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Hansdampf in allen Gassen der Kunst: Bryan Adams ist Sänger, Komponist und Fotograf, porträtiert Prominente ebenso wie Kriegsversehrte. Seine Bilder sind derzeit in Klagenfurt zu sehen, am 15. Dezember singt er in Wien und seine neue CD erscheint dieser Tage. Die freizeit besuchte ihn in London.

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„Hallo, mein Name ist Bryan“, sagt der Mann, der die Tür öffnet. Shorts, T-Shirt, Badeschlapfen – das Wort unprätenziös wurde offenbar für Bryan Adams erfunden. Dazu ein Handschlag wie in einer Fußballkantine. Passt. Aber nein, Fußball mag er nicht, wird er später erzählen. „Ich steh’ nur auf echten Football, den amerikanischen, so sorry.“ Wir sind in einem Hinterhofbüro in Chelsea, London, gleich neben der Themse. Ein paar Gewerbebetriebe, kleine Architekturbüros, Gastrobedarf. Über den Kai auf der anderen Straßenseite ragen Masten, Schornsteine und bunte Wimpel hinaus, das trügerische Bild eines belebten Flusshafens, der sich bei genauer Betrachtung als Schiffsfriedhof entpuppt. Kutter, Trawler, Ausflugsboote und Yachten stecken in zwei Reihen im schwarzen Schlick des Flusses, dünsten ihren alten, dunklen Brackwassergeruch aus. Nur ein paar Katzen nehmen den lebensgefährlichen Weg über die Cremorne Road auf sich, um auf verwitterten Planken oder einer verwaisten Kapitänsbrücke die herbstlichen Sonnenstrahlen zu genießen.

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Good Boy Brian porträtiert Bad Girl Lindsay Lohan

„Ich mag die Gegend hier. Sie hat einen ganz eigenen Charme, findest du nicht?“, sagt Bryan Adams, während er mir einen Kaffee zubereitet. Er selbst trinkt nur Tee, isst kein Fleisch, keine Milchprodukte. Er sieht beneidenswert jung aus. Was zum Teil auch daran liegt, dass man ihn gefühlsmäßig einer falschen Generation zuordnet. Bryan Adams, Himmelhergott, der war doch schon immer da! Trotzdem ist er erst 54. „Ich hatte Glück, konnte sehr früh von meiner Musik leben“, sagt er und lächelt. 1976 hat er als Sänger der kanadischen Band Sweeney Todd die erste Single veröffentlicht. Damals war er 17. Mit 19 war er als Solokünstler zum ersten Mal im Spitzenfeld der kanadischen Charts, „Let Me Take You Dancing“, sang er da. Seinen Super-Hit „Straight From The Heart“ schrieb er auch in dieser Periode, veröffentlichte ihn aber erst vier Jahre später. Platin mit 23 – gar nicht schlecht „Woanders hätte das vielleicht gar nicht so gut geklappt“, sagt Bryan, „aber die kanadische Musikszene war damals eine der besten der Welt. So wie seit einigen Jahren wieder.“ Ich nicke dem Rock-Routinier verschwörerisch zu, denke an Größen wie Arcade Fire, The New Pornographers ... „Kiesza zum Beispiel“, sagt er plötzlich und muss mir mein Erstaunen über die Elektropop-Prinzessin angesehen haben. „Magst du die nicht? Ich finde sie phänomenal. Okay, vielleicht bin ich ein wenig verknallt in sie“, sagt er augenzwinkernd.

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Rolling Stone Mick Jagger
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Der Mann hinter der Linse himself: Bryan Adams

Bryan Adams ist ein Mann ohne Berührungsängste. Ursprünglich und noch immer ein großer Verehrer von Hardrock-Legenden wie Black Sabbath, Deep Purple und Led Zeppelin, singt er auch jederzeit Schnulzen mit Elton John und Celine Dion, soult mit Smokey Robinson, beschert Tina Turner mit einem Duett einen Mega-Hit („Only Love“) und schmetterte „O Sole Mio“ mit Luciano Pavarotti. Er sieht aus wie der ewige Junge von nebenan und ist doch einer der gefeiertsten Fotografen der letzten Jahre, gibt mit „Zoo“ ein extra-stylisches Magazin für Kunst, Literatur, Architektur und Mode heraus. Hier in Chelsea ist das Hauptquartier des Magazinmachers Adams, die Hefte stapeln sich um uns herum: Großartige Fotos von Steven Klein, Nobuyoshi Araki, Karl Lagerfeld, Donald McPherson, David LaChapelle, Terry Richardson auf Covers und in großzügigen Storys, philosophische Abhandlungen über Kunst und Pornografie, Boy George als Punk und Pirat, von Adams selbst fotografiert, und da, eine Geschichte über Kate Boy, die beste Synthpop-Band der Welt, die leider viel zu wenige Menschen kennen. Ich liebe Kate Boy, sage ich. „Wer tut das nicht?“, sagt Bryan.Und jetzt hat der Mann, der sich erst bei genauerem Hinsehen als Chamäleon entpuppt, nach sechs langen Jahren wieder ein Studioalbum herausgebracht. „Tracks Of My Years“ heißt sie, eine CD mit Coverversionen von Hits aus seiner Jugend. Eine schöne Idee. „Ja, aber ich muss gestehen, es war nicht meine Idee“, sagt er überraschenderweise. „Ich hatte seit einiger Zeit keinen Plattenvertrag mehr in den USA. Dann kam das Verve-Label mit diesem Vorschlag auf mich zu. Ich war anfangs skeptisch …“ – Erstaunlich. Dabei klingt die neue CD nach einer echten Herzensangelegenheit, allein wie deine Stimme bei Chuck Berrys „Rock and Roll Music“ beinahe bricht ... – „Hey, versteh’ das nicht falsch“, sagt Bryan und setzt seine Teetasse mit Nachdruck ab, „wenn ich einen Auftrag annehme, tu’ ich das mit hundertprozentiger Leidenschaft. Oder ich lasse es. Außerdem“, sagt er und lächelt wieder, „hat die Sache dann doch immer mehr Spaß gemacht. Mit den Jungs im Proberaum zu stehen und zu überlegen, was wir spielen könnten. ,Hey, wie wär’s mit dem Song?!“ – „Kennst du den Riff noch?“ – „Warte, mir fällt gerade dieser geniale Titel ein!“ Das war beinahe wie früher.“

Der große Schauspieler Ben Kingsley, wie Bryan Adam ihn porträtiert hat.

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Früher, das war die Zeit, als der Teenager Bryan aussah wie der Sohn von Led-Zeppelin-Leadsänger Robert Plant und Janis Joplin und im Keller der Mutter mit seinen Schulkollegen jammte. „Robert Plant und Janis Joplin? Ja, das hat was. Die hab’ ich beide verehrt“, sagt Bryan, während er sein CD-Cover betrachtet. Es zeigt ihn als langhaarigen Jugendlichen. „Da war ich knapp 15. Ich hatte mich im Kunstunterricht für Fotografie entschieden. Ein Freund aus der Klasse hat das Bild mit meiner ersten Kamera gemacht. Zwei Monate später habe ich die Schule geschmissen.“ – Dein Vater war Offizier und Diplomat. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er da nichts dagegen hatte. Zum ersten Mal verdüstert sich der Gesichtsausdruck des sonnigen Mr. Adams. Seine Kaumuskeln arbeiten, während er die Teetasse auf dem Tisch vor ihm betrachtet. „Mein Vater“, sagt er langsam, während er wieder hoch blickt, „hätte sicher etwas dagegen gehabt. Aber er war nicht da! Er hat meine Mutter alleine gelassen. Sie war ganz auf sich gestellt, musste irgendwie meinen Bruder und mich durchbringen. Immer wieder war der Kühlschrank leer, wenn ich nach Hause kam. Obwohl sie täglich in einem Pub schuftete und sich von schmierigen Typen das Trinkgeld in den Ausschnitt stecken lassen musste. Ich hab’ die Schule nicht aus Jux und Tollerei geschmissen. Mir blieb nichts anderes übrig, als selbst Geld zu verdienen. Zuerst in der Küche eines Burger-Ladens, dafür hab ich sogar meine Haare abgeschnitten. Dann kamen zum Glück bald Aufträge als Musiker dazu.“ Bryan hat sich wieder im Griff, nimmt einen Schluck Tee. „Meine Mutter hatte übrigens einen tollen Busen“, sagt er und zwinkert wie ein Teenager. Wie wurde eigentlich aus dem hemdsärmeligen Musiker Bryan Adams der vielgepriesene Fotograf und Kunstmagazin-Herausgeber? „Nur dass man die Schule nicht fertigmacht, heißt ja nicht, dass man aufhört zu lernen. Kunst hat mich immer interessiert, alles, Malerei, Architektur, Literatur. Und fotografiert hab’ ich seit dem Kurs damals in der High-School. In den 90ern war ich dann auf einem Level, wo ich sagen konnte: Meine Bilder sind mindestens so gut wie die anderer, bekannter Fotografen. Und ich hatte natürlich gute Kontakte zu interessanten Menschen aus der Kunstszene. Menschen, deren ganz besonderen Charakter ich festzuhalten versuche … So führte eins zum anderen.“

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Letzte Frage, eine unvermeidliche: Summer of 69, dein absoluter Mega-Hit… – „Jaaa?“, sagt Bryan und beugt sich vor. Also, in diesem Song geht’s doch … um Sex, oder? Bryan starrt mich an und ich bin mir plötzlich nicht ganz sicher, ob er gleich lauthals loslachen oder wortlos meinen Kaffee abservieren wird. „Ja“, sagt er schließlich. „Auch. Es geht um eine Zeit der Entdeckungen, der ersten Erfahrungen. Mann, damals mit diesem Mädchen auf der Veranda ihrer Mutter – ich war tatsächlich überzeugt, es würde für immer dauern. Pure Magie…“ – Aber 69, beschreibt das dann eine bestimmte Position? Denn im Jahr ´1969 warst du ja gerade erst zehn? Bryan Adams nimmt einen letzten Schluck aus seiner Tasse, lehnt sich zurück und blinzelt entspannt wie eine Katze auf einer sonnegewärmten Bootsplanke. „Na gut, ich sage es einmal so: 69 ist definitiv keine Jahreszahl...“

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Auch Billy Idol ließ sich von Bryan Adams ablichten.

Bryan Adams’ Fotos sind noch bis zum 5. Oktober in der Stadtgalerie Klagenfurt zu sehen.

Am 15.Dezember tritt er mit Band um 19.30 Uhr in der Wiener Stadthalle auf.

„Tracks Of My Years“ , das neue Album mit Coverversionen von Hits aus Bryan Adams Jugendtagen

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Bryan Adams Copyright: Universal Music
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