Schauspieler Devid Striesow: "Berühmt zu werden war nie mein Motor"

Schauspieler Devid Striesow: "Berühmt zu werden war nie mein Motor"
TV-Star Devid Striesow kommt heute nach Wien. Im Interview erzählt er, warum er den Tatort ad acta gelegt hat und wie es weitergeht.

Herr Striesow, Anlass für Ihren Wien-Beusch ist eine Lesung. Es geht um Pränimplantationsdiagnostik. Kurz erklärt: Im Reagenzglas enstandene Embryonen werden auf Erbkrankheiten und Erbanlagen hin untersucht. Ist das denn eine gute Entwicklung?

Ich finde das Thema spannend und mit gefällt der Text. "Die Unmöglichen" ist ein unterhaltsames und viele Richtungen auslotendes gelungenes Hörspiel. Aber ich habe das Thema an sich noch nicht zu Ende reflektiert. Es kommt auch auf die Position an. Wir unterhalten uns über die Zukunft, sind aber geprägt von der Vergangenheit. Deshalb hat das aus unserer Sicht nicht nur Vorteile, sondern auch Nachteile. Die Entwicklung ist schwer aufzuhalten. Deshalb ist es auch nicht wichtig, wie der Einzelne dazu steht.

Es ist auch immer öfter die Rede von Designer-Babys. Dann könnte es sein, dass Sie starke Konkurrenz bekommen undkünftlich unglaublich viele gute Schauspieler geboren werden.

In der Hochschule grassierte immer der Spruch: Zehn Prozent Talent, 90 Prozent Fleiß. Ich glaube, da ist ein bisschen was Wahres dran.

So gesehen könnte schon jetzt fast jeder Schauspieler werden und, ich sage es bewusst provokativ, reich und berühmt werden.

Was meine Motivation für den Beruf betrifft, muss ich sagen, dass reich und berühmt zu werden, nie mein Motor war. Ich bin da viel egoistischer. Bei mir ist der Antrieb, das zu machen, worauf ich dauerhaft Lust habe. Das ist immer noch das, woran ich mich festhalte. Und wenn ich auf etwas keine Lust habe, mache ich das auch nicht komischerweise. Reich und berühmt ist sehr schlicht. Einigen gelingt das ja auch, aber bei mir geht es eigentlich immer darum, eine gute Zeit zu haben. Man trifft dann auch schneller Entscheidungen.

Schauspieler Devid Striesow: "Berühmt zu werden war nie mein Motor"

Sie lesen häufig vor Publikum. Sedaris, Walser, jetzt "Die Unmöglichen" von Plamper/Kamphausen. Was reizt Sie als Schauspieler am Akt des Lesens?

Es ist ein theatraler Akt. Ein Mensch betritt eine Bühne vor Menschen mit denen man eine Reise antreten will. Das macht den Beruf aus. Bei Lesungen hat man auch den zeitlichen Rahmen. Man weiß, wann es vorbei ist Es ist mehr oder weniger eine Privat-Audienz mit dem Publikum, Man merkt ja, wie es darauf einsteigt. Außerdem liest man, wie in diesem Fall, mit vielen Bekannten mit denen man das so schnell nicht wieder tun wird. Das Wesentliche ist, egal ob auf der Bühne oder im Theater, dass man zusammen mit dem Publikum einen Akt eingeht.

Es werden mit Ihnen sechs Personen, darunter Jan Josef Liefers und Meret Becker auf der Bühne sein. Hatten Sie Gelegenheit zu proben?

Wenn man von einem Dreh ausgeht, lautet die Grundverabredung, dass man sich trifft, ohne vorher probiert zu haben. Leider. Bei einer teuren Produktion hat man vielleicht die Gelegenheit, vorher mal zu proben. Hier werden wir es spontan halten. Die Schwierigkeiten sind überschaubar. Das macht aber auch den Reiz aus. Man muss in dem Kontext auch sehr wachsam sein: Wie verhält sich das Publikum? Wie musiziere ich den Text?

In dem Stück geht es um drei Embryonen, von denen nur einer eingepflanzt wird. Es wird aber hypothetisch über das Leben aller drei nachgedacht, von der Geburt bis zum Tod. Sie spielen eines der Kinder. Als vierfachen Vater darf ich Sie fragen: Wie spielt man ein quengelndes Baby?

Oh, das ist ein weiter Sprung! Ich habe schon Lady Mcbeth gespielt. Wie soll ich mich da hineinversetzen.? Wenn wir beide eine Stunde proben, könnte ich Ihnen das Quengeln beibringen. Das kriegen wir hin. Die Rolle an sich ist nicht so schwierig. Das ist auch nicht der Sinn von Theater. Der Kontext ist neu und modern.Man stößt in Untiefen vor und kann sich zum Beispiel nicht vorstellen, dass nach künstlicher Befruchtung eine Trisomie 21 auftreten kann. Es geht darum, Dinge beim Publikum in Gang zu bringen.

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In Kritiken hat es nach Ihrem Abgang beim Tatort im Jänner geheißen, Sie hätten die Rolle als Kommissar nicht in Gang gebracht, wären nie angekommen. Kann man Kritik als erfolgverwöhnter Schauspieler, wie Sie es sind, gut annehmen?

Naja, bei neun Millionen Zuschauern kann man nicht voraussetzen, dass alle gleicher Meinung sind. In den sechs Jahren, die ich das gemacht habe, ist mir auch klar geworden, dass neun Millionen Meinungen auch kommuniziert werden und in alle Richtungen tendieren. Den einen bist du egal, die anderen sind Fans von dir und wieder andere lehnen dich komplett ab. Da kann ich mich als Schauspieler nicht mit reinhängen. Aber man freut sich, wenn das Publikum im Theater sitzt, wie zuletzt bei Virginia Woolf, das Licht ausgeht, dann wieder angeht für den Applaus und plötzlich steht der ganze Saal.

Jan Josef Liefers, mit dem Sie "Die Unmöglichen" lesen, ist Tatort-Ermittler in Münster. Wussten Sie, dass er sich aussuchen kann, wie lang er mitspielen will?

Nein, das wusste ich nicht. Ich frag' ihn.

Sind Sie da eifersüchtig?

Ich habe ja nicht aufgrund der gespaltenen Zuschauer-Meinungen den Dienst quittiert, sondern weil ich frei sein wollte für andere Herausforderungen und ich es schade gefunden habe, dass man nur einen Film im Jahr macht. Denn es war ja eine Reihe. Da sind Jan (Anm.: Liefers) und Axel (Anm.: Prahl) besser aufgestellt mit zwei bis drei pro Jahr. Das ist für eine Reihe einfach besser. Du bist präsenter beim Publikum. Die Saarländer haben nicht so viel Geld. Ich bin ja jetzt auch bei "Schwartz auf Schwartz" dabei. Da machen wir nächstes Jahr zwei Produktionen. Das ist ein schöner Algorithmus.

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Man hat das Gefühl, Sie drehen permanent, zuletzt Stefan Ruzowitzkys Sky-Serie "8 Tage". Wie haben Sie da überhaupt Zeit für eine Lesung in Wien gefunden?

Das passt wunderbar, kurz vor Abflug nach Chile zum Drehen für eine Serie vorher diese Lesung zu machen. Die Tage waren eigentlich geplant, um Unterwäsche zu waschen und Socken zusammenzusuchen. Aber bei dem Wetter in Chile reicht eine Unterhose für 14 Tage und 'ne kurze Hose.

"Ich bin dann mal weg", "Die Fälscher", "Drei" ... es gibt so viele hervorragende Filme mit Ihnen ... 

Ich bin aber nicht immer beschäftigt. Das ist der Vorteil davon, frei zu arbeiten. Ich war deshalb auch noch nie fix an einem Theater. Kollegen die fest am Theater sind, gucken von Premiere zu Premiere. Die nächste Rolle steht auf dem schwarzen Brett. Das ist eine kontinuierliche Zeitarbeit, die ich nicht habe. Ich kann es mir glücklicherweise einteilen und achte darauf, dass ich rundherum mal Zeit habe, um nachzudenken. Ich mag es auch gerne, frei und Zeit für mich zu haben. Das heißt bei mir, mit meinem Umfeld, weg von den Leuten, mit denen ich sonst arbeite.

Es sieht ganz danach aus, als wären Sie zufrieden mit Ihrem Leben?

Um mit Jürgen Gosch zu sprechen (Anm.: dt. Theaterregisseur): Es gibt nichts, was man nicht noch besser machen kann.

 

INFO: Lesung von "Die Unmöglichen" heute um 20 Uhr in der Wiener Stadthalle, Halle F. Karten unter: www.wien-ticket.at

Das Stück von Paul Plamper und Julian Kamphausen wurde von Simone Hemke bearbeitet und produziert.

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