Teamchef Dominik Thalhammer: "Ich gehe ungern im Leiberl essen"

Teamchef Dominik Thalhammer: "Ich gehe ungern im Leiberl essen"
2017 war das Jahr des Dominik Thalhammer und der Frauen-National-Elf. Nach dem Euro-Wunder kam die Krise. Und jetzt?

Herr Thalhammer, seit dem 3. Platz des Frauen-Nationalteams bei der Euro in den Niederlanden sind Sie ein bekannter Mann.  Wie oft werden Sie  angesprochen?

Das hat sich unglaublich gewandelt. Mein Bekanntheitsgrad ist durch die Euro eklatant gestiegen. Es passiert oft, dass ich auf der Straße, beim Einkaufen oder am Fußballplatz angesprochen werde. Ich finde das schön und bin dankbar, dass es so ist.

Im Internet findet man Fotos Ihrer Hochzeit am Strand und Ultraschallbilder Ihrer ungeborenen Kinder. Sie wirken  zurückhaltend.   Warum teilen Sie diese intimen Dinge mit der Öffentlichkeit?

Das liegt sicher daran, dass zu der Zeit mein Bekanntheitsgrad noch nicht  so hoch war. Da bin ich mit Social Media sehr offen umgegangen, aber ich würde das jetzt sicher  nicht mehr so machen.  

Wo haben Sie geheiratet? Die Bilder am Strand waren sehr romantisch.

Das war in Antigua in der Karibik. Wir waren  nur zu zweit dort und wollten ganz privat sein. Es entspricht auch meiner Denkweise, Dinge nicht herkömmlich konventionell  zu machen, sondern ein bisschen anders. Es war wunderbar, weil wir Zeit für uns hatten. Es war die richtige Entscheidung, auch wenn die Familie damals ein wenig enttäuscht war.

Das heißt, die Verwandtschaft hätte sich ein großes Fest gewünscht?

Standesamt, kirchliche Trauung, siebzig, achtzig Gäste ... Ich denke, wenn man eine doch etwas konservativere Sicht der Dinge hat und Traditionelles gewohnt ist, weil man vielleicht selber diesen  traditionellen Weg gegangen ist, kann man das auch nachvollziehen.  

Umso beachtlicher, dass Sie trotz konservativer Familie  mit unkonventionellen Trainingsmethoden erfolgreich sind. Derzeit läuft die Qualifikation für die WM 2019 aber nicht optimal. Ist der Traum schon geplatzt?

Natürlich sind die Chancen etwas niedriger, aber vorbei ist es nicht. Die Europameisterschaft war eine tolle Zeit, in der sich unglaublich viel entwickelt hat. Wir waren als  Team in einem Flow,  haben aber über unseren Verhältnissen gespielt. Einerseits ist die  große Herausforderung im Sport, Teams zu entwickeln, die in der Lage sind, über ihrem Leistungsniveau zu performen, andererseits gilt es, wie im Leben auch, zuerst einmal erfolgreich zu werden und dann zu bleiben.

Warum bleiben Sie es dann nicht?

Wir haben versucht, Veränderungsprozesse einzuleiten, um den Erfolg zu halten. Das greift mal schneller, mal langsamer. Ich vergleiche das bei Teambesprechungen gerne mit der Metamorphose eines Schmetterlings, bei der es auch Entwicklungsstadien gibt. Die Raupe wird zur Puppe, was eigentlich ein Rückschritt ist. Aber dann beginnt der schöne Schmetterling wieder zu fliegen. Und auf das warten wir.

Tut es weh, wenn nach der großen Euphorie von 2017 die Leute in den Foren nun sagen:  „Das war ein One-Hit-Wonder“ oder „Frauen können nicht  Fußball spielen ...“

Das eine ist der Umgang mit dem Frauenfußball an sich, der immer kritisch war. Aber im Laufe der Euro hatte ich das Gefühl, dass wir Vorbehalte beseitigen konnten. Auch viele Kollegen aus dem Männerfußball haben respektvoll  über unsere taktische Herangehensweise gesprochen. Das andere ist, dass wir versucht haben, eine Wertegemeinschaft zu entwickeln. Wir haben zwar 1:0 gegen Spanien verloren, trotzdem haben uns die Leute Standing Ovations gegeben.

In Beschreibungen über Sie heißt es, Sie wären akribisch. Stimmt das denn?

Ich denke schon. Ich bin auf ein humanistisches Gymnasium gegangen und habe danach Jus studiert. Ich glaube, da kriegt man das strukturierte Arbeiten einfach mit. Das war schon immer meine Stärke. Gleichzeitig habe ich im Laufe der Zeit aber gelernt, lockerer an Dinge heranzugehen und mehr Gelassenheit zu entwickeln. Aber Struktur ist mir wichtig.

Jus und Fußball sind ein komisches Paar. Warum gerade Jus?

Das war eigentlich ein Traum meiner Eltern, aber nicht immer ein Traum von mir. Deswegen sind beide Dinge lange parallel gelaufen. Ich habe mich sehr früh in Richtung Fußball orientiert, hatte aber nicht die Stärke, es meinen Eltern zu sagen. Mit 20, 22 Jahren bin ich  bei der im Stadion gesessen und habe mir gedacht: „In ein paar Jahren möchte ich genau dort unten stehen.“ Das ist mir gelungen.  Aber je älter ich geworden bin,  desto größer wurde auch der Wunsch, zu Ende zu führen, was ich begonnen habe.

Sie arbeiten also noch daran?

Als 2011 der Anruf von Willi Ruttensteiner Richtung ÖFB gekommen ist und ich in St. Pölten die Leitung des Nationalen Zentrums für Frauenfußball übernommen habe, hat mir noch eine Prüfung gefehlt. Das ist bis heute der Status. Ich inskribiere jedes  halbe Jahr fleißig aufs Neue, habe aber bisher nie die Zeit gefunden, die Prüfung zu machen. Bürgerliches Recht ist doch so umfangreich, dass man das nicht im Vorbeigehen machen kann.

Teamchef Dominik Thalhammer: "Ich gehe ungern im Leiberl essen"

Zum Teamchef ist heuer ein Job als  Chef der Trainerausbildung dazugekommen. Woher nehmen Sie noch Zeit für Ihre Zwillingsmädchen und Ihre Frau?

Das ist ja der Grund, warum ich die Zeit, die mir neben dem Job  bleibt, der Familie widmen will. Wenn ich mich am Abend oder am Wochenende auch noch zuhause hinsetze, um zu lernen, sagt meine Frau zwar, dass ich das machen soll, aber ich  tu’ mir im Moment schwer damit.

Dominik ist übrigens ein schöner und nicht alltäglicher Name. Aber Sie und Herr Thiem haben ihn ziemlich gepusht.

Eigentlich heiße ich laut Taufschein Dominikus, nach einer Idee meiner Eltern. Das ist natürlich noch einmal ein seltenerer Name, der aber in der Praxis nie gebraucht wurde. Keine Ahnung, was meinen Vater da beeinflusst hat.

Ihr Vater scheint eine starke Persönlichkeit gewesen zu sein. War das prägend für Ihren Charakter?  

Absolut. Er wollte die bestmögliche Ausbildung für mich. Mein Vater war Vorstandsdirektor der Österreichischen Volksbanken AG. Da war es nicht so einfach, zu sagen, ich will ausbrechen und ein bisschen was anderes machen. Trotzdem hat er es irgendwann akzeptiert.

Haben Sie darunter gelitten?

Eltern haben natürlich gewisse Vorstellungen für ihre Kinder. Meine Frau sagt immer, ich bin in bestimmten Situationen zu antiautoritär. Aber ich möchte meine Kinder nicht in eine bestimmte Richtung schieben. Sie sollen selber draufkommen, was ihnen wichtig ist. Die Faktoren, die ich ihnen mitgeben möchte, sind Liebe und Zuneigung. Das hat für mich oberste Priorität.  

Sie haben ein Dreimäderl-Haus. Ihnen wird auch nachgesagt, ein Frauenversteher zu sein. Ist das angeboren oder haben Sie   das erst mit Ihrem Engagement im Frauenfußball  gelernt?

Meine Frau sagt oft spaßhalber, sie versteht nicht, dass ich in meinem Job mit Frauen und Mädchen so gut zurechtkomme. Aber ich gebe schon zu, ich musste das erst lernen. Es gibt schon auch einige Unterschiede zu uns Männern.

Die da wären?

Ich kann mich an eine Begebenheit erinnern, als ich das U-17-Nationalteam trainiert habe. Ich war nach der ersten Halbzeit sehr unzufrieden mit der Leistung der Mädchen und beim Feedback in der Spielpause sehr emotional und direkt. Bei den Männern kann  man auch einmal harte Worte finden. Aber bei Mädchen und Frauen ist es nicht die richtige Herangehensweise. Man muss sachlich und zurückhaltend bleiben.   

Frauen schauen auch  genau, ob eine der anderen vorgezogen wird. Man hat aber oft nicht zu allen denselben Draht.  Wie gehen Sie damit  um?

Natürlich ist das in der Praxis nicht immer leicht, aber es ist das Prinzip, das ich zu verfolgen versuche. Ich glaube auch, dass eine gewisse Distanz dazu führt, Menschen gleich zu behandeln – also  nicht zu versuchen, zu  jemandem ein näheres oder innigeres Verhältnis aufzubauen. Dann sind die  Erfolgschancen höher.

Sie wurden nach Marcel Kollers Abgang auch als möglicher Nachfolger genannt. Würde Sie ein Wechsel zu den Herren  in Zukunft reizen?  

Bei mir geht es beim Projekt Frauenfußball  eher um die Frage, wie lange wir die Entwicklung noch weiterführen können. Das Spannende am Sport ist, es als Underdog und Außenseiter trotzdem zu schaffen und die richtigen Strategien zu entwickeln.  So lange es möglich ist, die Mannschaft voranzubringen, interessiert mich Frauenfußball. Aber vielleicht stehe ich irgendwann an. Das wäre der Zeitpunkt, an dem mich Männerfußball noch einmal brennend interessieren würde.

Sie wirken körperlich sehr fit. Wie viel Sport machen Sie?

Ich gehe vielleicht ein, zwei Mal pro Woche laufen und mache sonst Work-out wie Liegestütze. Aber richtig viel ist es nicht.

Sie bringen Ihre Mädchen auch mental in Form. Ist  Mental-Training wirklich so leistungssteigernd, wie es oft heißt?  

Da sind wir wieder bei der Nische, Dinge anders zu tun als die anderen.  Ich bin hundertprozentig davon überzeugt, dass da unglaublich viel Potenzial drinnen steckt. Heutzutage diskutiert keiner mehr über einen Konditionstrainer oder einen Tormann-Trainer. Aber der Mental-Trainer, der Psychologe, ist selten verbreitet im Fußball. Bei den Männern heißt es oft: „Jetzt hamma eine Krise, haben sechs Mal verloren und holen uns jetzt wen.“ Dann ist es zu spät. Ich denke, man muss Prozesse vorher entsprechend einleiten.   

Wie schaut diese mentale Arbeit aus?  

Da geht es um die Arbeit an der Persönlichkeit, aber auch um das Erstellen von Handlungsplänen für die Spielerinnen.  Beim Wettkampf-Coaching  lautet die Frage: Was passiert wenn ...?, um in gewissen Situationen gut reagieren zu können.  Die Anforderungen an Trainer und Spielerinnen sind mittlerweile so hoch, dass das unglaublich wichtig ist. Jede Spielsituation ist gekoppelt an eine Entscheidung, die zu treffen ist.  

Dazu kommt das Äußere, das in unserer Welt immer wichtiger wird. Profi-Fußballerinnen wirken im Vergleich zu früher weiblicher. Oder ist der Eindruck  falsch?

Die Bilder, die man von früher kennt, gehen schon in diese Richtung. Aber der feminine Touch schadet dem Frauenfußball  nicht. Ich finde es positiv, wenn die Mädels Wert auf ihr Äußeres legen. Das machen die Männer  genauso. Cristiano Ronaldo  steht, glaube ich, länger vor dem Spiegel als manche Frau.

Jogi Löw ist auch nicht nur für seinen Trainerjob  bekannt, Stichwort:  blauer Pullover bei der WM 2010.  Wie halten Sie es am Spielfeldrand mit Mode?

So ein Spiel ist für mich etwas Besonderes und dem will ich Ausdruck verleihen. Es gibt sicher  viele Trainer, die im Trainingsanzug am Fußballfeld stehen, aber das würde ich nicht machen. Auch privat gehe ich  ungern im Leiberl zum Abendessen.

Und wenn Sie beim Quali-Spiel  gegen Finnland  am 8. Juni kein Leiberl haben?  

Wir müssen uns in Erinnerung rufen, dass die erste Halbzeit gegen Spanien im letzten Spiel richtig gut war. Wenn wir  positiv und mit Risikofreude ins Spiel gehen, bin ich überzeugt davon, dass wir ein Leiberl haben werden.

Teamchef Dominik Thalhammer: "Ich gehe ungern im Leiberl essen"

MANN MIT HÄNDCHEN FÜR FRAUEN

Dominik Thalhammer, 47, wurde 1970 in Wien geboren und besuchte ein humanistisches Gymnasium. Danach studierte er Jus, entdeckte aber früh die Liebe zum Fußball. Mit 24 Jahren schlug er die Trainerlaufbahn ein und  wurde bei Admira Wacker Mödling mit 33 Jahren der jüngste Trainer, der je  eine Mannschaft in der österreichischen Bundesliga betreut hat. Nach Stationen beim Wiener Sportklub und LASK, wurde er 2011 in den Frauenfußball berufen. Aktuell ist Thalhammer Trainer der Nationalmannschaft und erreichte mit ihr Platz drei bei der Euro 2017 – ein nie dagewesener Erfolg. Seit 2018 ist er auch Chef der Trainerausbildung beim ÖFB. Thalhammer ist verheiratet und lebt mit seiner Frau und den Zwillingen Lisa und Sophie in Linz.   

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