Sonne in Sicht: Mit der Europa 2 auf die Kanaren
Victor scheint sich seiner Sache sicher zu sein: „Auf dem Teide scheint die Sonne. Ich verspreche es!“, beteuert er, als er die skeptischen Blicke seiner Reisegruppe bemerkt. Der Weg zum Pico del Teide, dem höchsten Berg Spaniens auf der Insel Teneriffa, führt durch einen komplett nebelverhangenen Nationalpark. Bis zuletzt zweifelt man am Optimismus des Reiseleiters, doch dann, wenige Kilometer vor dem Ziel, reißt der Himmel doch auf – und der oft schneebedeckte Vulkan, den die Ureinwohner „Echeyde“ (Hölle) nannten, präsentiert sich seinen Besuchern inmitten der kargen Lavalandschaft in voller Pracht.
Nach einer zehnminütigen Fahrt mit der Seilbahn raubt einem der Ausblick von der Bergstation buchstäblich den Atem: Wegen der klaren, aber dünnen Luft auf über dreitausend Metern darf man während des Spaziergangs auf den schmalen Steinpfaden die Maske ausnahmsweise abnehmen.
Der Pico del Teide ist vermutlich der einzige Ort auf Teneriffa, an dem dies aktuell erlaubt ist. Restaurants, Cafés, Geschäfte und Hotels sind zwar geöffnet, die Maskenpflicht gilt aber auch im Freien und bei Tisch. Erst, als der Kellner die Getränke abgestellt hat, gibt Guide Victor, ein gebürtiger Tinerfeño, das Kommando zum Maskenablegen.
Der gelernte Bauingenieur wechselte nach der Wirtschaftskrise 2008 in die Tourismus-Branche, jetzt macht ihm die Pandemie abermals einen Strich durch die Rechnung. „Mein Glück ist, dass ich in der Schule Deutsch gelernt habe“, erzählt er und nimmt einen Schluck von seinem Barraquito, der picksüßen Kaffeespezialität der Insel. „Viele Reiseleiter, die nicht Deutsch können, sind jetzt arbeitslos.“
Nur fünf Prozent der üblichen Touristen befinden sich auf Teneriffa – normalerweise würden in der Altstadt von Santa Cruz, wo die kanarische Regierung ihren Sitz hat, gerade Tausende Menschen Karneval feiern. Seine Freude, endlich wieder Touristen aus dem Ausland über seine Insel führen zu können, kann Victor nur schwer verbergen.
Ewiger Frühling
Ähnlich glücklich strahlen die Crewmitglieder der Europa 2, die seit Anfang Dezember wieder in See sticht und auf Teneriffa ihre Kanaren-Kreuzfahrt beginnt. Die Sicherheitsbedenken, die im voll besetzten irischen Billigflieger von Wien nach Santa Cruz noch bekräftigt werden, lösen sich am Hafen rasch in Luft auf: Das Boarding erfolgt gestaffelt, der Schiffsarzt kontrolliert penibel alle Testergebnisse und Gesundheitsfragebögen. Weil statt den üblichen fünfhundert nur knapp dreihundert Passagiere (sechzig Prozent) mitreisen, hat man am Sonnendeck fast so viel Platz wie auf dem Gipfel des Teide.
Bei der Sicherheitseinweisung verhängt Kapitän Jörn Gottschalk eine „Nulltoleranzgrenze“ für das Tragen des Mund-Nasen-Schutzes an Bord. Zu groß ist die Angst, dass die Schiffe nach einer monatelangen Zwangspause (der Kapitän verbrachte im März 2020 sechsundvierzig Tage mit seiner Crew im Hafen von Marseille) erneut zum Stillstand kommen könnten. Zu groß die Freude, dass es endlich wieder losgehen kann.
Auf Kreuzfahrtschiffen gelten daher besonders strenge Hygienestandards, die Crew wird monatlich „durchgetestet“, jeder Passagier muss einmal täglich zur Temperaturkontrolle antreten. Die Kabinen werden mit einem speziellen Fogging-Gerät „ausgedampft“, bevor neue Gäste einziehen.
„Wir fühlen uns hier sicherer als zu Hause“, erzählt ein deutsches Ehepaar um die siebzig, das es kaum erwarten konnte, endlich wieder auf Kreuzfahrt zu gehen. Zur Vorfreude mischen sich aber auch Gewissensbisse, die durch das „Travelshaming“ in den sozialen Medien genährt werden. „Wir haben niemandem erzählt, dass wir hier sind, und sind extra mit dem Taxi zum Flughafen gefahren, damit niemand unsere Koffer sieht.“
Einfach mal weg
Auf dem schwimmenden Luxusplanet Europa 2 rücken diese Gedanken rasch in weite Ferne. Die meisten Menschen an Bord wollen „einfach mal weg“ – vom kalten deutschen und mitteleuropäischen Winter, vom alles beherrschenden Thema zu Hause.
Zum Abschalten und Sonnetanken eignen sich die Kanarischen Inseln vor der Nordwestküste Afrikas derzeit besonders gut: Selbst im Winter hat es meist mehr als zwanzig Grad, und weil die Infektionen auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau sind, dürfen seit November auch wieder Kreuzfahrtschiffe anlegen. Dort, wo die Zahlen steigen – zum Zeitpunkt der Reise war das etwa auf Teneriffa der Fall – dürfen Passagiere nur in geführten Gruppen von Bord gehen.
Im Grunde müsste man die Europa 2 auch gar nicht verlassen – hier findet man ohnehin fast alles, was das Virus an Land verboten hat. Vor allem: Platz. Bei den Bali-Betten und Sonnenliegen hat man die freie Wahl, die netten Kellner servieren frisch gebackene Waffeln mit Erdbeeren und Cocktails direkt zum Liegeplatz. Auch die Shows im Theater finden statt, jeden Tag zweimal, damit die Abstände im Publikum gewahrt werden können. Nur auf die Poolpartys und durchtanzten Nächte in der legendären „Sansibar“ müssen die Gäste wohl noch länger verzichten.
„Wir wollen das Vertrauen unserer Passagiere nicht verspielen“, sagt Kapitän Gottschalk, der wie alle Crewmitglieder vor Reiseantritt in Quarantäne musste. „Die Befürchtungen waren groß, aber ich bin beeindruckt, wie umsichtig und verständnisvoll die Menschen sind.“ Sollte an Bord doch noch ein Verdachtsfall auftreten, steht Schiffsarzt Georg Gagesch zur Stelle: In seinem Hospital kann der erfahrene Tropenmediziner neuerdings sogar PCR-Tests auswerten. Der aktuellen Situation kann er aus medizinischer Sicht auch Positives abgewinnen: „Normalerweise haben wir an Bord viele Erkältungswellen. Heuer noch keine einzige.“
Wenn man sich doch dafür entscheidet, das schwimmende Kleinod zu verlassen, sollte man einen Abstecher zum weitläufigen Dünenstrand von Maspalomas auf Gran Canaria machen, wo sich Partylokale und Hotelketten aneinanderreihen. Viele haben geschlossen und nutzen die Pause für eine Generalüberholung. Belebter wirkt die sehenswerte Altstadt von Las Palmas, nur einen Spaziergang vom Hafen entfernt.
Bergsteiger werden beim kanarischen Inselhopping nicht nur auf Teneriffa glücklich, sondern auch auf den kleineren, steilen und grünen Nachbarinseln La Palma und La Gomera. Die geplante Wanderung im Nationalpark Garajonay, der wegen des speziellen Ökosystems zum UNESCO-Weltnaturerbe erklärt wurde, fällt auf dieser Reise zwar einem heftigen Regenschauer zum Opfer (und wirft einmal mehr die Frage auf, warum man denn nicht einfach auf dem Schiff geblieben ist).
Doch der Regenbogen, der sich danach filmreif über die Klippen der Insel erstreckt, tröstet schnell über die nassen Füße hinweg. Am Horizont ist der Gipfel des Teide zu sehen und man kann Victor förmlich hören, wie er wieder eine Gruppe beschwichtigt: Die Sonne, sie kommt ganz bestimmt.
Info
Klimafreundliche Anreise
Per An- und Abreisepaket um je 280 € von Hapag-Lloyd oder individuell ab Wien nach Teneriffa (Flugzeit ca. 4,5 Stunden)
-Kompensation via climateaustria.at: circa 18 €
Einreise
Die spanischen Gesundheitsbehörden verlangen einen negativen PCR-Test und eine Online-Registrierung. Auch die Kanarischen Inseln gelten derzeit als Risikogebiet, Reiserückkehrer müssen in eine zehntägige Quarantäne, die nach fünf Tagen durch ein negatives Testergebnis beendet werden kann. Infos unter https://travelsafe.spain.info/de/voraussetzungen-um-in-spanien-einreisen-zu-koennen
Reisebeispiel
Innerhalb von sieben Tagen steuert die Europa 2 alle Hauptinseln der Kanaren an. Die Reise unter dem Motto „IN2BALANCE“ mit Ski-Olympiasiegerin Maria Höfl-Riesch startet auf Teneriffa und sieht unter anderem Stationen in San Sebastian (La Gomera), Santa Cruz de La Palma (La Palma), Puerto de la Estaca (El Hierro), Arrecife (Lanzarote), Puerto del Rosario (Fuerteventura) und Las Palmas (Gran Canaria) vor. Termin: 27. 2. bis 6. 3., buchbar ab 2.990 € pro Person (exkl. An- und Abreise). Weitere Infos unter hl-cruises.de
Kommentare