Karin Lischka über Reiselust

Karin Lischka über Reiselust
Vor drei Jahren spielte die Wienerin Karin Lischka im preisgekrönten Werk „Atmen“ die Hauptrolle. Jetzt geht ihre Erfolgsstory weiter. Im nächsten Frühjahr ist sie in der Film-Biographie „Käthe Kruse“ zu sehen. Ein Gespräch über Strategien für schwierige Lebensphasen, Geschenke im Alltag und die Magie des Reisens.

freizeit: Frau Lischka, wie wird aus einer Beamtentochter eine international gefeierte Schauspielerin?

Karin Lischka: Ich habe immer gerne gesungen und deshalb Musical studiert. Bei einer Produktion der Festspiele Reichenau habe ich im „Zauberberg“ die Rolle eines verkrüppelten Mädchens gespielt. Es war ein großer Erfolg und ich habe tolles Feedback von meinen Lehrern bekommen. Da wusste ich, dass mir die Schauspielerei liegt.

Und dann kam gleich „Atmen“. Das vielfach ausgezeichnete Werk war der erste Film, in dem Sie die Hauptrolle gespielt haben. Ist so ein großer Erfolg zu Beginn einer Karriere Fluch oder Segen?

Auf jeden Fall ein Segen. Karl Markovics ist ein hervorragender Regisseur. Da ist es immer ein Vorteil, wenn man bei so einem Projekt dabei sein und Erfahrungen sammeln kann.

Markovics hat im Oscar-gekrönten Film „Die Fälscher“ die Hauptrolle gespielt. Hat Sie das nicht eingeschüchtert?

Nein, gar nicht. Er ist so bodenständig und lieb und ein so neugieriger Mensch, mit sehr viel Interesse für sein Gegenüber. Das spürt man, wenn man ihn trifft. Da haben wir etwas gemeinsam. Deswegen haben wir auch sehr gut harmoniert.

Erleichtert ein Raketenstart eigentlich die weitere Karriere?

Ich arbeite seit meinem 18. Lebensjahr als Schauspielerin. Mittlerweile bin ich 35 und kann sagen, dass die Karriere einer Wellenbewegung unterliegt. Es gibt Phasen, wo es läuft und andere, in denen alles schwieriger ist. Das ist so, wenn man sich für den freien Markt entscheidet. Alles hat seinen Preis, auch die Freiheit. Aber für mich lohnt sich der Einsatz.

Haben Sie eine Strategie für beruflich schwierige Phasen entwickelt?

Es ist ganz wichtig, Lebensinhalte zu finden, die nichts mit dem Beruf zu tun haben. Bei mir war das immer das Reisen. Wenn ich gesehen habe, dass ich ein paar Wochen ohne Projekt war, habe ich meinen Rucksack gepackt und bin weggeflogen. So habe ich die Leere in etwas Positives umgewandelt und mir wieder Energie und Inspiration geholt.

Konnten Sie sich das Reisen in auftragsschwächeren Zeiten überhaupt leisten?

Ich reise sehr einfach. In Neuseeland zum Beispiel war ich fünf Wochen mit dem Zelt unterwegs, weil die Natur dort so schön ist. Mir ist es auch egal, wenn eine Unterkunft billig ist. Ich hatte nur einmal Pech. Ich buche fast nie vorab ein Zimmer und habe mit ein paar Freunden ein Hotel in der Nähe des Taj Mahals gesucht. Wir haben aber nur ein sehr schäbiges Hotel gefunden. Beim Einschalten des Ventilators sind die toten Ameisen von oben aufs Bett gefallen. Die Fenster waren auch ohne Glas und es war sehr kalt dort. Wir haben zwar nicht geschlafen, fanden es aber lustig. Das war unsere ganz spezielle „Indische Nacht“.

Anderen Menschen verdirbt so ein Erlebnis vermutlich den Urlaub.

Da ist halt jeder anders. Ich fand es nicht schlimm. Wenn ich unterwegs bin habe ich das Gefühl, am Puls des Lebens zu sein. Das entschädigt für vieles. Man begegnet immer offenen, großzügigen Menschen. Das ist mir überall auf der Welt aufgefallen. Haben Sie nie schlechte Erfahrungen gemacht? Im Gegenteil. In Uruguay bin ich einmal am Straßenrand gestanden, als plötzlich ein Pick-Up gehalten hat. Am Steuer saß eine schöne, junge Frau, die wissen wollte, was ich mache. Ich habe ihr erzählt, dass ich ein Hotel suche. Sie hat mich dann mitgenommen, um mir beim Suchen zu helfen. Schließlich habe ich zehn Tage mit ihr und ihren Freunden aus Montevideo in einem riesigen Haus gewohnt, das sie gemietet hatten. Wir sind noch immer in Kontakt.

Sie scheinen sehr flexibel zu sein.

Das bin ich definitiv. Deshalb mag ich auch meinen Beruf so gerne. Egal wo ich hinkomme, ich fühle mich zu Hause. Ich hatte schon so viele inspirierende Begegnungen, von denen ich mir auch ganz viel Input für meine Rollen holen kann.

Woher kommt Ihre Offenheit für andere Menschen?

Ich denke, das resultiert aus meiner Lebensgeschichte. Meine Mutter ist verstorben, als meine Schwester vier und ich acht Jahre alt waren. Ich musste schnell erwachsen werden und habe auch ein bisschen die Mama-Rolle für meine Schwester übernommen. Mein Vater musste als Beamter ja arbeiten. Und es gab eine Ersatzfamilie in Form von Kindermädchen. Es ging nicht anders. Das waren Aux-Pair-Mädchen aus Kenia, Südafrika, Ungarn oder Kärnten. Eine Chinesin hatten wir auch einmal. Das war irgendwie sehr bunt. Ich glaube, dass meine Offenheit von all diesen Begegnungen kommt.

Was hat das noch in Ihnen bewirkt?

Dass ich neugierig auf Menschen bin. Ich bin generell eine Beobachterin und auf jede persönliche Geschichte eines Menschen sehr gespannt. Ich bin unglaublich dankbar dafür, wenn mir jemand etwas aus seinem Leben anvertraut. Bei mir sind Dinge auch sehr gut aufgehoben, weil ich sie nicht weitererzähle. Man bekommt jeden Tag ganz viele Geschenke. Egal ob man irgendwo auf der Welt oder in Wien unterwegs ist.

Was meinen Sie da konkret?

Ich war einmal mit meiner Schwester fünfeinhalb Wochen in Mexiko, und wir hatten bei einem Ausflug nur zwei Euro dabei. Davon wollten wir uns eine Portion Reis, zwei Wasserflaschen und eine Kochbanane kaufen. 50 Cent haben aber gefehlt und wir haben einen Mann gebeten, uns auszuhelfen. Das hat er gemacht und dabei erzählt, dass er auf Hochzeitsreise ist, seine Frau aber krank im Zimmer liege. Er hat uns 20 Euro geschenkt und gemeint, wir sollten uns einen schönen Tag machen. Das sind Momente, die einfach toll sind. Wir haben uns ein fulminantes Essen gegönnt – und er hat sich auch gefreut.

Dieses einfache Leben, das sie beschreiben, weicht stark vom Glitzer und Glamour der Filmbranche ab. Können Sie damit überhaupt umgehen?

Ich gönne mir ja auf Reisen auch hier und da ein schönes Hotel. Und genauso wie ich die Vielseitigkeit beim Reisen liebe, liebe ich die Vielseitigkeit des Lebens. Das reicht vom selbst gemachten Tomatensugo mit Parmesan, das ein Freund gekocht hat, bis zu einem tollen Kleid, das ich mir ab und zu leiste.

Das „sowohl - als auch“ des Lebens liegt vielen Menschen. Angenommen, Sie müssten zwischen Glamour und Einfachheit wählen: Was wäre das Ergebnis?

Man kann auch als wohlhabender Mensch bewusst einfach leben, umgekehrt aber nicht. Man muss sich andere Fragen stellen. Muss ich für Glamour meine Seele verkaufen? Habe ich keine Freiheiten mehr? Kann ich als Mensch nicht mehr zu mir stehen? Oder kann ich auch weiterhin wahrhaftig sein und für andere eintreten? All das sind Qualitäten, die viel wichtiger sind als jedes Geld der Welt.

Apropos Geld: Sie hatten als Mitglied des Burgtheater-Ensembles schon einmal die Chance auf ein geregeltes Einkommen. Warum gibt man so etwas auf?

Ich bin nicht der Typ für ein fixes Engagement und möchte frei entscheiden, was ich spielen will. Wenn das Theater sagt, du bist in einem Stück drinnen, ist das so. Da kann man nicht sagen: Ich mache das nicht. Ich arbeite gerne projektbezogen, mache Lesungen, spiele Theater oder in einem Film. Dazu kommen die unterschiedlichsten Genres. Zuletzt habe ich einen historischen Film gemacht, was sehr spannend war.

Die Biografie über die Puppenmacherin Käthe Kruse, in dem Sie in der Rolle ihrer fiktiven Freundin Luise zu sehen sind ...

Genau. Im Gegensatz zur Rolle der Margit Kogler in „Atmen“, ist Luise eine quirlige, lebenslustige Frau. Eine Frohnatur. Es ist schön, wenn man im Beruf unterschiedliche Aspekte ausleben kann. Sonst würde mir schnell langweilig werden. Deshalb bin ich Schauspielerin geworden. In einem Büro würde ich eingehen wie eine Blume ohne Wasser.

Karin Lischka, 35, wuchs als Tochter eines Beamten und einer Finanzbuchhalterin in Wien-Währing auf. Weil sie gerne sang, studierte sie Musical und debütierte 2001 noch während ihrer Ausbildung bei den Festspielen Reichenau. Dort überzeugte sie mit großem Talent und wurde in Folge an das Theater in der Josefstadt und später an das Burgtheater geholt. Als freiheitsliebender Mensch verzichtete sie bald auf fixe Engagements und überbrückte spielfreie Zeiten mit Reisen in die ganze Welt. 2011 erhielt Lischka gleich in ihrem ersten Film die Hauptrolle: „Atmen“ wurde vielfach ausgezeichnet. Im Frühjahr 2015 ist sie in der Film-Biografie „Käthe Kruse“ zu sehen. Radiohörer kennen auch ihre Stimme – als Sprecherin von Werbespots für Gasteiner, Yakult und Granny’s Apfelsaft.

www.karinlischka.com

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