Max Franz über Härte

Max Franz über Härte
Skirennläufer Max Franz, 25, ist einer der Hauptdarsteller in einem neuen Film über die Streif. Der Untertitel „One Hell Of A Ride“ spricht Bände: Man muss zu den Besten gehören, um die schwierigste Abfahrt der Welt zu bezwingen. Ein Gespräch über den Traum vom Siegen und den Umgang mit Angst und Verletzungen.

freizeit: Herr Franz, Sie spielen in einem neuen Film über die „Streif“ mit. Es werden darin sehr viele Stürze gezeigt. Muss man als Abfahrer mit der Gefahr leben?

Max Franz: Das gehört dazu. Aber wir trainieren den ganzen Sommer, damit wir so gut wie möglich am Ski stehen. Dann können wir solche Situationen vermeiden. Trotzdem kommt es immer wieder zu schweren Stürzen, wenn man an Hans Grugger oder Daniel Albrecht denkt. Beide sind in Kitzbühel verunglückt. Der Teufel schläft nie. Aber es kann immer und überall was passieren. Man kann auch zuhause in der Dusche ausrutschen.

Duschen muss man, die Streif runterfahren nicht.

Das stimmt, aber wenn jeder so denkt, werden wir nie Grenzen ausloten. Das liegt in der Natur des Menschen. Bei uns Skifahrern geht es nicht immer um das eigene Fahrverhalten, sondern oft auch ums Material. Manchmal geht eben eine Bindung auf. Aber je besser du trainierst, desto eher kannst du auch mit einem Ski weiterfahren und einen Sturz verhindern.

Sie waren selbst auch schon oft verletzt ...

Naja, oft ... Ich hatte 2006 einen Oberschenkeltrümmerbruch und 2009 eine Kreuzbandriss.

Nach einem Sturz im Super-G von Beaver Creek 2012 hatten Sie eine Gehirnerschütterung und eine Nasenbeinfraktur – und nach dem Oberschenkelbruch sind Sie 18 Monate ausgefallen. Steckt man das so leicht weg?

Das mit dem Oberschenkel war sehr mühsam. Zuerst hat es geheißen, ich bin nach sechs Monaten wieder fit. Aber dann ist eine Bruchheilstörung dazu gekommen und es hat länger gedauert. Im Kopf bin ich aber immer weitergefahren und war richtig heiß auf das Comeback. Dieser Hunger ist auch der Grund, warum viele Sportler nach einer Verletzung oft besser drauf sind, als vorher.

Wie lange machen Sie Pause, ehe Sie nach einer Weltcup-Saison mit dem Training für das kommende Jahr beginnen?

Nach der letzten Saison war ich eine Woche in Kanada Heliskiing, danach habe ich mir den Weisheitszahn ziehen lassen. Das hat mich zwei Wochen gekostet und war meine Ruhephase. Danach ist es losgegangen.

Haben Sie immer Lust auf Sport?

Natürlich nicht immer, aber dann denke ich mir: Wie lange kann ich meinen Sport noch ausüben? Ich bin jetzt 25. Da bleiben mir vielleicht noch zehn Jahre. Ich will mir nicht einmal vorwerfen müssen, dass ich in dieser Zeit nicht alles gegeben hätte.

Im Film sieht man, wie Sie einen Karren über einen Hügel hinaufziehen und Ihr Kopf vom Trainer mit Hilfe eines Bandes stabilisiert wird. Das wirkt wie Folter.

Von nichts kommt nichts. Du musst den Kopf stabil halten können, auch wenn es noch so ruckelt. Man muss immer einen fixen Punkt im Auge behalten, sonst sieht man nichts und dann wird es gefährlich. Das muss sein. Ich trainiere im Sommer am Vormittag drei Stunden und am Nachmittag noch zwei. Aber wir versuchen das Training abwechslungsreich zu gestalten. Zwischendurch spiele ich auch Tennis oder Golf, weil es gut für die Konzentration ist. Umso mehr man gelernt hat, desto mehr kann man in bestimmten Situationen anwenden.

Sie sind sehr muskulös. Ist es für einen Skifahrer wichtig, viele Muskeln zu haben?

Es ist ganz einfach. Muskeln kann man bewegen, Fett fährt mit. Aktive Masse ist immer besser als passive. Früher waren die Abfahrer g’scheite Brocken. Aber damals ist es fast nur geradeaus gegangen. Heute sind die Strecken viel technischer. Da ist ein gut trainierter Körper wichtig.

Ich bin einmal im Starthaus der Streif gestanden. Im Fernsehen sieht man nicht, wie steil es dort runtergeht. Was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als Sie zum ersten Mal oben waren?

Ich habe mir nur gedacht: Wie soll ich da jemals in vollem Tempo runterfahren? Es ist so schmal, dann neigt sich der Hang wieder extrem, dazu die engen Kurven und die vielen Wellen. Aber dann hab’ ich einfach angetaucht und bin in aufrechter Position losgefahren. Nachdem ich die erste Kurve sauber genommen und die Mausefalle gut bewältigt hatte, wusste ich: es geht! Für die Abfahrt brauchst du viel Erfahrung. Meistens stehen ältere Fahrer auf dem Podium, aber es gibt auch Ausnahmen.

Ihre beste Platzierung in Kitzbühel war bisher ein dritter Rang im Super G 2014. Wie hungrig sind Sie denn auf den ersten Sieg in der Abfahrt?

Das ist mein großes Ziel. Aber eine Gams habe ich zumindest schon. Im Super G ist sie aus Glas mit Gold, Silber und Bronze eingefasst, in der Abfahrt sind die Gämsen ganz aus Edelmetall. Ich habe zu meinem Cousin (Anm.: der Ex-Skirennläufer Werner Franz, der in Kitzbühel acht Mal auf dem Podest war) gesagt: „Jetzt habe ich die erste Gams.“ Sagt er: „Was für eine Gams?“. Da sind wir draufgekommen, dass man zu seiner Zeit für die Podestplätze noch keine bekommen hat. Schade, weil sie schön ist.

Warum hat Kitzbühel eigentlich so eine Sonderstellung als Abfahrtsrennen?

Es gibt Passagen wie sonst nirgendwo auf der Welt. Zum Lernen hat man nur in den zwei Trainingsläufen Zeit. Die ersten 40 Sekunden sind ein Wahnsinn.

Fahren Sie einmal in Gedanken los.

Du tauchst raus und es geht gleich senkrecht runter. Dann kommt ein Sprung, die Kompression und ein U-Hakerl, danach die Steilhang-Einfahrt. Nach der Steilhangausfahrt siehst du nur Netz. Zeit zum Denken hatte man bis hierher nicht. Das geht erst, wenn man in den Ziehweg reinfährt. Und dort fragt man sich: Was ist da jetzt eigentlich gerade passiert?

Wann haben Sie begonnen, Ski zu fahren?

Mein Papa hatte eine Skischule am Nassfeld. Sobald ich gehen konnte, hat er mich hochgehoben und ist mit mir auf den Berg gefahren. Danach hat er mich auf die Skier gestellt und ich bin gerade runtergefahren. Bogen fahren habe ich gelernt, weil ich am Rand vom Hang einen Bekannten gesehen habe. Durch die Gewichtsverlagerung bin ich dann nach rechts gefahren. Auf der anderen Seite habe ich eine Pistenraupe gesehen und bin nach links. Das war’s.

Ihr erstes Rennen?

Das weiß ich nicht mehr genau, aber an eines kann ich mich erinnern. Die Strecke hatte brutale Wandln und ich bin schön um die Tore gefahren, aber auch in die Wandln reing’fahren und rausg’hüpft – wie auf einer kleinen Schanze. Da stand eher noch der Spaß im Vordergrund als der Wunsch, der Schnellste im Ziel zu sein.

Stört es Sie, dass der Skisport immer härter wird und die Vermarktung immer bedeutender?

Ohne Sponsoren wäre ich nicht da, wo ich heute bin. Sie geben uns die Möglichkeit, bestmöglich zu trainieren und an der Weltspitze mitzufahren.

Denken Sie manchmal daran, dass es Jahre gibt, in denen kaum noch Schnee fällt? Auch in Kitzbühel musste er schon mit dem Hubschrauber eingeflogen werden.

Mir kommt vor, dass sich alles nach hinten verlagert. Wann hatten wir zuletzt weiße Weihnachten? Ich weiß es nicht. Aber wenn ich mir darüber auch noch Gedanken mache, muss ich zum Schluss kommen, dass in einigen Jahren eh nix mehr geht. Und das ist nicht unbedingt mein Ziel.

Was ist Ihr Ziel?

Zu gewinnen.

Ihr Lebensmotto: Er kam, fuhr und siegte?

Warum nicht. Und: Hurra die Gams!

Max Franz, 25, wurde 1989 in Klagenfurt geboren. Sein Cousin ist Ex-Skirennläufer Werner Franz, der 19 mal in Weltcup- Rennen auf dem Podest gestanden ist. Max kann bisher zwei Podest- plätze – einen zweiten Platz 2012 in der Abfahrt von Lake Louise und einen dritten Platz im Super G von Kitzbühel 2014 – für sich ver- buchen. Ein einziges Vorbild hat er nicht, Max Franz bewundert mehrere Sportler: Seinen Cousin Werner, aber auch Hermann Maier oder Franz Klammer. Der Kärntner ist im Film „Streif – One Hellof a Ride“ zu sehen, der ab 25. Dezember in die Kinos kommt. Anlass dafür ist ein Jubiläum: Das legendäre Hahnen- kammrennen, bei dem auch Franz wieder starten wird, findet 2015 zum 75. Mal statt.

www.maxfranz.at

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