Der begehrte Edelpilz ist eine berühmte Spezialität des Piemont. Doch in dieser Region in Norditalien, deren Name so viel bedeutet wie „Am Fuße der Berge“, dreht sich die Kulinarkultur auch noch um viele andere kulinarische Besonderheiten. Die angeblich besonderen Piemont-Kirschen spielen dabei zwar keine Rolle – die waren vor allem ein Coup der Werbung. Dafür kann man auf einer Genusstour, die von den südlichen Alpen bis in die Po-Ebene und Städte wie Turin, Asti und Alba führt, viele andere Spezialitäten probieren: Weine wie den Barbaresco und den weltberühmten Barolo, traditionell hergestellten Käse und hausgemachtes Haselnussgebäck. Außerdem kommen frische Pasta wie die typischen, gefüllten Agnolotti del Plin mit besonderem Kniff auf den Teller – oder ein Risotto aus Piemont-Reis.
„Vercelli ist das Reis-Zentrum Italiens“, sagt die italienische Gräfin Clara Cavalli d’Olivola stolz, auf deren Landgut, einem ehemaligen Zisterzienserkloster, die Mönche schon vor Jahrhunderten Reis angebaut haben. Noch immer fährt man in dieser Gegend an unzähligen Reisfeldern vorbei. Zusammen mit ihrem Sohn Paolo führt die Gräfin diese Tradition fort. Als Prinz unter den hiesigen Reissorten gilt der Carnaroli-Reis, der auch gerade in der Gutsküche im Topf von Köchin Carla heftig brodelt.
Mit Risotto verhält es sich nicht viel anders als mit dem Essen in dieser Region: Keine Hetze, man nimmt sich Zeit und isst so lange, wie man isst. Kein Wunder, dass die Slow-Food-Bewegung hier ihren Ursprung hat. Gegründet wurde sie in den 1980ern von Carlo Petrini im Ort Bra, wo mittlerweile eine Slow-Food-Uni für Gastro-Wissenschaften und eine Weinbank mit Weinen aus ganz Italien entstanden sind. Die Organisation setzt sich längst weltweit ein: für saubere, faire Produkte aus der Region und die Rettung vom Aussterben bedrohter Lebensmittel.
Alte Käserezepte
Auch Silvio Pistone gehört zu den kulinarischen Rettern im Piemont. Seit über zwanzig Jahren hat er sich mit seiner kleinen Käsemanufaktur „Cascina Pistone“ begeistert dem typischen Toma verschrieben. Dort, etwas versteckt an einer Landstraße in den Bergen, sorgt er dafür, dass traditionelle Käserezepte nicht verloren gehen. „Ich habe so manche alte Dame bekniet, dass sie mir ihr Rezept verrät“, erzählt er schmunzelnd, als er in seiner rustikalen Hütte mit Panoramablick ein Tablett mit Käse auf den Tisch stellt.
Für die Produktion verwendet er die Milch seiner rund vierzig Schafe, die er im Stall nebenan zweimal täglich melkt. Seine Toma-Käse probiert man in unterschiedlichen Reifegraden von cremig bis intensiv würzig. Dazu öffnet der Mittfünfziger die unerlässliche Flasche Wein.
Wein wird im Piemont schließlich nicht nur oft und viel getrunken, sondern auch hergestellt – häufig aus der Nebbiolo-Traube. Barbaresco wird daraus gemacht, genauso wie der König der Piemont-Weine, der Barolo. Letzterer wird nur in der Umgebung von elf Orten südlich von Alba angebaut. Schon der Weg zur Weinprobe dürfte nicht nur Wein-Enthusiasten beeindrucken, wenn man die kurvige, enge Straße in der Gegend von Langhe-Roero und Monferrato entlangfährt. Weinberg nach Weinberg schiebt sich dort ins Blickfeld: idyllisch, hoch und bis in den wirklich allerletzten Winkel mit Reben bepflanzt. Kein Wunder, dass diese Landschaft von der UNESCO ins Weltkulturerbe-Verzeichnis aufgenommen wurde.
Nicht nur beim Wein begegnet man einer spürbaren Leidenschaft für die Erzeugnisse und die Traditionen der Region. Das Kochen und die Gerichte, die oft deftig sind, bodenständig und bäuerlich rustikal. Selbst in der Sterneküche stößt man auf Piemont-Klassiker, wenn auch in verfeinerter Bodenständigkeit wie bei Köchin Mariuccia Ferrero im Restaurant „San Marco“ in Canelli. Drei Jahrzehnte lang hatte sie – als eine der wenigen Frauen – die Auszeichnung und lässt sich nach wie vor von Piemont-Gerichten inspirieren.
Sternehimmel
Bemerkenswert ist auch, dass überdurchschnittlich häufig auf Michelin-Niveau gekocht wird. Ob in kleinsten Dörfern oder der Fast-Millionenstadt Turin: Im Piemont findet man die zweithöchste Dichte an Sterne-Restaurants in ganz Italien; über vierzig sind es derzeit. Marcello Trentini vom „Magorabin“ in Turin hat nur einen Stern – bis jetzt. „Da ist noch Platz für zwei weitere“, sagt der Koch mit den Rastalocken selbstbewusst, als er auf der Schulter sein Tattoo eines Michelin-Sterns zeigt. Typische Spezialitäten des Piemont kommen zwar auch bei ihm zum Einsatz. Ansonsten experimentiert der Charakterkopf mit Finesse, globalen Aromen und gegensätzlichen Geschmäckern. Sein „Magorabin“ befindet sich nur wenige Schritte vom lebendigen Zentrum Turins entfernt, einer unterschätzten Kulturstadt und Barock-Schönheit voller prächtiger Bauten, Parks und mit über siebzehn Kilometer Arkadengängen.
Zurück bei der Trüffelsuche im Wald mit Georgio und seinen beiden aufgewühlten Hunden. Dort beginnt Lizzy plötzlich anzuschlagen und drauflos zu buddeln. Georgio nimmt sie beiseite, schaufelt dann selber vorsichtig mit der Hand im Waldboden – und wird fündig. Der erste Trüffel heute. Einige werden noch folgen. Schwarze Trüffel allerdings „nur“. Am Vergnügen daran, als nach der Suche im kleinen Holzhäuschen etwas davon auf einen Teller gehobelt und ganz simpel mit Olivenöl probiert wird, ändert das nichts.
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