Der letzte Schrei

Und wieder ein Internet-Hype: In „Audible Porns“ zeichnen Menschen ihre Geräusche beim Sex auf und stellen die erotischen Tonspuren ins Netz, die dann von anderen Menschen „konsumiert“ werden. Insoferne ein interessanter Boom, als wir von Bildern sexueller Natur geflutet werden. Aber vielleicht sind die leisen Töne die spannenderen.

Porno – für deine Ohren“, steht da in Großbuchstaben. Ein privater Blog, keine schlüpfrige Werbeseite – auf dem sich die Verfasserin völlig hingerissen wegschwärmt: „Ich muss jetzt endlich gestehen, dass ich audiophil bin. Ich schaue manchmal Pornos, bin davon kein großer Fan – aber die Geräusche! Es ist für mich erregend, Menschen dabei zuzuhören, wie sie zum Höhepunkt kommen.“ Dazu brauche es keine Bilder, eine Tonspur reicht.

Die Frau hat Glück – sie muss sich nämlich nicht nachts auf die Lauer legen und dem Treiben der Nachbarn an der Wand lauschen, um zu bekommen, was sie anturnt. Nein, sie braucht sich heutzutage nur mehr an den Computer zu setzen und das da googeln: „Audible Porn“ oder aber: „Audible Erotica“. Die sind nämlich gerade der letzte Schrei in Sachen Anreger und werden bereits als heißer Internet-Hype gefeiert. Das Spannende daran: Es handelt sich dabei keineswegs um gekünstelte Silikonbrust-Töne der geheuchelten Überzeugung, also nicht um die typischen „Ahhhh‚ O-O, Oh-Gott-so-gut“-Sounds. Sondern um Originaltöne von echten Paaren, die echten Sex haben, ihn aufzeichnen und schließlich in einem sozialen Netzwerk – oft Tumblr – hochladen. Dort findet man dann unter der Rubrik „Audio Porn“ allerlei Hörenswertes – unter anderem die Geräusche von Leuten, die sich nicht still mit sich selbst beschäftigen, heißt: masturbieren.

Ich finde ja sehr spannend, dass sich Menschen in einer Welt, die mehr denn je von Bildern lebt und von Bildern geflutet wird, plötzlich auf die reine Geräuschkulisse reduzieren. Was haben wir nicht schon alles gesehen – Amateurpornos, Dickenpornos, Omapornos, Dreier, Vierer, übereinander, ineinander, hintereinander. Und dann – plötzlich – einfach nur ein bisschen Atmen, Seufzen, Stöhnen, ein leises Ah, ein hingeatmetes „Ja“, ein „Du“, ein „Mach weiter“... Vermutlich funktioniert das deshalb so gut, weil das müde gewordene Kopfkino wieder zum Leben erweckt wird, indem wir uns die Bilder zur Tonspur selbst zusammenbasteln. Je nach Belieben. Und natürlich addiert sich dazu eine Form des Voyeurismus – auch, wenn es dabei gar nix zu sehen gibt.

Dass das Hören eine große erotische Komponente in sich birgt, ist bekannt. Darauf beruht jedes Liebesgeflüster, darauf beruhen viele Songs. Und vielleicht auch das Konzept japanischer Ohrputz-Dienstleister – Mimikaki-Salons genannt – obwohl ausdrücklich betont wird, dass es sich dabei keineswegs um sexuelle Dienste handelt. Aber freilich: Der Kunde liegt im Schoß der „Ohrenputzerin“. Bleibt die Frage: Wie stöhnt man richtig? Ja, ich weiß: Da gibt’s kein Richtig und kein Falsch. Aber es gibt ein Anders. In Tantra-Seminaren können Interessierte lernen, sich mit schnellem, tiefen Atmen in die Ekstase zu hecheln. Wichtiger Punkt: Man sollte sich dabei vorstellen mit jedem Einatmen würde die Luft bis zu den Geschlechtsteilen fließen und sie liebkosen. Nicht nur ein Befreiungsakt, sondern auch eine Möglichkeit, die Vorstellungskraft anzuregen – vor allem aber: sich selbst „zuzulassen.“ Rein wissenschaftlich betrachtet handelt es sich dabei um nichts anderes als Hyperventilieren. Das kann aber egal sein, Hauptsache, es wirkt.

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