschinterviewpartner sein. Könnten Sie ihn ernst nehmen?
Das tue ich sicher, weil er Präsident des mächtigsten Landes der Welt ist. Natürlich schmunzle ich über manchen Tweet, aber jeder einzelne kann einen Krieg auslösen. Da vergeht mir das Lachen dann.
Informieren Sie sich eigentlich lieber online oder auf Papier?
Lustig, dass Sie das fragen. Ich habe mir erst gestern überlegt, ob ich Zeitungen in Zukunft digital abonnieren soll. Es wäre vernünftig, weil man mehrere Abos auf einem Gerät abrufen kann. Der Gedanke ist mir aber zuwider, weil ich wahrscheinlich dann weniger Zeitung lesen würde, weil mir die Wischerei zu mühsam ist. Ich habe die Zeitung doch lieber in der Hand.
Eine sehr sympathische Einstellung.
lch glaube aber, dass wir die letzte Generation sind, die so geprägt ist. Ich gehe gerne jeden Tag in die Trafik, schau’ und kauf’ mir unterschiedliche Zeitungen. Papier ist viel schöner und netter. Deshalb habe ich die Idee mit den Digital-Abos verworfen und verwende weiter den Zeitungshalter, den ich vor zwei Jahren zum Geburtstag bekommen habe.
Sie berichten als Nachrichtenmoderator auch über Umweltkatastrophen und haben vor einigen Jahren selbst eine miterlebt ...
Das war das Erdbeben in Chile 2010.
Wie haben Sie diese Zeit in Erinnerung?
Es war eine lebensgefährliche Situation, eines der stärksten Erdbeben der Weltgeschichte. Unser Hotel ist zwar stehen geblieben, aber es war stark betroffen. Da ist viel von der Decke gekommen und man hätte durchaus erschlagen werden können. Am nächsten Tag wären wir heimgeflogen und haben uns schon gefreut. Plötzlich sind wir in einer chilenischen Stadt im Staub gestanden und konnten es nicht fassen.
Verändert so ein bedrohliches Erlebnis einen Menschen dauerhaft?
Es flößt einem großen Respekt ein vor der Natur und ich hatte einige Zeit Probleme damit. Ich war damals im ORFSalzburg beschäftigt. Da gab es einen Wagen, auf dem die Kassetten vom Dreh gestapelt wurden. Wenn der durch die Gänge gerollt wurde, hat das Grollen geklungen wie der Beginn eines Erdbebens. Das war anfangs ein Schock.
Ihre Spezialität sind zum Glück nur noch politische Erdbeben ...
Wobei die Republik in nächster Zeit auch auf politische Erdbeben verzichten könnte.
Wissen Sie, dass Sie beim Schmunzeln Ähnlichkeit mit dem jungen Dieter Bohlen haben?
(schmunzelt) Oh, das ist nicht unbedingt die Referenz, die ich suche! Man muss aber Respekt vor Leuten haben, die mit Musik viel Geld verdient haben. Das gelingt nur wenigen. Die Schlagermusik gehört dazu, weil die noch Fans haben, die CD’s kaufen. Ich kann Ihnen verraten, was ich von Spotify für die Songs eines halben Jahres gekriegt habe. Ich glaube, es waren 13 Euro. Das ist zu wenig für eine Gibson.
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