Vom Bond-Girl zum "Gone Girl"
Sehr kühl, sehr elegant und irgendwie sehr mysteriös. So entspannt wie Rosamund Pike beim Interview sitzt, könnte man die Britin leicht mit einer Hitchcock-Blondine verwechseln. Dabei zeigt sie im Thriller „Gone Girl – Das perfekte Opfer“ in jeder Hinsicht mehr als Kim Novak und Tippi Hedren in ihrer gesamten Karriere zusammen.
freizeit: Frau Pike, wir haben gerade von David Fincher, dem Regisseur von „Gone Girl“ gehört, dass wir vor allem Ihnen diesen spannenden Film zu verdanken haben. Fincher meinte: „Rosamund Pike half mir, meinen Job auszuüben, denn es gibt nicht viele Schauspieler, die für einen Filmemacher eine Szene vierzig Mal wiederholen“ ...
Rosamund Pike: Bei David Fincher ist man fehl am Platz, wenn man nicht gerne herumgeschubst wird. Mit ihm zu drehen ist harte Arbeit, aber es lohnt sich. Ich brachte es einmal auf 60 Wiederholungen. Aber wenn das Ergebnis passt, mach ich das gerne.
Sie spielen Amy Dunne, eine elegante New Yorkerin, die mit ihrem Mann Nick (Ben Affleck) in eine verschlafene Kleinstadt am Mississippi zieht und die an ihrem fünften Hochzeitstag plötzlich verschwindet. Der Beginn eines Dramas, das durch überraschende Wendungen zu einem zweieinhalb Stunden langen Thriller wird, der nicht nur Ihnen alles abverlangt. Sie erwähnten, dass es nach dem Dreh für Sie schwierig war, diese Rolle aus dem Kopf zu kriegen.
Ich glaube, dass einen manche Rollen für immer begleiten. Die Rolle der Amy war auch physisch extrem: Ich musste mir während der 100 Drehtage, drei Mal je sechs Kilo anessen und diese wieder abnehmen. Und dann diese Aggression, die ich verkörpern musste – der Körper setzt dabei Hormone frei, die ganz schön belasten.
Ihre Schauspielkarriere ist generell von Extremen gezeichnet: Vom schwertkämpfenden Bond-Girl zum auch nicht zahmen „Gone Girl“. Was kann da noch folgen?
Da ich mit meinem zweiten Baby schwanger bin, gibt es für mich im Moment nur eine Frage: Wird es ein Mädchen? Nein, im Ernst, jetzt muss einmal „Gone Girl“ im Kino anlaufen und ich bin gespannt auf die Reaktionen. Und ich mache einmal Pause.
Auch einige andere Topstars haben diese Rolle angeboten bekommen, aber letztlich haben Sie das große Los gezogen. Was bedeutet das für Sie?
Die Schauspielerin Reese Witherspoon, die „Gone Girl“ koproduzierte, hat mich schließlich für diese Rolle vorgeschlagen. Es ist mir bewusst, dass nur sehr wenige Schauspieler eine Chance wie diese erhalten.
„Gone Girl“ thematisiert u. a. die Frage, ob eine Frau die Coole spielen muss, um für einen Mann anziehend zu wirken ...
Ja, um einen Mann abzuschleppen, spielt man besser die Coole. Aber was bedeutet „cool“ schon? Fährt er auf Bücher und Marcel Proust ab, ist es möglicherweise cool, wenn ich Madeleines backe. Ist er der sportliche Typ, punkte ich, wenn ich Bier trinke, Burger esse und mir Baseballspiele reinziehe.
Wäre es denn nicht frustrierend, in einer Beziehung fünf Jahre lang Interesse an Baseball zu heucheln, nur um die coole Sportfreundin abzugeben?
Ich weiß nicht. Wenn man es nur überzeugend spielt, findet man vielleicht auch bald Gefallen an Baseball. Zumindest funktioniert das bei Schauspielern so, wenn sie sich in ihre Rollen hineinversetzen.
Psychopathen spielen in „Gone Girl“ eine große Rolle. Wie haben Sie sich darauf vorbereitet?
Schon einmal durch Bücher. Die Bestsellerlisten in England sind voll von Ratgebern und Romanen wie „Der Soziopath von nebenan“. Hier konnte ich schon viel über diese Persönlichkeitsstörungen lernen. Und: Sich mit einem Soziopathen zu unterhalten, kann wirklich amüsant sein. Diese Leute scheinen einen manchmal besser zu kennen als man sich selbst.
Haben Sie eine besondere Vorliebe bei der Wahl Ihrer Rollen?
Auf jeden Fall für schwierige Rollen. Ich möchte da weitermachen, wo ich jetzt mit Amy stehe. Amy ist ein Charakter, der dieses Drama aktiv vorantreibt. Es gibt viele starke Frauenrollen, aber nicht immer bestimmen die auch die Handlung.
Gab es in Ihrem Leben ein bestimmtes Ereignis, das Sie zur Schauspielerin werden ließ?
Nein, kein bestimmtes. Ich wollte mich nur immer schon verkleiden und andere Leute nachahmen. Die Londoner Straßen war früher sehr ergiebig, wenn man sich etwas vom Menschen-Spiel abschauen wollte.
Für Sie war das ein sehr produktives Jahr. Sie sind in „Hectors Reise oder Die Suche nach dem Glück“ zu sehen, in England startet demnächst die Familienkomödie „What We Did On Our Holiday“, und am 2. Oktober steht die Weltpremiere von „Gone Girl“ auf dem Programm...
Ja, stimmt, was für ein Jahr! Wobei die Dreharbeiten zu dieser Familienkomödie eigentlich die reinste Erholung waren, auf jeden Fall aber das Gegenteil zur Arbeit mit David Fincher. Statt bis zu 84 Takes reichten hier meist drei bis vier Aufnahmen. Es gab keine Proben, und statt uns zu dirigieren sagte der Regisseur einfach: „Macht, was ihr wollt, überrascht mich!“
freizeit: Mr. Fincher, in einem Interview meinten Sie, es sei ein Vergnügen, einen Beziehungsfilm zu drehen, der danach 15 Millionen Scheidungen auslöst.
David Fincher: Okay, ich sollte ab jetzt wirklich aufpassen, was ich zu Journalisten sage.
„Gone Girl“ entwickelt sich von einem Krimi zu einer Mediensatire und weiter zu einem Mystery-Thriller. Und es wird gelogen, dass sich die Balken biegen. Glauben Sie, dass die größten Lügen jene sind, die vor einer Kamera ausgesprochen werden?
Nein. Wir haben die Sprache erfunden, daher ist die Lüge überall anzutreffen. Oder antworten Sie etwa ehrlich wenn Sie jemand fragt, ob Sie diesen Keks vom Teller genommen haben?
Die Buchvorlage von „Gone Girl“ verkaufte sich alleine in den USA drei Millionen Mal. Ihre Verfilmung ist also eigentlich ein garantierter Blockbuster.
David Fincher: Moment! Wenn davon jeder Leser nur seinen besten Freund oder seine beste Freundin mit ins Kino nimmt, sind das gerade einmal sechs Millionen Kinogänger. Wenn es nicht mehr werden, habe ich ein Problem! Wenn ein neues Videospiel auf den Markt kommt, ist der Verkaufserlös pro Spiel fünf Mal so hoch wie bei einer Kinokarte. Und wenn von einem Spiel zehn Millionen Stück verkauft werden – rechnen Sie sich das aus! Das sind die harten Fakten.
Sie haben für den Internet-Streamingdienst Netflix, der ja von manchen schon als Untergang für das klassische Kinogeschäft der Gegenwart bezeichnet wird, bislang zwei Staffeln der gefeierten Webserie „House of Cards“ gedreht. Glauben Sie überhaupt noch an das Kino?
Ich glaube nach wie vor, dass die Hochmesse des Films im Kino stattfindet. Im Dunklen mit 700 Fremden zu sitzen, spricht unsere animalische Seite an. Deshalb liebe ich Kino. Kino ist Geschichten erzählen. Und die moderne Technik steht dem klassischen Geschichtenerzählen ja nicht im Weg. Das Kino ist mehr als 100 Jahre alt, das ist eine Menge Erfahrung.
Sie sind auch bekannt für Ihr gutes Händchen bei der Musikauswahl für die Soundtracks Ihrer Filme. Im Abspann von „ Fight Club“ lief etwa das vielsagende „Where Is My Mind“ von den Pixies. Und jetzt, in „Gone Girl“, hört man in einem Autoradio plötzlich „The Reaper“ von Blue Öyster Cult – just zu einem Zeitpunkt als die Frage auftaucht, wer der Böse ist. Wenden Sie viel Zeit auf, um passende Songs auszugraben?
Gar nicht. Ich fuhr gerade zu einem der Drehorte, als ich das Lied im Autoradio hörte. Die Classic-Rock-Radiostationen in den USA sind für mich immer eine gute Inspiration – wenn nicht gerade „Sweet Home Alabama“ gespielt wird. Im Süden der USA gewinnt man manchmal den Eindruck, der Song ist 24 Stunden on air.
Gillian Flynn, Autorin von „Gone Girl“: Der Thriller stand wochenlang auf der Bestsellerliste der New York Times und verkaufte sich alleine in den USA mehr als drei Millionen Mal.
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Der Film startet am 3. Oktober 2014 im Kino.
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