Star der Woche: Grimes

Star der Woche: Grimes
Nehmt mich beim Wort, diese junge Frau aus Kanada wird das nächste gaaaaanz große Ding im internationalen Pop: Claire Elise Boucher, besser bekannt unter dem Namen Grimes. Außerdem: Neue CDs von Little Simz, Ages, El Vy, Mapei, Mono & Nikitaman. Und eine Playlist mit Chairlift, Viech, Adele, Savages, den Sofa Surfers u.a.

Katholische Schule, strenge Eltern und ein jagender Großvater, der ihr schon als Kind das Schießen beigebracht hat. Claire Elise Boucher, geboren am 17.3.1988 in Vancouver, kann sich nicht über mangelnde Reibungsflächen in ihrer Jugend beklagen. Als Teenager wird sie Anhängerin eines Wicca-Kults, rasiert sich den Kopf und fliegt nach zwölf Jahren semiprofessionellen Unterrichts aus ihrer Ballett-Schule. Sie ist der schräge, fast ein wenig unheimliche Außenseiter, den man aus allen amerikanischen Teenager-Filmen kennt.

Schließlich studierte sie Physik und Philosophie auf der "McGill" in Montreal, einer der besten Universitäten Kanadas. Erst in dieser Phase begann sie, Musik zu machen. Alles in Eigenregie, Sampler, Synthie und Computer - sie ist ein Technik-Freak. Nach einigen Fingerübungen veröffentlichte sie 2012 ihr preisgekröntes Album "Visions". Seitdem gilt sie als potenzieller Superstar. Mit der Nachfolge-CD ließ sie sich reichlich Zeit, angeblich nimmt sie tatsächlich bereits seit drei Jahren Songs dafür auf. Anfang Dezember soll es endlich so weit sein, "Art Angels" ist fertig. Und die Single "Flesh Without Blood" lässt auf eine phänomenale Scheibe hoffen. Spannender, bunter, unterhaltsamer und vor allem besser kann Pop heute kaum sein:

Superheldin, Prinzessin, Disco-Queen und Drachentöterin - Grimes ist mehr als eine Musikerin. Bouchers Alter Ego ist seit Jahren ein Idol der Außenseiter, Nerds und Freaks. Von denen es mittlerweile so viele gibt, dass sie durchaus marktrelevant sind. Wie auch die Tatsache zeigt, dass Hollywood- und TV-Promis brav und selbstverständlich auf früher vom Mainstream belächelten Veranstaltungen wie der Comic Con in San Diego antanzen. Auf der ist Grimes ein gefeierter Star - gleich neben dem Cast von Erfolgsserien wie "Game Of Thrones".

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Apropos: Natürlich ist Claire Elise Boucher auch Fan der Serie. Sie vergleicht sich sogar mit Daenerys "Sturmtochter" Targaryen, der wahren Königin des gewaltigen Epos. "Ich weiß, dass mich manche ,Experten' nicht ernst nehmen, weil ich eine Frau bin und ziemlich zart und eine ,Mädchenstimme' habe. Vor lauter Vorurteilen denken sie gar nicht daran, dass ich alles an meiner Musik selbst steuere. Ich bin die Komponistin, Musikerin, Sängerin, Technikerin, Produzentin - ich bin es, die allein über alles bestimmt", sagt sie. Um dann fortzufahren: "Aber wie die Khaleesi hab auch ich zum Glück einen Tyrion, der mir mit gutem Rat zur Seite steht. Wenn ich ihn danach frage." Wer das ist? Ihr Freund natürlich, Indie-Musiker und erklärter Feminist James Brooks.

"Art Angels", die neue CD von Grimes wird am 11.12. erscheinen (digital schon früher). Und sie wird ein richtig buntes, poppiges und trotzdem intelligentes Teil - davon kann man ausgehen. Mit "Realiti" hat Fräulein Boucher auch einen Fan-Favorite draufgepackt, den sie schon vor einiger Zeit digital veröffentlicht hat.

Nicht auf der neuen CD zu finden sein wird "Go". Der Hit, den Claire Boucher ursprünglich für Rihanna geschrieben hat. Nach gescheiterten Vertragsverhandlungen nahm Grimes das Auftragswerk kurzerhand selbst auf und feierte mit der ungewohnt kommerziellen Nummer große Erfolge. Zum Leidwesen ihrer eingeschworenen Fans, die sich vor den Kopf gestoßen fühlten. Ob sie diese Entscheidung vorher mit ihrem "Tyrion" abgesprochen hat?

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HIP-HOP
A CURIOUS TALE OF TRIALS AND PERSONS
LITTLE SIMZ
Die Rapperin aus Nord-London hält nichts von Zurückhaltung. Sie setzt bei ihrem Debüt alles auf eine Karte – und legt ein überbordendes und dabei schon fast geniales Album vor. „Women can be kings“ sagt sie trotzig zum Einstieg. Recht hat sie. Soul, Broken Beats, R’n’B – Simz ist die 21-jährige, zeitgemäße Version von Lauryn Hill. Und wenn sie ganz zart „I know you don’t need nothing from me“ singt, will man sie am liebsten in den Arm nehmen und sagen: „Doch, noch tausend Songs –
bitte.“ (Rough Trade)
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INDIEPOP/ELEKTRO
ROOTS
AGES
Als A. G. Trio ließen die drei Oberösterreicher erfolgreich Kids über die Tanzböden der Welt hüpfen – unter dem Namen Ages legen sie es etwas langsamer, düsterer an. Aber auch um ein Hauseck melodischer. Mit der Single „Hymn“, gesungen von der fantastischen Inner (Loving.The.Alien) haben sie mich auf Anhieb überzeugt. Von Inner kommen noch zwei Highlights: die Elektro-Ballade „Your Words“ und das gebrochen flirrende „Your War“. Dazu Songs von Susanna Sawoff, Zanshin (Ogris Debris), Yasmo u.a. Sehr klass. (Etage Noir)
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SOUL/DANCE
HEY HEY
MAPEI
So lange haben wir nach „Don’t Wait“, dem entzückenden Sommer-Hit 2014, gewartet – jetzt ist die erste CD der Schwedin endlich da. Und gleich nach dem altbekannten Song zum Auftakt der erste Schock: „Change“ – uninspirierteren Elektropop hab ich lange nicht gehört. Doch dann kommt das zarte, „Blame It On Me“ mit Kinderorgel und Synkopen, und alles ist wieder gut. Elf liebevoll arrangierte Songs zwischen Retro-Ballade („As 1“) und Soul-Stampfer („You Know Nothing“). Und Mapeis Stimme ist sowieso der Himmel. (Sony)
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SONGWRITER
RETURN TO THE MOON
EL VY
El wie? Wer? Okay, Matt Berninger, dem dauermelancholischen, Rotwein trinkenden Chef der Kult-Band The National ist langweilig geworden – also hat er sich eine Zweit-Band zugelegt. Und ein paar der besten Songs aufgenommen, die ihm in den letzten Jahren eingefallen sind. Wo The National in letzter Zeit etwas zu selbstzufrieden dahinschrummen, sind El Vy witzig („The Man To Be“), energisch – und haben mit „No Time“ und „It’s A Game“ sogar die besseren National-Balladen aufgenommen. (4AD)
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DANCEHALL/Reggae
IM RAUCH DER BENGALEN
MONO & NIKITAMAN
Wenn Mono „... die Welt von oben sieht gut aus“ singt, möchte man tatsächlich mit ihr ganz oben auf dem „Parkdeck“ stehen und die Arme ausbreiten. Und der Single-Hit ist keinesfalls der einzige Höhepunkt. „Keine Schuhe“ holt die besten Sommer-Vibes zurück, „Bis ans Ende der Welt“ ist ein herzerwärmender Liebes-Reggae, „Irgendwie Und Ich“ ein perfekter Großstadtcowboy-Track, „Nichts zu verlieren“ wird noch ganze Stadien zum Mitsingen bringen. Schön gemacht. (M&N)

GRIMES: Flesh Without Blood – Nehmt mich beim Wort: Die junge Frau aus Kanada wird das nächste gaaaaanz große Ding im internationalen Pop.

SOFA SURFERS: Beyonder Girl – Die Bässe wummern, die Synthies drücken an, Mani Obeya singt wie ein Soul-Engel. Großartig.

CHAIRLIFT: Ch-Ching – Indie-Darling Caroline Polachek hat zuletzt für Beyoncé gearbeitet. Best Pop, sexiest Diva around.

CHRISTINE & THE QUEENS: Jonathan – Queen Christine gemeinsam mit Queen Perfume Genius. Zum Weinen schön.

ADELE: Hello – Ganz großes Kino. Auch ganz ohne Bond. Ich mag Damon Albarn ja wirklich gern. Aber warum er so auf dieser Scheibe rumhackt, versteh ich nicht.

CAM & CHINA: Run Up – Minimal Keyboard-Hook, maximum Dirt-Talk. Die Rapperinnen aus L.A. sind fresh.

SAVAGES: The Answer – Auf die Knie! Camille Berthomier ist die Hohe Priesterin des Post Punk.

VIECH: Zentrale – Seit „Steuermann“ eine der besten Bands Europas. Was die neue Single bestätigt.

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