Daniel Serafin über Freiheit
freizeit: Herr Serafin, Sie meinten, dass Sie nicht mit weit geöffneten Armen fotografiert werden wollen. Eine Geste, die man von Ihrem Vater kennt. Ist Ihnen Abgrenzung wichtig?
Daniel Serafin: Mein Vater ist das Paradebeispiel für ein Alphatier. Nun bin ich auch eines, und zwei Alphatiere dürfen einander nicht in die Quere kommen. Ich liebe meinen Vater und respektiere ihn. Aber wenn er mir Ratschläge gibt, geht das auf einer Seite rein und auf der anderen wieder raus. Ich mache, was ich will. Bevor man kopiert, sollte man es lassen.
Als Sänger sind Sie allerdings in seine Fußstapfen getreten.
Ich trete nicht in meines Vaters Fußstapfen, ich mache meine eigenen.
Sie haben aber heuer im Sommer beim Musikfestival Steyr den „Eisenstein“ in der „Fledermaus“ gegeben. Eine Rolle, die auch Ihr Vater oft gesungen hat.
Mein Vater hat mir auch gesagt, dass er die Rolle, so wie ich sie heute singe, nicht interpretiert hätte. Aber Rollen wandeln sich eben mit der Zeit. Das weiß auch mein Vater und wird dahingehend mit dem Alter immer toleranter. Er sagt dann: „Du machst das auf deine Art.“ Abgesehen davon singe ich vieles, was meinem Vater nicht liegt.
Was meinen Sie da konkret?
Crossover-Sachen zum Beispiel oder Electronic, House, Funk oder Soul. Das interessiert ihn alles nicht. Ich habe auch Hobbys, mit denen er nichts anfangen kann. Seit Kurzem habe ich „Skydiving“ für mich entdeckt, wo man in großer Höhe aus einem Flugzeug springt.
Suchen Sie den Nervenkitzel?
Nein, den habe ich schon auf der Bühne. Es ist einfach schön und gibt mir ein Gefühl der Freiheit. Die 20 Sekunden, in denen du fällst, fühlen sich an, als ob die Welt deine wäre. Ich mag den Weitblick. Meine Wohnung ist im letzten Stock in der Gasometer City. Am Berg fühle ich mich wohl, im Tal werde ich depressiv. Ich bin es mit einer Größe von 1,91 Metern gewohnt, über alles drüberzuschauen. Und das meine ich nicht arrogant.
Ihre Wohnung ist ziemlich grau – der Boden, die Möbel. Woher kommt Ihre Vorliebe dafür?
Grau ist ja offiziell keine Farbe, aber für mich schon. Ich mag Anthrazit kombiniert mit Rot, weil es einen sinnlichen Touch hat. Ich bin bei meinen Eltern zuerst im 19. und dann im ersten Bezirk im Altbau aufgewachsen. Hohe Wände interessieren mich nicht mehr. Ich wollte Aluminium, Metall, Glas, Schrägen – alles, was meiner Verrücktheit entgegenkommt. Für mich ist einer der schrecklichsten Sätze: „Du bist normal.“ Das ist durchschnittlich und das ist für einen Künstler nicht tragbar.
Es ist doch so, dass jeder Mensch Macken hat und nicht nur Künstler.
Mein Vogel ist aber besonders groß. Er zwitschert an den unmöglichsten Stellen. Da ist zum Beispiel meine Wanderlust. Wenn mich jemand fragt, wo mein Zuhause ist, sage ich: „In meinem Koffer.“ Da sind ein paar Dinge drinnen, die mir etwas bedeuten. Ansonsten ist Zuhause nur in meinem Kopf. Ich habe keine feste Bindung an einen Ort und auch nicht zu einer Person. Ich glaube, ich lasse das unbewusst nicht zu. So, jetzt sind wir mitten in einem Gespräch für „Psychologie heute“.
Eine Psychologin würde jetzt wahrscheinlich nach der Kindheit fragen.
Mein Vater war Künstler, die Mama hatte Modegeschäfte. Ich wollte eigentlich auch immer einmal etwas mit Mode machen. Jedenfalls habe ich meine Eltern wenig gesehen und hatte viele Nannys. Aber das war kein Problem für mich. Wichtig war die Quality-Time, nicht die Quantity. Entschuldigen Sie meine Anglizismen, ich bin sehr amerikanophil. Ich war auf der „Vienna International School“.
Sie haben seit 2008 eine Wohnung in New York und dort eine Ausbildung gemacht. Was hat Sie dazu bewogen?
Ich habe an der renommierten „Juilliard School“ meinen „Master of Arts and Cultural Management“ gemacht. Dafür werde ich meinen Eltern immer dankbar sein, weil das ohne sie nie möglich gewesen wäre.
War Amerika für Sie auch eine Möglichkeit, Ihr eigenes Ding zu machen?
Das stimmt. In Amerika heißt es: „You are Daniel Serafin, the Bariton“, Harald kennt dort niemand. Über „Dancing Stars“ kannte mich auch keiner. Ich habe es zweimal erwähnt und die Leute waren euphorisch. „You where dancing with the stars? I can't believe it!“ Die Amerikaner sind neidlos.
Hat Ihnen „Dancing Stars“ einen Karriereschub verpasst?
Überhaupt nicht. Ich bin dort mit etwas aufgetreten, was ich überhaupt nicht kann: Tanzen. Aus heutiger Sicht würde ich nicht mehr teilnehmen. Ich konzentriere mich in Zukunft auf Dinge, die mich in meinem Job weiterbringen.
Ihrer Bekanntheit hat es genützt.
Das stimmt. Als ich im Sommer ein Engagement in Steyr hatte, war ich im Supermarkt einkaufen. Dort kam eine Frau auf mich zu und meinte: „Das glaube ich jetzt nicht, dass ich Sie hier treffe.“ Ja, auch ich kaufe Klopapier. Sie hat mich dann um ein Autogramm direkt auf die Haut gebeten. Wissen Sie, wie schwer es ist, auf Haut zu schreiben?
Nein, bisher gab es diesbezüglich keine Anfragen. Warum haben Sie sich eigentlich nie entschlossen, ganz nach Amerika zu gehen?
Ich habe einfach nicht genügend Auftritte dort. Ich bin im Jahr vier, fünf Monate drüben. Am 3. Dezember trete ich bei Ronald Lauder auf, der während Reagans Amtszeit US-Botschafter in Wien war. Er betreibt in New York eine Galerie. Sollte ich jemals einen Vertrag für ein längeres Engagement in den USA unterschreiben, hätte ich kein Problem, zu übersiedeln.
Würden Sie Österreich nicht vermissen?
Natürlich, ich habe hier ja auch zu tun. Aber ich brauche Abwechslung. Wenn ich zum Beispiel drei Monate in Los Angeles bin, wird mir irgendwann fad. Ich möchte die Zeit so gut wie möglich nutzen. Man verschenkt zu viel davon. Im Nachhinein denke ich mir oft: „Oh Gott, wie viel Zeit ist in manche Beziehung geflossen und wie wenig nachhaltig war sie?“ Mein Motto lautet: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Ich befreie mich gerne. Kürzlich habe ich 20 Hemden verschenkt, die ich nicht mehr trage. Das ist wieder mein Vogel, der bekanntlich groß ist. Passend zu meiner Größe von 1, 91 Metern.
Ballast abzuwerfen ist doch positiv.
Was ist wirklich verrückt an Ihnen? Ich habe eine Edelmetall-Allergie ab dem Handgelenk abwärts. Ich habe also in den nächsten zehn Jahren keine Ambitionen, zu heiraten. Vielleicht ist das ein übertriebener Wunsch nach Freiheit. Ich glaube aber, meinen Job nur machen zu können, wenn ich komplett frei bin. Vor einem Konzert kannst du oft einen Tag nicht quatschen. Ich kann nachts auch oft nicht schlafen und stehe auf, um Musik zu hören. Eine Beziehung ist ein Kompromiss, auch wenn er schön sein kann. Meine Priorität liegt derzeit auf meiner Arbeit. Es schadet nichts, ein wenig Egoist zu sein.
Was haben Sie denn Großes vor?
Im November kommt mein Solo-Debüt ins Metropol. Peter Hofbauer schreibt das Programm. Arbeitstitel: „My Papa was a Rolling Stone“.
Eine Anspielung auf Ihren Vater?
Ja, mein Vater ist ein rollender Stein, der kein Gras ansetzt. Darum geht es. Es wird kein Klassik-Programm. Es kommen Cross-over-Nummern und selbst geschriebene Lieder vor. Ich möchte jetzt auch in die Singer/Songwriter-Ecke gehen.
Wo werden Sie beruflich in zehn Jahren sein?
Entweder behalte ich meinen Beruf bei oder verändere ihn leicht. Auch Kulturmanagement kann ich mir vorstellen. Ich liebe ein Zitat von Karl Lagerfeld: „Was interessiert mich, was ich vor sechs Monaten gesagt habe. Das ist vorbei.“ Ich ändere auch oft meine Meinung. Vielleicht vermittle ich einmal Künstler oder werde Intendant.
Mörbisch?
Oh Gott, nein. Dort gab es schon einen Serafin. Vielleicht kommt etwas anderes.
Daniel Serafin, 32, wurde in Wien geboren, hat aber wie sein Vater Harald, Ex-Intendant der Seefestspiele Mörbisch, auch einen deutschen Pass. Nach dem Besuch der „Vienna International School“ studierte er ein paar Semester Theaterwissenschaften und BWL. Mit 21 begann er eine klassische Gesangsausbildung und studierte in den USA eineinhalb Jahre Kultur- Management. Der Öffentlichkeit wurde er als „Dancing Star“ bekannt. Noch heuer gibt Serafin im Wiener Metropol sein Solo-Debüt. Er wird dort erstmals auch selbst komponierte Lieder fernab von Klassik präsentieren. Untertitel: Sex, Drugs, Serafin. „Jetzt wird jeder sagen: Was hat der damit am Hut? Mit Sex sind die Geschlechter gemeint. Und mit Drugs: Die Musik!“
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