Schöne neue Welt? Wie sich unser Leben verändern wird

Schöne neue Welt? Wie sich unser Leben verändern wird
Ein Blick in die Zukunft mit atemberaubenden Aussichten und beängstigenden Visionen: Urlaub auf dem Mars, U-Boote in unseren Blutbahnen und 100-Millionen-Metropolen.

Zwei Mitwirkende überraschen diesen Sommer die Zuschauer der Salzburger Festspiele. Als sie sich nach dem Ende der „Liliom“-Aufführung verbeugen, ist den beiden Robotern der Applaus sicher. Maschinen als Schauspieler – kein Wunder, in einer Zeit, in der Weltraumtourismus nicht mehr unrealistisch ist und man bereits von Urlaub auf dem Mars spricht. Raumfahrt-Visionär Elon Musk, der vor vier Wochen erfolgreich sein Star Hopper-Rakete Richtung Mars schickte, ist überzeugt: Schon ab 2025 werden die ersten Menschen – nach 210 Tagen Flugzeit – auf der rostfarbenen Sandfläche des Mars landen. Die NASA hält eine bemannte Mars-Mission frühestens in den 2030-Jahren für möglich. Immerhin hat Weltraum-Pionier Wernher von Braun bereits 1952 sein Marsprojekt vorgelegt. Und heutige Utopisten sprechen auch von Kolonien auf dem Mond – die 2050 Realität sein sollen. Bei Fritz Lang reist bereits 1929 im Science-Fiction-Stummfilm Die Frau im Mond zum fernen Planeten.

Schöne neue Welt? Wie sich unser Leben verändern wird

Bereits 1929 reist ins Fritz Langs Stummfilm "Die Frau im Mond" zum fernen Planeten.

Segen oder Fluch?

„Das wahre Zeichen von Intelligenz ist nicht das Wissen, sondern die Vorstellungskraft“, meint Albert Einstein. Ist das eine schöne, neue Welt, auf die wir uns unaufhaltsam nähern? Welche Ideen werden das Universum revolutionieren? Bedeuten neue Technologien Segen oder Fluch?  Aber manche Aussichten sind beklemmend, dramatisch, katastrophal. Etwa wenn die junge Klimaaktivistin Greta Thunberg mit ihrem Spruch „I want you to panic“, aber auch weltweit Wissenschaftler die Öffentlichkeit aufrütteln und von der unbewohnbaren Erde sprechen. Wenn sich der Planet in den nächsten Jahrzehnten um zwei, drei oder noch mehr Grad erwärmt und auch bei uns ganze Regionen zu Steppen werden könnten: Der „New York Magazine“-Journalist David Wallace-Wells zeigt nach jahrelangen Interviews mit Forschern apokalyptische Facetten des Klimawandels auf: Hunger und Hitzetod, Süßwassermangel und sterbende Meere, Klimakriege und Seuchenalarm.

In der Welt von morgen werden aber auch neue Technologien unser Leben verlängern. Schon heute verfügt ein Smartphone über mehr Leistung als sämtliche Computer der NASA vor 50 Jahren. Viele lebensbedrohliche Krankheiten sollten irgendwann heilbar sein: Krebs wird in 30 Jahren kein Todesurteil mehr sein, sondern einer chronischen Krankheit gleichen, Onkologen programmieren das Immunsystem des Menschen neu und starten so einen massiven Angriff auf Tumore, Patienten mit Metastasen könnten dann geheilt werden.
Blinde werden wieder sehen. Die digitale Zukunft der Medizin hat längst begonnen: Roboteranzüge werden in wenigen Jahren querschnittgelähmten Menschen helfen aufzustehen und mit Krücken zu gehen. Und Blinde werden wieder sehen.

Immer mehr junge Frauen werden ihre Eizellen einfrieren lassen, um in späteren Lebensjahren ein gesundes Kind zu bekommen. Auch für unfruchtbare Männer gibt es Hoffnung: Durch Reprogrammierung aus Hautzellen entstehen einsatzbereite Samenzellen.

U-Boote in der Blutbahn

Noch eine Zukunftsvision: Nanobots werden in den Körper injiziert. Die winzigen Roboter ziehen wie U-Boote durch unsere Blutbahnen und dringen in Organe oder sogar Zellen ein: Dort erstellen die molekularen Spürhunde präzise Diagnosen und bohren sich wie eine Lanze in Tumore, um sie zu zerstören. Bald werden Informationen aus unserem Innersten direkt über die Retina ins Kleinhirn projiziert. Und wir werden vermutlich Gegenstände nur durch Gedanken bewegen. Die Wissenschaft weist den Weg. Gehen müssen wir ihn selbst.

Die Vision von menschlichen Organen, die im Labor gezüchtet werden und mit Hilfe von 3D-Druckern entstehen, ähnelt einem Szenario aus Dr. Frankensteins Labor: Diese Ersatzteile für den menschlichen Körper werden biologisch perfekt auf den Empfänger zugeschnitten sein. Die neuen Organe entstehen aus Stammzellen, die dem eigenen Körper entnommen und in Kulturen vermehrt werden. Vor allem auch bei der Behandlung von Herzkrankheiten, Parkinson oder Querschnittlähmung.

Ziel Präzisionsmedizin

Offen bleibt die Frage der Ethik. Auch Genetiker Markus Hengstschläger wagt für die freizeit einen Blick in die Zukunft: „Die nächsten zehn Jahre werden von der Digitalisierung der Medizin geprägt sein. Künstliche Intelligenz wird es wahrscheinlich möglich machen, viel mehr Schlüsse als bisher aus den genetischen Daten von Patientinnen und Patienten ziehen zu können. In 30 Jahren wird es vielleicht Routine sein, seine individuellen genetische Daten durch künstliche Intelligenz dahingehend interpretieren zu lassen, welche Krankheitsneigungen man hat, welche Medikamente bei wem am besten wirken oder welche Ernährung individuell empfehlenswerter erscheint: Eine auf jeden Menschen persönlich angepasste Präzisionsmedizin ist das Ziel. Wir sollten uns schon heute darüber Gedanken machen, welche positiven Entwicklungen davon wir fördern sollten und welche ethische Diskussionen wir begleitend führen müssen.“

Gesundheitscheck am Flughafen

Und auch der Arzt und Theologe Johannes Huber blickt voraus: „Bei der Kontrolle auf Flughäfen wird man in zehn Jahren über die Gesichtserkennung nach seiner Identität überprüft – dies wird gleichzeitig ein Gesundheitscheck sein. Bereits jetzt erkennt man mehr als 200 Erbkrankheiten durch die Gesichtsanalyse. In Zukunft wird man sofort wissen, welcher Facharzt aufzusuchen ist.
 In 20 Jahren wird etabliert sein, was momentan möglich, aber noch kontroversiell diskutiert wird: Der Engpass an Spenderorganen wird dadurch behoben, dass man die gebrauchten Organe in Tieren, immunologisch angeglichen, heranwachsen lässt. In 30 Jahren werden die männlichen Spermien – durch das Environment belastet – so schlecht sein, dass sich die Fortpflanzung nicht mehr im Bett, sondern in der Retorte abspielen wird. Das alles führt zu einem Neofeudalismus, um Renata Schmidtkunz zu zitieren: Die Feudalherren von morgen werden aber nicht mehr die Adeligen sein, sondern die Konzeptionisten der Künstlichen Intelligenz, die auch die Medizin revolutionieren wird.“

Die virtuelle Braut

Schon heute leben wir in einer verrückten Welt. Der Japaner Akihiko Kondo hat vor ein paar Monaten Hatsune, die „Liebe seines Lebens“ geheiratet. Kein Verwandter, nicht einmal seine Mutter wollte kommen, das lag an der Braut – einer virtuellen Figur, die als animiertes Hologramm in einer Glaskapsel lebt. Sie weckt ihren Mann jeden Morgen, schreibt sehnsuchtsvolle SMS ins Büro – und wenn sie ihn abends erwartet, leuchtet sie blau …

Schöne neue Welt? Wie sich unser Leben verändern wird

Der Japaner Akihiko Kondo hat die „Liebe seines Lebens“ geheiratet. Eine virtuelle Figur.

Wien–Salzburg in 15 Minuten

Bereits vor 80 Jahren sprach Henry Ford von einer „Kombination aus Flugzeug und Auto. Ihr könnt lachen, aber es wird kommen …“ Über Staus hinwegzugleiten wird in Zukunft Realität sein: In mehr als 30 Filmen – von „James Bond“ bis „Zurück in die Zukunft“ – sah man fliegende Autos. Weltweit sind verschiedene Modelle knapp vor der Zulassung, bald wird es sie geben. Vorerst als Drohnen-Taxis, in denen wir ins Büro oder zum Workout fliegen. Mit einem anderen futuristischen Transportsystem will Elon Musk den Verkehr von morgen revolutionieren: Sein Hyperloop-Projekt soll mit Flugzeugen und bis zu 500 km/h schnellen Magnetschwebebahnen konkurrieren: Menschen flitzen dann, wie früher Briefe in Rohrpostschächten, durch Stahlröhren. Schneller als im Flugzeug, mit mehr als 1.200 Stundenkilometern sind mutige Reisende dann „sanft, als ob man auf Luft fährt“ (Musk) unterwegs. Von Wien nach Salzburg in rund 15 Minuten. Oder weltweit von Megacity zu Megacity.

100-Millionen-Metropole

Bereits in zehn Jahren werden sich in New-Delhi rund 40, in Tokio fast 37 und in Kairo mehr als 25 Millionen Menschen drängen. In 30 Jahren werden fast zehn Milliarden Menschen auf unserem Planeten leben, zwei Drittel davon in Städten. Und in China entstehen schon heute Metropolen, in denen später mehr als 100 Millionen leben sollen. Längst setzt man auf digitale Technologie, um in den Smart Cities Ressourcen-schonender und halbwegs lebenswert existieren zu können. Allerdings ständig überwacht und manipulierbar, ohne jegliche Form der Intimität. Wie es George Orwell in „1984“ bereits beklemmend beschreibt.

Oft verschmelzen spektakuläre Science-Fiction-Prophezeiungen Jahre später mit der Wirklichkeit. Ist das eine Realität, die unser Leben verbessern wird? Wir werden zu entscheiden haben, was wir akzeptieren. Sonst ist es sinnlos, 100 Jahre alt zu werden.

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